Die Mehrheit hier im Umfeld dieses Forums dürfte ‚BitCoin‘ für eine der großen Geschichten der Menschheit halten.
Für mich hat der BTC im Wesentlichen zwei Ebenen: Die technische und die - ich nenne es mal - ideologische. Die technische Seite ist relativ leicht zu verstehen oder lernen und der Diskurs dürfte sich eher auf der Sachebene bewegen. Wenig kontrovers - und für die meisten, weniger technisch interessierten uninteressant bis langweilig.
Was die Vielzahl an Influencern, Foren und Ansichten betrifft - hier bewegen wir uns auf der ideologischen Ebene des Bitcoin. Es geht um die Erzählung, um Narrative, um Hoffnung! Der Bitcoin ist Projektionsfläche, so wie viele andere Erzählungen der Menschheitsgeschichte auch. Ich dagegen versuche (leider immer noch ohne eine feste Überzeugung gewonnen zu haben) eine sachlich fundierte Einschätzung zu bekommen.
Die vielen Postings hier voller Begeisterung und Zukunftshoffnung lassen mich dabei eher skeptisch zurück. Ich kann das Meiste davon sachlich nicht nachvollziehen. Für mich erfüllt die Bitcoin-Szene viele Kriterien einer religiösen Vereinigung. Die Geschichten, welche die Influencer um den BTC bauen, sind oft nichts weiter, als Legenden. Einige davon, die ich mir auch anders denken kann, möchte ich hier zur Diskussion stellen.
Bitcoin ist gerechter - falsch, er verstärkt die Ungerechtigkeit, weil der Löwenanteil der limitierten Coins bereits auf ganz wenige Menschen verteilt ist - und mit dem (hier heiß ersehnten) Einstieg institutioneller Investoren ein weiterer, mächtiger Konzentrationsprozess in Gang kommen wird. Selbst wohlhabende Menschen werden die (von Besitzern erhofften) Preise nicht mehr zahlen können. Wir ersetzen also Musk, Bezos und Gates (im besten Fall) durch wenige andere, aber noch mächtigere Player.
Bitcoin schützt vor Inflation - falsch, er inflationiert einfach auf umgekehrtem Weg: Wir verteilen millionenfach kleinere Einheiten, „Satoshis“ an die Massen. Und wenn das nicht reicht, schaffen wir eben nach kleinere Bruchstücke, micro- milli- oder nano-Satoshi. Aus 21Mio Währungseinheiten machen wir halt Aber-Billiarden Einheiten. Es wird nichts an der Machtverteilung ändern und auch nichts an der Wertschöpfungskette.
Mit Bitcoin bist du deine eigene Bank - falsch, du brauchst Nodes, Miner und eine Verwahrungs- und Handelsinfrastruktur. Ohne die gibt es keinen Bitcoin. Die arbeiten alle nicht aus Verantwortung oder Spaß, sondern aus Gewinnstreben. Ob ich dann beliebige Transaktionspreise an Miner bezahle, oder Zinsen an Banken - ‚mein eigen‘ sieht anders aus!
Bitcoin ist technisch genial - falsch, er ist eigentlich schon längst obsolet. Er verbraucht zu viele Ressourcen, kann die Transaktionsleistung kaum skalieren - und Lösungen (wie Lightning) sind reine Notlösungen, die Unsicherheit, weitere Komplexität und Fehleranfälligkeit bringen. Menschen haben es immer geschafft, die besten technischen Fortschritte zum Ausleben asozialer Triebe bis hin zur Gewalt zu nutzen. Warum sollte das mit der Kryptologie anders laufen?
Ich glaube, die Faszination von Bitcoin liegt an der tollen Geschichte - vom geheimnisvollen Schöpfer am Anfang, den niemand kennt - über die Hoffnung in der bröckelnden Gegenwart bis hin zur Heilserwartung in der besseren Bitcoin-Zukunft. Das ist der Stoff, aus dem Religionen und Mythen sind.
Dass Besitzer des Bitcoin ein großes Interesse an einer positiven Vision haben, welche die Nachfrage erhöht und damit den eigenen Wohlstand vergrößert, ist genauso verständlich, wie die negative Haltung derer, die vielleicht zu früh ausgestiegen sind oder bereits die heutigen Preise nicht mehr zahlen können.
Ich teile alle kritischen Ansichten hier zum derzeitigen Fiat-System vollumfänglich! Aber ich glaube nicht an den Bitcoin.