Inflation durch Geldmengenausweitung oder sinkende Zentralbanksolvenz?

Ist tatsächlich ganz lustig, dass genau jetzt wieder ein Video dazu kommt. :slight_smile:

Wenn die Vermutung im Video stimmt, dass die Staaten diesen Mechanismus plötzlich verstanden haben und nutzen wollen um ihr Inflationsziel zu erreichen, finde ich das etwas beängstigend. Schließlich kann man damit im Vergleich zur einfachen Geldmengenausweitung ganz schnell in eine Hyperinflation geraten. Das passiert erst kaum und dann plötzlich sehr schnell, wenn die ZB die Währung auf dem Forex-Markt nicht mehr stabilisieren kann. (Rieck im alten Video: „Ketchupflaschen Effekt“).
Man kann den EZB Ankauf von Staatsanleihen mit zu geringem Zinssatz zwar schon länger beobachten, aber ich bin davon ausgegangen, dass einfach nur die Problem-Staaten liquide gehalten werden sollen.

Wie auch Prof. Rieck sagt hoffe ich, dass der deutsche Vorwurf der EZB Mandatsüberschreitung noch weiter verfolgt wird.

Ich verstehe deine beschrieben Sicht glaube ich noch nicht.

Das ist wenn ich mir die Quantitätsgleichung ansehe zu einfach gedacht. Das gesamte Geld entspricht nicht dem Wert der gesamten Güter.
Stattdessen entspricht ein x-fach umgesetzter Anteil des Geldes (= Umlaufgeschwindigkeit * Geldmenge) dem Wert der damit gehandelten Güter, also dem Wert der Transaktionen.

Richtig. Die Geldmenge steigt. Aber der für den Güterhandel umgesetzte Teil des Geldes bleibt erst einmal der gleiche. Das bedeutet die Umlaufgeschwindigkeit sinkt.

Oder willst du darauf hinaus, dass du zwischen Konsumgütern und Anlagen nicht unterscheidest und beides in die Inflation einrechnest?
In diesem Fall kann man natürlich sagen, wenn Geld geschaffen wird, wird auf jeden Fall irgendetwas teurer, entweder Anlageobjekte oder Konsumgüter. Es gäbe also nach dieser Definition immer direkt eine Inflation.

Das finde ich allerdings für die Praxis nicht so relevant. Die Steigerung der Immobilienpreise betrifft jeden, ok. Aber die steigenden Aktienkurse erst einmal nicht.
Für den Normalbürger ist entscheidend ob die Lebenshaltung teurer wird. Deshalb ist die Inflationsdefinition über Verbraucherpreisindizes, wenn diese einen sinnvollen Warenkorb abbilden, in meinen Augen sinnvoller.

Für den Bitcoin Preis macht diese Inflation keinen Sinn, das gebe ich zu. Dort ist eher die Asset Price Inflation interessant.

Funfact zu Bitcoin am Rande:

Wenn man den Bitcoin-Kurs zu jedem Zeitpunkt durch die Geldmenge M2 teilt, dann haben wir in den letzten Wochen bereits mehrfach genau das Alltimehigh von 2017 getestet:

(aus diesem Video: https://www.youtube.com/watch?v=xKwHl5f9acw)

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Ich habe das anfangs auch abgelehnt, aber sehe nun nicht mehr, warum das nicht korrekt sein sollte.

Das ist eher das GDP, nicht der Wert aller Güter. Wenn wir uns zweimal das gleiche Haus (was hier allen Gütern der Welt entspreche) verkaufen, hat sich der Wert der Güter nicht verdoppelt. Die Umlaufgeschwindigkeit hat hier keinerlei Einfluss.

Dass die Preise direkt steigen, ist kein Automatismus, Menschen müssen es erkennen und entsprechend handeln.

Mindestens indirekt schon, da Aktien zB auch mit Immobilien konkurrieren und ebenfalls mit Anleihen, was Auswirkungen auf alle Sparer hat. Ein Zyniker würde sagen, letzteres habe auch kaum einen Einfluss auf die meisten Deutschen.

Der Inflationsbegriff ist eine Umdeutung, die den Zentralbanken dient. Damit wird erstens das schwachsinnige Mandat der Preisstabilität gerechtfertigt und noch schlimmer die Geldzeichenvermehrung verschleiert.

Das ist wirklich gut, da wird unter anderem meine obige Sicht erklärt.
Es wird hier auch unterschieden zws Geldzeichen (Dokumente, die zum Warenaustausch genutzt werden) und Geld (der Rechtsanspruch auf Güter oder Dienstleistungen).
Mit der Definition kann der Staat gar kein Geld herstellen, da kein neuer Anspruch entsteht, sondern einen Anspruch „umverteilt“. Man denke daran was passiert, wenn man Bitcoin verliert - es ist eine „Spende“ an alle anderen Halter von Bitcoin. Das gleiche gilt für andere Währungen und das Gegenteil ebenso. Kann man dies nun ignorieren, bis es alle herausgefunden haben, oder ist es ab dann messbar und das relevante Ereignis geschah schon zuvor und war nur noch nicht sichtbar?

