Moin mitnanner!
Leider stelle ich immer wieder fest, dass sich viele User recht naiv im Kryptobereich bewegen.
Einige wollen ihre Kryptos anonym kaufen, Gewinne vor dem Staat verheimlichen oder sie glauben, im „Wilden Westen“ zu sein, in dem sie niemanden Rechenschaft ablegen müssen.
Da ich nicht möchte, dass sich jemand sein Leben durch Unwissenheit/Naivität versaut, gebe ich immer meinen Senf zu „zweifelhaften“ Aussagen ab. Damit ich das nicht immer und immer wieder machen muss (was einige schon nervt), nutze ich diesen Thread, um alle Fakten zusammenzufassen und meine Einschätzung abzugeben.
Es ist ein recht langer Text geworden (Sorry dafür!), aber die Thematik ist recht komplex und kann nicht mit 3 Worten erklärt werden.
Niemand soll wissen, dass ich Kryptos besitze!
Zugegebenermaßen kann ich es sehr gut nachvollziehen, dass man dem Staat bzw. den Behörden nicht direkt auf die Nase binden möchte, dass man Kryptowährungen besitzt. Schon gar nicht WELCHE und WIEVIEL.
Das war ja auch ein stückweit die Grundidee von Bitcoin: Mein Geld. Meine Verantwortung. Meine Kontrolle.
Nun muss ich aber leider auch sagen, dass diese Denke nur bedingt umsetzbar ist.
Ein Staat kann es nicht zulassen, dass Geld (oder etwas, das wie Geld gehandelt wird) transferiert wird, ohne dass der Staat die Kontrolle bzw. das Wissen darüber hat. Das würde kurzerhand zum Machtverlust führen.
Dies hat man insbesondere Mitte 2019 gemerkt, als Facebooks Libra präsentiert wurde. Der Kryptomarkt war bezüglich Regulierungen, Aussage von Staatmännern/-frauen usw. monatelang sehr ruhig, doch plötzlich kam von sehr vielen Staaten ein Statement zu Libra.
(Anmerkung 07.09.2021: Raider heißt jetzt Twix und Libra heißt mittlerweile Diem.)
Warum? Stell’ Dir vor, Libra kommt auf den Markt und etwa 2 Mrd. Facebook-Benutzer haben plötzlich Zugriff auf „Geld“. Unkontrolliert.
Facebook&Co. sind so reich, dass sie jedem Benutzer sogar ein Startkapital geben könnten, um den Handel in Schwung zu bringen.
Mit 2. Mrd. Usern wären Facebook&Co. die größte Bank der Welt. Selbst wenn Facebook 50% Fake-Accounts hat, wären das immer noch 1 Mrd. aktive Kunden. Davon können reguläre Banken nur träumen.
Das machte den Staaten Angst und deshalb kamen plötzlich viele unter ihrem Stein hervor und haben sich darüber ausgelassen, wie böse Libra ist und dass Libra in ihrem Land keine Zukunft haben wird.
(Google: „Libra England“ oder „Libra Europa“ oder „Libra Russland“)
Meine Einschätzung: Libra wird (in der vorgestellten Form) nicht auf den Markt kommen. Facebook wird hier sehr viel nachbessern müssen, ansonsten werden viele Staaten die Nutzung von Libra mit allen Mitteln blockieren und letztendlich Libra vielleicht auch verbieten.
Warum verbietet man dann nicht einfach Bitcoin?
In den Anfängen von Bitcoin haben die Staaten es versäumt, zukunftssicher auf die Bedrohung „Kryptowährung“ zu reagieren. Sie haben Bitcoin als Spielgeld angesehen, für das sich nur Nerds interessieren. Ein Internet-Phänomen, das bald wieder verschwinden wird.
Zu dem Zeitpunkt wäre es noch möglich gewesen, Bitcoin zu verbieten oder sogar durch eine 51%-Attacke das gesamte Netzwerk zu übernehmen und zu zerstören.
Man hat es nicht getan, sondern sich anderen Aufgaben gewidmet. Währenddessen wurde Bitcoin wertvoller, das Netzwerk sicherer, andere Währungen kamen auf den Markt und sogar Firmen begannen damit, sich für Blockchain und letztendlich auch für Kryptowährungen zu interessieren.
Heute kann man (meiner Meinung nach) Bitcoin nicht mehr verbieten. Bitcoin ist zwar (noch) nicht im Mainstream angekommen, aber mittlerweile so verbreitet, dass ein Verbot nicht mehr nur Nerds, sondern auch große Firmen und institutionelle Investoren treffen würde.
