(Sorry im Voraus für das ziemlich lang geratene Posting)
Ich bin - was Bitcoin begrifft - sicher kein „Experte“, weder habe ich die technische Kompetenz noch ausreichend viel wirtschaftliches Wissen und solches über die Mechanismen von Finanzmärkten, aber mein Eindruck ist, dass Bitcoin- Maximalisten dies in erheblichen Teilen der Community auch nicht haben. Ob der Kurs von Bitcoin so weit steigt, dass er „generational wealth“ schaffen kann - das hoffen sicher die meisten, die darin anlegen - ist aus meiner Sicht möglich (sonst wäre ich nicht investiert), aber noch nicht sicher und insofern risikobehaftet. Ich mache mir keine Illusionen, mögliche Risiken zu überschauen und ausschließen zu können.
Die „Community“ rund um BTC kann sich nicht recht entscheiden, ob sie Cypherpunk- Opposition gegen die klassische Finanzwelt sein wollen, oder sich doch lieber über die Milliarden von Blackrock und Co. zu freuen. Also über die üblichen reichen Akteure, die den eigenen bescheidenen Beständen zum Anwachsen verhelfen. Bei Geld wird auch der Bitcoiner zum Opportunisten, könnte man böse sagen.
Die Idee, dass BTC eine „bessere Welt für alle“ schaffen wird, halte ich für eine komplett idealistische Vorstellung. Die Welt mit BTC wird m.E. genauso bleiben, wie sie ist: voller (realer) Möglichkeiten, die a) praktisch aber eher wenige nutzen (wie etwa Aktien zu kaufen), und b) extrem ungleiche Verteilung (weil a). Weil die Menschen so sind, wie sie sind, und sich nicht einfach so ändern. Der mit Abstand größte Teil der Menschheit hat keinen Zugang zu BTC, und wird ihn auch nie haben. Aus Armut, Mangel an Bildung, Angst vor Risiko oder schlicht Desinteresse an allem, was nicht der unmittelbaren Befriedigung von Bedürfnissen dient. Stichwort Zeitpräferenz.
1% der Menschheit besitzt derzeit einen absurd hohen Teil des gesamten Weltvermögens - etwa wie zur Zeit des Feudalismus, nur dass die unteren Schichten in entwickelten Ländern heute deutlich mehr haben und viel besser leben als damals. Dieenigen, die reich sind, aber kein btc haben, brauchen es sowieso nicht, die sind reich in anderen Sachwerten. Da gilt: 8 Mio, 30 Mio, who cares… Große Mengen Geld auf dem Sparbuch haben ja ohnehin nur die Dummen oder Uninformierten.
Zieht man Satoshis eigene 1Mio Coins und alle verlorenen Coins ab, bleiben vielleicht geschätzt 15Mio übrig. Zieht man ferner noch alle Coins ab, die von reichen Investoren besessen werden (wie Michael Saylor, und demnächst große Pensions- Fonds, Vermögensverwalter usw.), bleiben vermutlich ernüchternd wenige Coins für die riesige Rest- Menschheit übrig.
Selbst wenn man diese paar Millionen Coins auf sagen wir die Hälfte oder 2/3 aller Menschen verteilen würde und der Wert eines BTC dereinst auf sehr optimistische 2 Millionen USD pro coin steigt (nur als Beispiel), hätten zwar viele mehr als vor dem Kauf von BTC, aber „reich“ wären sie wohl kaum. Finanziell unabhängig auch nicht: bei meinen Zahlen oben hätten bei angenommenen optimistisch verfügbaren 10 Mio btc, verteilt auf die Hälfte der Menschheit - also 4 Mrd - jeder nur 0,0025 btc, bei einem Wert von 2Mio sind das 5000$. Nicht gerade ein „generational wealth“ und kommt v.a. darauf an, bei welchem Kurs man das gekauft hat, also möchlichst heute. Wird aber nicht passieren. Alles wesentlich unter einem ganzen Coin wird kaum zu „generational wealth“ führen, und den werden nur wenige kaufen können, aufgrund des Bestandes.
Meine Laien- Prognose: BTC wird sich im optimistischen Fall (d.h., wenn der Handel damit nicht von wichtigen Regierungen eingeschränkt oder gar verboten wird) als lohnendes, relativ florierendes Luxus- Investment für Fondsgesellschaften, als stabilisierendes Asset für institutionelle Anleger mausern, eine nicht sehr hohe Zahl von Menschen wird privat vom Kursanstieg profitieren - Leute, die sich in Foren wie diesem bewegen. BTC wird insofern zu einem wohl schillerrnden, aber nicht dominanten Teil der Finanzwelt werden. Das ist meine Meinung. Zum universellen Zahlungsmittel oder sowas wird BTC in den nächsten Jahrzenten (mind. 50J) nicht werden.
Für Otto- Normalverbraucher wird eine Welt mit BTC keinen wesentlichen Unterschied machen. Ab und zu kommt BTC in die Nachrichten, wenn Greenpeace eine spektakuläre Aktion dagegen startet (wegen ihr wisst schon was), oder wenn der Kurs von btc eine neue symbolkräftige Marke knackt. z.B. 500k oder 1Mio… Dann werden auch in 10J die „Experten im Studio“ wieder davor warnen, und die Maxis werden die „neue Welt“ ausrufen. Und Ilse Müller aus Wedding wird sagen: „Ach nee, hätt ick doch damals uff meen Neffn jehört, der wollte dat ick so’nn ollen Bitcoin koof. Aber der Schmolke von der Sparkasse hat mer davon abjerat’n, hab ja ooch de Leemsversicherung…“