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Der Grund dafür ist relativ einfach.

Was passiert, wenn ich heute ein neues Geld erfinde? Ich drucke mir einfach Scheine und lege sie irgendwohin oder ich schenke sie irgendwelchen Leuten.

→ Es passiert gar nichts. Mein Stapel Scheine ist nicht plötzlich soviel wert wie das Kapital der Welt. USD und EUR bleiben ebenso unbeeindruckt.

Anders sieht es aus wenn mein Geld plötzlich akzeptiert wird und zum Bezahlen/Handeln verwendet wird.

In diesem Moment ist nur der verwendete Teil meines Geldes soviel Wert wie die damit gehandelten Güter.
Gleichzeitig werden die Währungen weniger wert, mit denen diese Güter vorher gehandelt wurden. Alternativ bleiben diese Währungen gleichviel wert, aber es ist ab jetzt eine kleinere Menge dieser Währungen im Umlauf (Umlaufgeschwindigkeit sinkt).

Mit diesem Ansatz kann man auch hervorragend die Koexistenz verschiedener Währungen verstehen. Es kann ja nicht jede Währung gleichzeitig soviel Wert sein wie das Kapital der Welt.

Das ist nur das mögliche Szenario, das den Wert nicht ändert oder willst Du sagen, dass dieses Szenario wahrscheinlich ist, denn das sehe ich nicht. Bräuchte eine Erklärung dafür.
Dem davor stimme ich komplett zu.

Ne natürlich nicht, das meinte ich so auch nie. Ich meinte eher bezüglich Wert: Die Gesamtmenge an Geld entspricht der Gesamtmenge an Güteransprüchen. Geld entsteht ja durch einen Güteranspruch. Man stelle sich vor wir haben eine Tauschwirtschaft. Der Effizienz wegen wird nun das marktgängigste (am meisten akzeptierte) Gut so breit akzeptiert, dass es ein sinnvolles Geld ist. Es wird also genutzt, um einen unbestimmten Güteranspruch über die Zeit zu konservieren. Alternativ zum Geld könnte ich ja auch den Tauschhandel vollziehen, falls beide Seiten die nötigen Güter haben, die sie tauschen möchten.

Ich kann auch nicht wirklich nachvollziehen, mit welcher Argumentation du zu diesem Schluss kommst. Ich versuche mal darzustellen, wie ich die Sache verstehe:

Die Quantitätsgleichung trifft nur eine Aussage über solche Werte, die über eine Geldtransaktion den Besitzer wechseln, weil das die einzigen Werte sind, über deren Preis man wirklich was sagen kann.

Also die Quantitätsgleichung sagt im Wesentlichen: Der Wert des Geldes, das die Hand wechselt, entspricht dem Preis der Sachen, für die das Geld die Hand wechselt. Ziemlich banal und klarerweise wahr.

Die Quantitätsgleichung sagt aber nicht, das der gesamte Wert von allem Geld dem gesamten Preis aller Sachen entspricht. Wie soll sie das auch sagen können? Der Preis von Sachen ist erst dann klar definiert, wenn jemand Geld dafür ausgibt, und der Wert von Geld ist erst dann klar definiert, wenn jemand Sachen damit handelt.

Wenn ich dich richtig verstehe, behauptest du, dass das trotzdem der Fall ist, aber dann werden die Begriffe „Preis“ und „Wert“ plötzlich sehr schwammig, und du müsstest wahrscheinlich erst mal genauer erklären, was du unter diesen Begriffen verstehst, damit wir eine gemeinsame Gesprächsbasis haben.


Ich wollte das eigentlich vorher schon mal erwähnen, hab dann aber vergessen: Das Video von Sauers Vorlesung, das @skyrmion verlinkt hat, ist nur eine Zusammenfassung; der Teil, in dem es um die verschiedenen Formulierungen der Quantitätsgleichung geht und um die Annahmen, die in die Quantitätstheorie einfließen, ist hier https://www.youtube.com/watch?v=tmsYbU75dRc, und ich kann es nur empfehlen, sehr gut und verständlich erklärt.

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Stimmt, das ist soweit absolut einleuchtend. Muss nochmal überlegen wie ich dazu kam und ob es sinnvoll ist oder nicht.

Wenn man die Preisveränderung entgegen der ursprünglichen Definition als Preissteigerung definiert, führt das zu einer recht nichtssagenden Betrachtung bezüglich der Geldmenge. Wenn die Nachfrage nach Wohnungen stark steigt, müsste man das als Inflation bezeichnen, das finde ich seltsam.

