Ich bin ein BTC-Newbie, der erst vor kurzem eine orange Pille geschuckt, aber sich intensiv mit dem Thema befasst hat. Aber, je weiter ich in den Kaninchenbau hinab steige, desto größer werden meine Zweifel. Vielleicht kann sie mir jemand nehmen? Das sind meine Gedanken:
Der Bitcoin ist kein Beitrag zu einer gerechteren Welt - eher das Gegenteil. Wie kommen denn die Menschen ohne Konto und suffizientes Einkommen in den Entwicklungsländern in den Besitz von Bitcoin - vor allen, da die Knappheit den Preis noch weiter befördern wird? Im Prinzip ist doch der Wohlstand in der Bitcoin-Welt bereits verteilt. Wer rechtzeitig eingestiegen ist, gehört zu den Reichen - selbst heute schon kann ein normaler Arbeitnehmer kaum noch eine größere Menge Bitcoin bzw. Satoshis kaufen. Ich denke eher, dass Entwicklungsländer durch den technisch aufwendigen und teuren Bitcoin vom „Geldfluss“ noch weiter abgeschnitten werden.
„Be your own bank“ - schön gedacht, aber nicht bis zum Ende: Ich bin ja gar nicht meine eigene Bank - ich brauche versierte und sehr reiche Leute, die die IT-Infrastruktur betreiben. Bei dem, was Mining-Hardware kostet und welche Energiemengen sie verbraucht ist es auch hier ziemlich einleuchtend, dass eine (wenn auch dezentrale) „Elite“ die funktionale Herrschaft über das Zahlungsmittel für sich beanspruchen wird. Schon heute sind die allermeisten Bitcoiner eher gewinnorientierte Spekulanten, als Weltretter. Ich denke, dass Menschen, die Mining-Farmen bauen, sich charakterlich und geschäftlich nur wenig von denen unterscheiden (dürfen!), die Bankgebäude bauen - ansonsten wären sie nämlich nicht lange erfolgreich.
Der Bitcoin wird die intellektuelle Schere der Menschheit noch weiter vergrößern. Ein großer Teil der Menschheit kann weder lesen, noch schreiben. Und selbst bei uns in Europa dürften 2/3 der Menschen entweder nicht Willens oder nicht in der Lage sein, Bitcoin zu händeln.
Auch wird der Bitcoin das Problem der wachsenden Verschuldung nicht lösen. Auch heute schon soll es Menschen geben, die Kryptos auf Kredit kaufen. Auf der anderen Seite gibt es solche, die große Mengen Assets haben, ohne sie zu brauchen. Was liegt da näher, als sich davon etwas zu leihen - um in einer Welt mit Bitcoin als Zahlungsmittel das Notwendige zu kaufen?
Die Mächtigen der „alten“ Welt - was passiert, wenn milliardenschwere Bänker, Industriegiganten, Politiker und Oligarchen ganz in Bitcoin einsteigen - was ab einer gewissen Popularität in wenigen Stunden passieren könnte. Der ohnehin extreme Preis wird (was ja viele, die jetzt investiert sind, hoffen und prophezeien) wird ins Unermessliche steigen - und der Normalbürger erst recht vom Zugang zu diesem begrenzten Gut abgeschnitten.
Leider fürchte ich auch, dass wir sehr bald auch bei uns wieder Krieg haben werden. Was bleibt in einem solchen Fall von der Mining-Infrastruktur? Wie groß dürfen Krisen und Verwerfungen sein, damit man noch Strom für Mining und Transfers hat - und es einen Internetzugriff gibt, um mit BitCoin etwas anzufangen? Wird nicht die IT-Infrastruktur erst recht zu einem Angriffsziel, so wie in früheren Kriegen Industrieanlagen?
Allgemeine Krisenresilienz - Geldscheine, Münzen, Edelmetall, Tauschware, theoretisch sogar Aktien kann ich bei Flucht oder Vertreibung mitnehmen und dazu nutzen, Grenzen zu überschreiten und Schutz zu finden. Den Wert eines privaten Schlüssels zu Bitcoin werden viele Kriegsakteure noch nicht mal verstehen.
Die unzweifelhaft gute Idee des Bitcoin trifft nämlich auf den Menschen - und der ist überwiegend determiniert durch unstillbare Gier, Aggressivität, Rücksichtslosigkeit und - leider sehr oft - auch Dummheit.
Das schöne Narrativ, mit dem ich mich die letzten Wochen beschäftigt habe, wird auch konterkariert von den in Podcasts und Videokanälen aktiven „Bitcoinern“: Bei fast allen ist unermessliche Gier die sichtbar treibende Kraft hinter der schönen Geschichte. Ich höre da viel „Tschaka-Tschaka, ich bin so reich und du kannst es auch“. Kein Unterschied zu anderen Schneeballinvestoren. Den Blocktrainer-Kanal möchte ich, wie auch eine wenige andere, ausdrücklich ausnehmen!
Deshalb fällt es mir schwer, an den Bitcoin zu glauben.