Es gibt hunderte, wenn nicht tausende von Firmen, die mit Bitcoin und anderen Kryptowährungen handeln, Treuhand-Fonds betreiben usw.
(Google: „Fidelity Investments Bitcoin“ oder „Grayscale Bitcoin Trust“ oder „Enterprise Ethereum Alliance“)
Ein plötzliches Verbot würde eine Klagewelle gegen die Regierungen nach sich ziehen. (Und wir wissen ja, wie klagewillig Personen/Firmen insbesondere in den USA sind.)
Gibt's noch einen Grund?
Gut, dass Du fragst. Ja, denn (Achtung, persönliche Meinung!) ich glaube, dass Staaten mittlerweile gar nicht mehr so gegen Kryptowährungen (insbesondere Bitcoin) sind, wie sie nach außen hin sagen.
Zum einen weil es ein hervorragendes Mittel ist, um Transaktionen zurückzuverfolgen. Alles ist offen und für ewig gespeichert. Danke, Blockchain.
Nicht nur wegen der hohen Kosten ist Bargeld den Staaten ein Dorn im Auge.
Zum anderen können Staaten auch selber von Bitcoin profitieren. Nach dem Halving im Mai 2020 wird die Inflationsrate auf unter 2% fallen. Eine Grenze, die die Zentralbanken mit ihrer Fiat-Währung anpeilen, aber oft nicht erreichen.
Seit mehreren Wochen pumpt die FED mehrere Milliarden Dollar in den Markt. Wie? Indem sie Geld druckt. Aus Nichts wird Geld. Ganz einfach.
Das geht bei Bitcoin nicht. Es wird maximal ~21 Mio. geben. Aktuell haben wir etwas mehr als 18 Mio. Bitcoin im Markt und nach jedem Halving wird die Menge an neuen Bitcoin kleiner.
Das macht den Bitcoin (ob man nun andere Kryptowährungen bevorzugt oder nicht) mit der Zeit wertvoller. Man weiß nicht wann, man weiß nicht wieviel. Aber der Preis wird steigen.
Ich habe mich sogar mal zu der Aussage verleiten lassen, dass es mich nicht wundern würde, wenn es Staaten gibt, die Bitcoin-Mining betreiben.
Den geforderten Beweis konnte ich aus verständlichen Gründen nicht liefern. Hätte ein (westlicher Industrie-) Staat offiziell zugegeben, Bitcoin zu minen, wäre der Preis für Bitcoin längst jenseits der $50.000
Im Januar 2020 gab es aber folgende Meldung: „Uzbekistan to Create National Mining Pool, Launch Licensed Exchange“
Quelle: Artikel
Ein „National Mining Pool“? So, so.
Wer als Staat jetzt auf Bitcoin setzt (öffentlich oder hinter verschlossenen Türen), der wird in 5…10…20 Jahren sehr, sehr reich und mächtig sein.
Das gibt einem schon etwas zu denken, denn Gerüchten zu folge ist auch Nord Korea an Bitcoin interessiert. Wenn Nord Korea in den letzten Jahren mit legalen (Mining) oder illegalen (Diebstahl) Mitteln wirklich Bitcoin gesammelt hat, hätte das weitreichende Folge für die gesamte Welt.
Ich will aber jetzt nicht zu politisch werden und schweife auch zu weit vom Thema ab.
Also halten wir mal fest: Ein Verbot von Bitcoin kommt nicht in Frage.
Also Regulierung?
Korrekt. Und die ist schon voll im Gange: „Du darfst es nutzen, aber wir wüssten gerne WANN mit WEM, WARUM und WIEVIEL.“
Der Staat stellt mit seiner Regulierung sicher, dass er, wenn er schon keine direkte Kontrolle hat, zumindest den Überblick nicht verliert.
Hierzu zwei Abkürzungen:
- FATF
Die FATF (Financial Action Task Force) hat es sich zur Aufgabe gemacht, internationale Geldwäsche zu bekämpfen.
Im Juni 2019 wurde eine Empfehlung veröffentlicht, die fordert, dass alle Transaktionen über $1000 bzw. €1000 anzuzeigen sind.
Das bedeutet: Jede Transaktion, die dieses Limit überschreitet, wird den Behörden gemeldet. Automatisch. Alle gesetzes-konformen Parteien (Exchanges, Broker etc.) werden dazu verpflichtet. Wer dem nicht nachkommt, dem wird (vermutlich) der Laden kurzerhand geschlossen.