Was ich bei der Theorie von Ingo Sauer nicht verstehe:

Nehmen wir mal an, es gäbe nur eine Zentralbank weltweit und eine Währung mit 1 Mio Geldeinheiten, die von dieser ausgegeben wurden.

Wenn nun weitere 1 Mio heimlich hinzugefügt wurden, ist es sehr wahrscheinlich, dass die Nachfrage enorm ansteigt, weil manche Leute nun zusätzlich diese 1 Mio haben und andere nichts davon wissen, weshalb die Preise erst einmal gleich sind.
Nach und nach steigen die Preise, weil die Nachfrage steigt. In der Gesellschaft stellt niemand die Währung in Frage und greift sie nicht auf den Märkten an.
Die Preise sind nun trotzdem gestiegen ohne, dass das Szenario von Ingo Sauer eingetreten ist. Die Geldzeichenvermehrung hat hier kausal zu höheren Preisen, also im modernen Sinne zu Inflation geführt.
Übersehe ich etwas, wenn ja was?
Wenn sich das nicht auf unser heutiges System übertragen lässt, warum ist das so?

Wenn man die Annahme ablehnt, dass das Drucken von bunten Papierchen Wohlstand hinzufügt, also folglich keinen Wohlstand hinzufügt, muss doch die Schlussfolgerung sein, dass es das Geldvermögen oder die Güteransprüche anderer verwässert und oder die Preise erhöht.
Falls man die Annahme nicht ablehnt, wie soll es Wohlstand hinzufügen und warum gibt es noch Armut, wenn wir einfach ganz viel Wohlstand durch die Druckerpresse erzeugen könnten?

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Die gleichen Gedanken wie du habe ich mir oben in den ersten Beiträgen gemacht, deshalb dieser Thread. :slight_smile:

Aber anscheinend kann ich es nicht so gut erklären und auf den Punkt bringen wie @mowtan. :man_shrugging:

Ich habe einen ganz groben Gedanken dazu, wie man Quantitätsgleichung und Sauers ZB Theorie zusammenbringt. Kann aber auch kompletter Unfug sein.

Die ZB kauft Anleihen und gibt im Gegenzug Geld aus.

Wenn man sich diesen Prozess im Kontext der Quantitätsgleichung ansieht, wird die Geldmenge erhöht. Gleichzeitig übernimmt die Anleihe die Rolle des gehandelten Gutes.

Meine Hypothese dazu wäre:

Je weniger diese Anleihen tatsächlichen Gütern entsprechen, also wirtschaftlich genutzt werden, desto eher kommt es zur Inflation.

Führt das Anleihen-Geld direkt zur Steigerung der Wirtschaftsleistung, werden mehr Güter produziert und gehandelt. Dann erhöhen sich die Geldmenge und das Handelsvolumen auf beiden Seiten der Gleichung gleichermaßen, und die Preise bleiben stabil.

Wird das Anleihen-Geld von Staat und/oder Unternehmen unsinnig verbraten, oder kann schlimmstenfalls gar nicht zurückgezahlt werden, erhöht sich nur die Geldmenge, aber nicht das Handelsvolumen. Dem Geld stehen dann keine neu gehandelten Güter gegenüber und die Preise steigen.

Das würde grob zu Sauers Theorie passen. Anleihen mit hohem Risiko sind doch die, bei denen durch mangelnde Wirtschaftsleistung kein Mehrwert an Gütern zu erwarten ist.

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So weit ich es verstehe, ist es wesentlich, wie diese zusätzliche 1 Mio hinzugefügt wurde – Sauer gibt in der Vorlesung die folgenden Beispiele (bin kein Profi in solchen Sachen, also gebe ich nur meine Interpretation wieder):

Erstes Beispiel:

Wenn die Zentralbank das Geld einfach druckt und dem Finanzminister gibt, und der es für seine Staatsbediensteten ausgibt, ist anzunehmen, dass die es dann auch einfach ausgeben. D.h. die Annahme der Quantitätstheorie, dass die Umlaufgeschwindigkeit konstant ist, wäre hier richtig: Die Staatsbediensteten, die dann insgesamt mehr Geld haben, geben das auch wieder aus.

Laut Quantitätsgleichung muss in dem Fall bei gleichgebliebener Gütermenge das Preisniveau steigen, und dass das wirklich so ist, ist laut Sauer (in der Vorlesung) in Situationen der Hyperinflation und in Weichwährungsländern gut belegt. In Situationen mit geringerer Inflation (<10%) ist das aber anscheinend eher falsch.

Zweites Beispiel:

Wenn die Zentralbank das Geld schöpft, indem sie Vermögenswerte am offenen Markt kauft, erhöht sich zwar die Liquidität derer, die diese Vermögenswerte verkauft haben, aber sie sind natürlich dadurch nicht reicher geworden.

Nur weil jemand jetzt liquider, aber nicht reicher ist, gibt es ja eigentlich keinen besonders überzeugenden Grund dafür, dass er jetzt mehr Geld ausgeben würde als vorher, also trifft diese Annahme der Quantitätstheorie (konstante Umlaufgeschwindigkeit) hier wohl eher nicht zu.


So weit so gut, das waren die Beispiele aus der Vorlesung. In Sauers Interview mit Rieck, dem alten Hater, klingt das Ganze aber anders:

  • Die Beispiele aus der Vorlesung beschreiben Situationen, in denen eine (oder halt keine) Nachfrageinflation entsteht, und er sagt, dass die Quantitätstheorie da eher bei starken Inflationen richtig liegt als bei schwachen.
  • Im Interview hingegen sagt er, dass die wirklich starken Inflationen eigentlich nie Nachfrageinflationen sondern immer Wechselkursinflationen sind, und dass die Quantitätstheorie da überhaupt nicht anwendbar ist.

Das ist für mich ein Widerspruch, aber in beiden Fällen scheint die Integrität der Zentralbankbilanz wichtig zu sein:

  • Im ersten Fall (Nachfrageinflation) entsteht bei intakter Bilanz keine Inflation durch die Geldmengenausweitung, weil kein zusätzlicher Reichtum, sondern nur zusätzliche Liquidität geschaffen wird, und es deshalb zu keiner zusätzlichen Nachfrage kommt.
  • Im zweiten (Wechselkursinflation), entsteht bei intakter Bilanz durch die Geldmengenausweitung keine Inflation, weil die Zentralbank ihre Währung gegen Angriffe verteidigen kann.

Gerade in Bezug auf die Währungsmarktattacke finde ich die Quantitätsgleichung eigentlich ziemlich nutzlos. An sich ist die Umlaufgeschwindigkeit eine Fantasiegröße, die nicht gemessen werden kann und per Definition immer genau das ist, was halt notwendig ist, damit die Gleichung stimmt. Bei der Nachfrageinflation versucht die Quantitätstheorie, aus der Gleichung praktischen Nutzen zu gewinnen, indem sie sagt, es ist empirisch belegt, dass wir die Umlaufgeschwindigkeit in manchen Fällen als konstant annehmen können, dann folgen daraus vielleicht ein paar Aussagen über Variablen, die uns wirklich interessieren.

Bei der Währungsattacke ist das meiner Meinung nach sinnlos, weil die Umlaufgeschwindigkeit da wieder völlig zum Chamäleon wird und halt einfach das ist, was notwendig ist, damit die Gleichung stimmt. Die echte Kausalität läuft außerhalb davon am Währungsmarkt ab, weil laut Sauer das Preisniveau direkt an den Wechselkurs gekoppelt ist, sobald die Währung schwächelt.

Ich glaube, du mixt da zwei verschiedene Sachen zusammen – es gibt Fälle, wo die Geldmenge nach der Hyperinflation weiter ausgeweitet wurde, ohne weitere Auwirkung auf das Preisniveau, und es gab Fälle, wo während der Hyperinflation durch Zentralbankintervention das Preisniveau kurzzeitig stabilisiert wurde, aber dabei hat sich die Geldmenge nicht ausgeweitet sondern verringert.

Ansonsten sehe ich aber die meisten Sachen so wie du und bin deshalb gar nicht auf viele deiner Punkte eingegangen.

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Ein paar Gedanken dazu:
Geld ist unter anderem der Konsens für einen unbestimmten Güteranspruch an die Gesellschaft.

Summe Geldmenge = Summe Güteransprüche

Wenn wir nun die Geldzeichenmenge erhöhen, muss der Gegenwert an Güteransprüchen hinzukommen, um den Wert einer Geldeinheit nicht zu verwässern oder zu erhöhen.
Also gilt:
Summe Geldmenge + neugeschaffene Geldzeichen = Summe Güteransprüche + neugeschaffene Güter und oder zusätzliche Wertschöpfung

Mehr Geldzeichen != Inflation beinhaltet die Annahme, dass den neuen Geldzeichen so viel mehr Wertschöpfung entgegensteht, wie die neuen Geldzeichen im gleichbleibenden Werteverhältnis ausdrücken würden.
Diese Annahme ist mMn hochgradig unwahrscheinlich und daher ist anzunehmen, dass die Veränderung der Geldzeichenmenge zu einer Änderung des Wertes einer Geldeinheit führt, am wahrscheinlichsten wohl zu einer Verwässerung.