Wie oben geschrieben, ist dies nur eine Empfehlung von der FATF, aber es ist sehr wahrscheinlich, dass die Mitgliedsstaaten es (fast) genau so umsetzen werden, denn niemand verschwendet gerne Ressourcen, wenn er etwas 1:1 übernehmen kann.
Dazu auch ein aktueller (07.02.2020) Artikel aus der Schweiz:
Quelle: Artikel
Auszug/Zitat:
"All financial providers involved in cryptocurrencies will have to collect data on anyone initiating transactions amounting to more than $1,000."
- 5AMLD (5th Anti-Money Laundering Directive)
Auch wenn viele EU-Staaten der FATF angehören, macht die Europäische Union gerne ihr eigenes Ding und das wäre in diesem Fall die 5. Version der AML-Richtlinien.
Im Fokus steht nicht nur das AML (Anti-Money Laundering = Anti-Geldwäsche), sondern auch die Bekämpfung von Terrorismusfinanzierung. Spätestens nun weiß man, wie ernst die Sache gemeint ist, denn kein Staat und kein Politiker wird gegen Maßnahmen stimmen, die die Finanzierung von Terrorismus verhindern kann/soll.
Die Terrorismus-Karte zieht immer.
Die 5. Richtlinie gibt es schon seit 2018 und alle EU-Staaten sind verpflichtet, sie bis zum 10. Januar 2020 umzusetzen. Also offiziell gilt sie bereits.
Artikel
Artikel
Das 5AMLD schreibt ähnliche Vorgehensweise wie die FATF-Empfehlung vor, allerdings liegt hier der Grenzwert bei $10.000
Desweiteren beschäftigt sich ein Abschnitt mit Wallets. Diese müssen registriert sein; bspw. bei der BaFin. (siehe unten)
Diese ganzen Anstrengungen werden aber nicht exklusiv nur für den Kryptbereich unternommen. Es geht allgemein darum, die Transaktionen von größeren Summen besser nachvollziehen zu können.
(Geldwäsche + Terrorismusfinanzierung)
So finden sich bspw. auch in dem „neuen“ (erste Version 2004; Start der Umstellung 2021; Abschluß 2025) Banken-Nachrichtenstandard ISO20022 Felder für Sender- und Empfänger-Informationen. Alle Transaktionen sind/werden durch KYC abgesichert.
iso20022.org
Aktuell kenne ich aus der Kryptowelt nur ein System (respektive Protokoll), das entsprechend dieses Standards erlauben würde, Werte zu transferieren.
Da die dahinterstehende Firma und dessen Asset bei vielen aber als „Voldemort des Kryptobereichs“ angesehen wird, möchte ich nicht näher darauf eingehen. Das würde auch den Rahmen dieses Beitrags sprengen, der sowieso schon viel zu lang wird.
Wen es interessiert und wer Recherche-Arbeit nicht scheut, der wird sicher sehr schnell fündig. (Tipp: konform = compliant)
Halten wir also noch einmal fest: Ob nun die FATF-Empfehlung oder 5AMLD greift, ist egal. Bei beiden wird jede (größere) Transaktion automatisch gemeldet.
Eine Meldung an die Behörden? Und dann?
Was einige vermutlich nicht wissen: Jeder von uns hat eine TIN, eine „Tax Identification Number“.
oecd.org
Füllt man ein KYC aus, werden die Daten mit der TIN verknüpft, wodurch bspw. die Exchange weiß, welches Finanzamt für den User zuständig ist.
Somit gelangen die Daten direkt an die richtige Stelle. Fließt regelmäßig Geld und zudem auch noch viel, wird das Finanzamt prüfen, ob die Gelder in der Steuererklärung auftauchen.
Fortschrittliche Technik vs. Deutsches Finanzamt?
Auch wenn man annehmen darf, dass unsere Finanzämter aktuell mit diesen Daten überfordert wären, bedeutet dies nicht, dass das immer so sein wird.
Steuerhinterziehung (böses Wort) verjährt erst nach 10 Jahren und bis dahin kann selbst die IT in Finanzämtern große Fortschritte erzielt haben.
Deshalb mein Rat:
Macht Eure Steuererklärung!
Geht zum Steuerberater und lasst Euch helfen. Das kostet (je nach Einkommen) 500-1000 Euro, aber das Steuer-Thema ist zu groß und zu wichtig, um es auf die leichte Schulter zu nehmen.