Kleines Beispiel:
Ökonomie besteht aus: 10 Geldeinheiten, 10 Äpfeln, 1 Apfel kostet 1 Geldeinheit.
Wenn nun 2 Geldeinheiten dazukommen, haben wir aber noch immer nur 10 Äpfel und nicht mehr jeder mit einer Geldeinheit aus der alten Menge kann seinen Güteranspruch umsetzen. Die neuen Geldeinheiten vernichten Güteransprüche in Höhe ihres Wertes, den sie hätten, bevor sie neu geschaffen wurden.

Man kann auf diese Weise kein neues Geld (was Güteransprüche ausdrückt) schaffen, sondern nur die Güteransprüche anders verteilen. Man schafft Geldzeichen, aber kein Geld.

Kommen jedoch 2 neue Äpfel zeitgleich hinzu, ändert sich nichts an den einzelnen Güteransprüchen. Aber schon zusätzliche Zeit, bis zwei neue Äpfel hinzukommen, ist ein Konflikt, da man die anderen eventuell zum Abwarten zwingt und selbst schon profitieren kann als Inhaber des neuen Geldes. Das ist der Cantillon-Effekt.

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Ich denke das was du beschreibst ist die Quantitätstheorie.

In der Quantitätstheorie wird auch einfach angenommen, dass das Handelsvolumen (10 Äpfel) und die Umlaufgeschwindigkeit unabhängig von der Schaffung neuen Geldes ist. In deinem Beispiel hast du auch implizit angenommen, dass die Umlaufgeschwindigkeit konstant bleibt.

Nehmen wir für dein Beispiel an, dass es eine Zeitspanne T dauert, bis die komplette Geldmenge (aktuell 10 Einheiten) einmal für Äpfel ausgegeben wurde. Die Umlaufgeschwindigkeit ist also 100% / T.

Wenn du annimmst, dass die Umlaufgeschwindigkeit gleich bleibt, also 100% / T, dann werden ab jetzt 12 Geldeinheiten in der Zeit T für Äpfelkäufe umgesetzt. Da es weiterhin nur 10 Äpfel gibt, entspricht das einer erhöhten Nachfrage nach Äpfeln und der Preis pro Apfel wird steigen.

Das ist genau die Vorhersage der Quantitätstheorie: Geldmenge wird erhöht → Preise steigen

Wie ich schon mehrfach geschrieben habe erscheint mir das auch sehr plausibel. Allerdings kann in der Realität die Umlaufgeschwindigkeit direkt nach der Geldmengenerhöhung erst einmal absinken.

Ein Teil der Leute/Unternehmen/Staaten kauft von den zwei neuen Geldeinheiten keine Äpfel (oder pumpt es in die Apfelwirtschaft), sondern legt das Geld an. Ein Grund kann sein, dass einfach nicht mehr Äpfel benötigt werden, oder aus Angst in der aktuellen Lage sogar weniger Äpfel gekauft werden.

Es mag dann zwar eine Asset Price Inflation geben, aber das Handelsvolumen für Konsumgüter (Äpfel) bleibt erst einmal gleich oder sinkt sogar. Laut Apfelverbraucherpreisindex gibt es in dem Moment keine Inflation, sondern vielleicht sogar Deflation.

Erst wenn sich die Lage wieder normalisiert und das gesparte Geld wieder in die Apfelwirtschaft fließt, oder wenn die Produktionsmittel für Äpfel teurer werden (z.B. Lieferketten Schwierigkeiten), werden die Äpfel teurer.

Im heutigen System wird das Geld über Kredite neu geschaffen. Alleine die Tatsache, dass nur Leute oder Unternehmen guter Bonität an neues billiges Geld kommen, führt schon zum Cantillon Effekt.

Die Vermögenden können das neue Geld noch mit voller Kaufkraft ausgeben, oder in Assets stecken, die trotz einsetzender Inflation ihren Wert behalten werden. Durch die Inflation werden sie praktisch teilweise entschuldet.
Bei den Ärmeren kommt das Geld erst später an, wenn die Inflation evtl. schon eingesetzt hat.

Ich verstehe nicht, warum die Umlaufgeschwindigkeit bei meinem Beispiel relevant sein soll.
Auch das Sparen der neuen Geldeinheiten ist ein zusätzlicher Güteranspruch, der andere Güteransprüche zerstört, nur eben dann in der Zukunft anstatt sofort. Es ist dann lediglich noch nicht sichtbar, was Ökonomen meines Wissens manchmal als Ketchup-Effekt beschreiben. Effekt tritt lange Zeit nicht ein und dann alles auf einmal.

Ich würde sagen: Die Vermehrung der Geldeinheiten führt unmittelbar zu einer Enteignung aller Halter des Geldes, die sich in Abhängigkeit des Nutzens jener in den Preisen niederschlägt.

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Tut mir leid, ich weiß nicht wie ich es anders erklären soll. Im Endeffekt hast du genau den kurzzeitigen Rückgang der Umlaufgeschwindigkeit im Anschluss beschrieben:

Du schreibst doch selbst es ist erst einmal nicht sichtbar. Genau das ist doch mit der Umlaufgeschwindigkeit gemeint.

Nochmal zur Klärung, damit es hier kein Missverständnis gibt:

Die Umlaufgeschwindigkeit ist nicht die Anzahl der Geldeinheiten, die pro Zeit für Güter gehandelt werden, hat also nicht die Einheit USD/Jahr!

sondern

Die Umlaufgeschwindigkeit ist der Anteil an der gesamten Geldmenge, der pro Zeit für Güter gehandelt wird, hat also die Einheit 1/Jahr!

Beispiel:

Wenn innerhalb eines Tages einmal die kompletten 10 Geldeinheiten für Äpfel ausgegeben werden (nicht für Anlage Assets!), dann ist die Umlaufgeschwindigkeit = 100%/Tag.

Wenn man nun plötzlich 12 Geldeinheiten hat, aber vorerst weiterhin nur 10 Geldeinheiten pro Tag für Äpfel ausgegeben werden, dann fällt die Umlaufgeschwindigkeit auf = 83%/Tag.
Erst wenn die Konsumenten durch die 2 zusätzlichen Geldeinheiten mehr Äpfel kaufen wollen, aber die Äpfelproduktion gleich bleibt (!!), steigt durch die Nachfrage der Apfelpreis. Oder wenn die Produktionskosten von Äpfeln steigen, und die Leute gezwungen werden für die teureren Äpfel auch die 2 neuen Geldeinheiten auszugeben.
Irgendwann werden pro Tag 10 Äpfel für 12 Geldeinheiten gehandelt, dann ist die Umlaufgeschwindigkeit wieder bei 100%/Tag.

Falls parallel zu den Geldeinheiten auch die Wirtschaft wächst, also die Apfelproduktion hochgefahren wird und 12 Äpfel pro Tag gehandelt werden, gibt es keine Inflation.

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Verstehe. Es scheint als hätten wir die gleiche Meinung, oder?

Würdest du dem auch zustimmen?

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Im Prinzip ja!

Über das „unmittelbar“ könnte man zwar streiten, da ich denke die Inflation kommt erst verzögert. Aber auch ich vermute es gibt den Fall nicht, dass mehr Geld geschaffen wird, ohne dass dies jemals in Umlauf kommt. Also kommt die Inflation dann immer sicher irgendwann.

Abschließend nochmal zu Bitcoin:

Wir diskutieren bisher in diesem Thread hauptsächlich über Inflation der Verbraucherpreise.

Bei Bitcoin sieht die Situation natürlich anders aus. Bitcoin ist kein Konsumgut, sondern aktuell ein Anlage-Asset. Später übernimmt Bitcoin hoffentlich einmal die Rolle des Geldes.

Die starke Geldmengenausweitung der letzten Jahre, die sich zuerst in einer Asset Inflation niederschlägt, hat also wahrscheinlich schon einen starken Anteil an den Bitcoin Kurssteigerungen. Meine Aussage von oben, dass sich Bitcoiner bzgl. Inflation nur für die Druckerpresse interessieren, muss ich deshalb etwas relativieren.

Weiter oben habe ich schon einmal diesen Chart gepostet, in dem der Bitcoin Kurs um die Geldmenge M2 korrigiert ist. Solch eine Korrektur hat das Ziel, den Realpreis unabhängig von Inflation zu zeigen.

Bitcoin_M2

(aus diesem Video: Did Bitcoin Already Test The 2017 All Time High? - YouTube)

Benjamin Cowen hat inzwischen noch ein Video gemacht, in dem mit der Geldmenge M1 korrigiert wird. Hier wurde noch nicht einmal das ATH gebrochen:

Bitcoin_M1

(aus diesem Video: Bitcoin Through The Lens of M1 - YouTube)

Welcher Geldmengenwert (M1, M2, M3) sich am besten eignet, um die Asset Inflation herauszurechnen weiß ich natürlich nicht.

Ja das meine ich auch. Der Güteranspruch ist zwar unmittelbar zerstört worden, aber wer im Speziellen geschädigt wird, entscheidet sich erst, wenn die Ansprüche eingelöst werden.

Noch was zu Bitcoin in dem Zusammenhang: Satoshi meinte mal, dass verlorene Bitcoin eine Spende an alle Halter sind. Das ist das mit dem Güteranspruch, aber andersherum. Weniger Geld und gleicher Güteranspruch → das Geld wird mehr wert

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Der Markt schätzt anhand verschiedener Daten ein, wie viele Bitcoin verloren wurden. Je länger sie nicht bewegt wurden, desto höher schätzt man logischerweise diese Möglichkeit ein. Aber es dauert natürlich und hat bis auf proof of burn keine direkt messbare Relevanz, richtig.