(Google: „§23 EStG“ und „Private Veräußerungsgeschäfte“)
Ich kaufe meine Bitcoin einfach anonym. (z.B. Bitcoin-ATM)
Ich bin mir hierbei noch nicht sicher, welche Auswirkungen der anonyme Kauf haben könnte. (Könnte! Nicht wird! Es sind nur Vermutungen!)
Exchanges, Händler usw. könnten die Annahme von Bitcoin verweigern, wenn diese von einer anonymen Wallet stammen. Das heißt: Man braucht ein KYC-konformes Wallet (siehe oben: „5AMLD“), um die Bitcoin handeln zu können.
(Ein-) Zahlungen von unbekannten Wallets werden schlichtweg abgelehnt.
Dann tausche ich meine Bitcoin P2P.
Da ja jeder bei größeren Summen die Herkunft der Kryptos offenlegen muss (also auch ich), würde ich es mir zweimal überlegen, ob ich Bitcoin von jemandem annehmen würde, dessen Identität ich nicht kenne.
Ich weiß nicht, woher die Bitcoin stammen. Wurden sie legal gekauft oder wurden sie durch eine Straftat erworben? Werde ich (als letztes Glied in der Kette) vielleicht sogar mit dieser Straftat in Verbindung gebracht und plötzlich gegen mich ermittelt?
Zugegeben: Das ist sehr weit gesponnen und der WORST CASE. Aber es ist auch verständlich, dass niemand „unsaubere“ Bitcoin haben will.
(Google: „tainted bitcoin“)
Was heißt das? Im schlimmsten(!) Fall werde ich meine anonym gekauften und verwahrten Bitcoin nicht mehr los.
Lösung? Ich transferie sie auf ein KYC-konformes Wallet, womit der ganze Aufwand, der mit dem anonymen Kaufen und Verwahren verbunden war, hinfällig wäre.
(Meine) Schlußfolgerung: Der anonyme Kauf von Bitcoin bringt letztendlich keine Vorteile.
Und was ist mit anonymen Währungen wie bspw. Monero?
Ich vermute, dass anonyme Währungen mittel-/langfristig keine Chance am Markt haben werden. Staaten werden sie (aus den o.g. Gründen) verbieten.
Es wird bei den Exchanges beginnen (de-listing) und letztendlich wird niemand mehr dieser Währungen haben wollen. Die Folge: Ihr Wert geht gegen 0.
Und Taproot/Schnorr? Wird dann auch Bitcoin wertlos?
Im Gegensatz zu Dash, Monero, Zcash usw. ist bei Bitcoin die Anonymisierung kein USP (unique selling point - Alleinstellungsmerkmal), sondern eine Zusatzfunktion.
Ich halte es für wahrscheinlich, dass man bei Bitcoin-Transaktionen die Anonymisierung ein- und abschalten kann.
Kauft man sich Brötchen, einen Kaffee oder andere Güter mit geringem Wert, erlaubt der Staat die Anonymisierung. Ähnlich der heutigen Bargeld-Bezahlung.
Nutzt man Bitcoin aber für die Zahlung von Gütern, die den Preis X überschreiten, wird man verpflichtet sein, die Anonymisierung zu deaktivieren. Wenn man’s dem Zahlenden nicht auferlegen kann/will, kann man es dem Händler auferlegen, dass er keine anonymen Zahlungen annehmen darf.
(Aktuell sind anonyme Bargeld-Zahlungen in Deutschland bis zu 10.000 Euro erlaubt. Seit 01/2020 gilt beim anonymen Gold-Ankauf eine Bargeld-Grenze von 1999,99 Euro.)
Bist Du BTC-Maxi?
Nein. Ich habe im obigen Text meist nur „Bitcoin“ geschrieben, um den Text nicht unnötig aufzublähen. Viele Aussagen treffen natürlich auch auf andere Währungen zu.
Schlußwort
Ich danke allen, die sich die Zeit genommen und bis zum Schluß durchgehalten haben.
Ich hoffe, ich konnte dem einen oder anderen einen Denkanstoß geben, künftig verantwortungsvoll zu agieren, damit es nicht irgendwann ein böses Erwachen gibt.
P.S.
Ich bin seit Frühjahr 2017 dabei und beschäftige mich seit Mitte 2018 täglich mehrere Stunden mit Kryptowährungen.
Nichtsdestotrotz bin ich auch nur ein Mensch und mache Fehler.
Was ich oben nicht mit Links „bewiesen“ habe, ist demzufolge als meine eigene Meinung aufzufassen und kann somit völlig falsch sein.
Deshalb gilt immer: DYOR (Do Your Own Research)