Prof. Sinn erklärt den Euro indirekt zum Ponzi Schema (ab 17:40)

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Moin, bin gerade auf diese selten so genaue Erklärung von Inflation bei „Die Anstalt“ gestoßen.

Müsst ihr euch mal geben.
Interessanterweise werden dort einige Thesen die von Bitcoinern stets genutzt werden, als falsch gewertet.
Zum Ende gibt es noch einen Seitenhieb gegen Bitcoin…

Über den Graphen zur Geldausweitung musste ich irgendwie schmunzeln. Die prozentuale Ansicht der Geldausweitung sieht logischerweise nicht im Ansatz so drastisch aus, wie absolut.

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Das sind im Wesentlichen die Thesen, die wir gerade in letzter Zeit wieder öfter hier diskutiert hatten. Ich hatte z.B. hier etwas dazu geschrieben:

Geldmenge hat keine Auswirkung auf Inflation: Können wir die Gegenthesen zu MMT wirklich beweisen?
Die Zusammenhänge von Geldmengenausweitung und Inflation

Auch diese Ausgabe der Anstalt wurde schon erwähnt.

Ich komme mir ehrlich gesagt langsam ein bisschen veräppelt vor, wenn das das Niveau sein soll, auf dem Ökonomen argumentieren.

Ich schätze und respektiere ein wissenschaftliches Vorgehen. Deshalb bin ich mir bewusst und mache auch deutlich, wenn ich mich mit einem Gebiet nur laienhaft beschäftige. Schließlich ist die Chance groß, dass es irgendwo schlaue und erfahrene Fachleute gibt, die meine Argumente evtl. innerhalb von Minuten anhand von (durch Fakten gestützten) Modellen vernichten könnten.

Bei den ökonomischen Aussagen zur Inflation, die man als Laie auf verschiedenen Medien findet, habe ich aber so langsam den Verdacht, dass in der Ökonomie nur ein kleiner Anteil an Experten wissenschaftlich arbeitet.
Da ich selbst nicht vom Fach bin, kann ich das auf fachlicher Ebene leider nicht beurteilen. Entsprechende Fachartikel habe ich auch keine gelesen.
Stattdessen mache ich diese Einschätzung an der Methodik sowie an der Art und Weise fest, wie das Thema regelmäßig in der Öffentlichkeit erklärt wird.
Ständig wird etwas zu stark vereinfacht, nicht zu Ende gedacht, das Thema mehrfach gewechselt, Begriffe nicht klar definiert, nicht neutral berichtet / geframed, andere Aussagen ins Lächerliche gezogen, versucht mit Fachwörtern zu beeindrucken, Modelle nicht (seriös) anhand von Daten beurteilt etc. .

Diese Ausgabe der Anstalt, die ich früher gerne gesehen habe, passt da leider ins Bild…

Diese Erklärung muss ich irgendwie verpasst haben. Ich gehe die Aussagen dieser 7 Minuten mal grob durch:

  • Wie üblich wird Inflation zu Beginn des Videos nicht definiert. Deshalb definiere ich die Inflation hier (etwas schwammig) als Verbraucherpreissteigerung.

  • Aussage Merz:
    Zinserhöhungen sind eine Maßnahme gegen hohe Inflation.
    Je niedriger die Zinsen, desto höher Verschuldung und Geldmengenausweitung (GMA), desto höher die Inflation.
    Erklärung Anstalt:
    Es gibt keinen Zusammenhang zwischen GMA und Inflation. Ersichtlich sei das an einer Graphik, welche die jährliche GMA und Inflation über die Jahre zeigt.
    Mein Kommentar:
    Die Merz Aussage in dieser Formulierung ist natürlich nicht ganz richtig. Die niedrigeren Zinsen führen allenfalls zu höherer Neuverschuldung. Nach einer Zinserhöhung kann also die Neuverschuldung sinken, aber die Inflation trotzdem noch durch die Neuverschuldung (= GMA) der vorigen Jahre getrieben werden, die erst träge in den Wirtschaftskreislauf gelangt. Wäre die Merz Aussage also minimal anders formuliert worden, würde sie sogar exakt dem entsprechen, was die Anstalt einige Minuten später bestätigt (siehe nächste Aussagen weiter unten).
    Die Erklärung der Anstalt ist einfach nur lächerlich. Zu der gezeigten Graphik habe ich etwas in dem ersten verlinkten Thread geschrieben. Ich habe zwar keine Ahnung welche Annahmen und Modelle am Ende richtig sind. Aber man kann an dieser Graphik sicher nicht ablesen, dass GMA nicht zur Inflation führt.
    Erstens kann man einen möglichen kausalen Zusammenhang von GMA und Inflation nicht daran ablesen, ob sich die Inflation immer 1:1 mit der GMA ändert. Dafür müsste sich die GMA immer sofort und vollständig auf den Geldwert auswirken, was doch bitte niemand annehmen wird (s.a. nächste Aussage der Anstalt weiter unten).
    Zweitens sind beide Wert im Mittel positiv und es gibt Flanken zu ähnlichen Zeitpunkten. Auch wenn es sicher viele andere Effekte auf die Inflation gibt, passt über den kompletten Zeitraum betrachtet die (um das Wirtschaftswachstum korrigierte) GMA sogar quantitativ relativ gut zur Inflation (siehe verlinkter Thread).

  • Aussage Anstalt:
    Entscheidend für die Inflation sind nicht die Geldmengen M1/2/3, sondern ob das neue Geld nachfragewirksam wird. Also am Ende die Umlaufgeschwindigkeit.
    Mein Kommentar:
    Das entspricht genau dem, was die Quantitätsgleichung beschreibt, und es erscheint mir sehr plausibel. Deshalb habe ich auch u.a. hier und in den verlinkten Threads so argumentiert.
    Um diese überraschende Kehrtwende nochmal zu verdeutlichen:
    Falls wir annehmen, dass jedes frische Geld irgendwann nachfragewirksam wird, bestätigt die Anstalt an dieser Stelle plötzlich den kausalen Zusammenhang von GMA und verzögert folgender Inflation!

  • Aussage Anstalt:
    Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Staatsverschuldung und Inflation. Wenn überhaupt, dann heizt nur die Neuverschuldung die Nachfrage an und treibt damit die Inflation.
    Mein Kommentar:
    Die Anstalt bestätigt also zusätzlich, dass Neuverschuldung zu Inflation führt. Das ist keine großartig andere Aussage, als dass GMA zur Inflation führt (siehe letzter Punkt).
    An dieser Stelle müsste die Anstalt also eigentlich Zinserhöhungen unterstützen, da diese sofort die Neuverschuldung und GMA bremsen, und damit langfristig auch die Inflation. Worüber streiten wir dann also noch?
    Da die Anstalt den drohenden Konsens wohl erkannt hat, kommen sie jetzt mit weiteren, widersprüchlichen Aussagen, die offenbar Verwirrung stiften sollen…

  • Aussagen Anstalt:
    Aber die Neuverschuldung spielt aktuell gar keine Rolle, da wir momentan keine hohe Nachfrage haben. Die Konsumausgaben sind schließlich aktuell rückläufig (Graphik).
    Streng genommen haben wir außerdem aktuell gar keine Inflation. Inflation bedeutet, dass die Preise aufgrund höherer Nachfrage steigen. Aktuell steigen sie aber aufgrund von Angebotsverknappung.
    Zinserhöhung würden aktuell also nicht helfen, sondern eine Rezession auslösen.
    Mein Kommentar:
    Es gibt zahlreiche Effekte, die einen Einfluss auf die Inflation haben. Die volkswirtschaftlichen, psychologischen und politischen Zusammenhänge sind sicher sehr komplex. Deshalb kann es natürlich immer kurzfristige Einflussfaktoren geben, die stärker als der GMA Einfluss sind.
    Deshalb muss man nicht gleich anfangen Inflation umzudefinieren. Auch Ingo Sauer hat in seinen Videos als Inflationsursachen u.a. Nachfrageerhöhung und Angebotsverknappung genannt.

Wenn ich die Aussagen der Anstalt einmal wohlwollend zusammenfasse, dann heißt das:

Zinserhöhungen bremsen die Neuverschuldung und GMA, und damit langfristig auch die Inflation. Allerdings sollte man die Zinsen aktuell nicht erhöhen, da es in der momentanen Situation die Wirtschaft stärker schädigt, als es bei der Inflation hilft.

Über den zweiten Vorschlag kann man sich streiten. Aber bzgl. des Zusammenhangs von GMA und Inflation sehe ich keinen Widerspruch zu unseren Aussagen bzw. denen der „Bitcoiner“.

Warum versucht die Anstalt aber zu Beginn des Videos diesen Zusammenhang ins Lächerliche zu ziehen?
Erst wird er bestritten, dann unauffällig bestätigt und abschließend mit wirren Aussagen abgelenkt. Hauptsache man kann den anderen blöd dastehen lassen.

Obwohl klar ist, dass der Bitcoin aktuell noch von vielen als hochriskantes Spekulationsobjekt betrachtet wird.

Auf der kurzfristigen Zeitskala führt das zu extremen Schwankungen. Auf langfristiger Skala bisher zum größten Wertanstieg im Vergleich mit traditionellen Assets.

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