Preisobergrenze bei Bitcoin aufgrund des steigenden Energieverbrauchs möglich?

Auf der Seite des ifo-Instituts findet man einen Artikel vom Januar 2018 zum gleichen Thema, der auch beim Verständnis des Artikels im Manager Magazin (MM) hilft:

Im ifo Artikel werden noch weitere Rechnungen angestellt, die auf stark vereinfachenden Annahmen basieren. Aber diese sind für den MM Artikel nicht wirklich relevant. Im ifo Artikel kommen sie zu der Schlussfolgerung:

ifo Artikel:

Der entscheidende Punkt ist: Da jeder Miner im Erwartungswert Nullgewinn erzielt, entsprechen die Kosten des Mining zu jedem Zeitpunkt dem Wert der neu geschaffenen Bitcoins, egal wie sich der Wert der Bitcoins entwickelt.

Das kommt aus folgender einfacher Überlegung. Sie sagen der Erwartungswert für den Gewinn eines Miners/Pools beträgt:

Minergewinn = Hashrate-Anteil * BTC-Preis * Blockreward - Miningkosten

Miningkosten: Variable Kosten + Fixkosten
Variable Kosten: Kosten proportional zur Hashrate (dominiert durch
Stromkosten = Strompreis * Energiebedarf)
Fixkosten: z.B. Wartung, Personal, Miete

Die entscheidende Annahme des Modells ist nun, dass sich durch Wettbewerb auf dem freien Markt für jeden Miner im Grenzwert ein erwarteter Gewinn von 0 einstellen wird. Solange der erwartete Gewinn positiv ist, drängen mehr Miner in den Markt, die Difficulty wird erhöht und der Energiebedarf, also die Variablen Kosten steigen. Gäbe es zu viele Miner, oder z.B. Strompreis oder Halbleiterpreis würden steigen, würde der Gewinn negativ werden (Verlust), so dass Miner den Markt verlassen, somit die Diffculty wieder sinkt und die Variablen Kosten fallen. Wenn man über alle Miner summiert, erhält man also im Gleichgewicht:

BTC-Preis * Blockreward = Miningkosten, also

BTC-Preis * Blockreward ≈ Strompreis * Energiebedarf

D.h. im Klartext, der Mining-Markt und die Difficulty (-> Energiebedarf) sollten sich im Gleichgewicht mittelfristig immer so einstellen, dass der Preis der Blockrewards den Miningkosten entspricht.

Der zusätzliche Schritt im Artikel des Manager Magazins, basierend auf dieser Formel, ist nun folgender:

Manager Magazin:

Steigt der Preis für Bitcoin, steigt daher auch der Energiebedarf für dessen Förderung.

Das passt erst einmal zu der hergeleiteten Formel, zumindest im Gleichgewicht.

Manager Magazin:

Das wiederum führt zu einer Verknappung der Ressource Energie und damit zu steigenden Strompreisen, denn schließlich konkurriert die Bitcoin-Produktion mit anderen energieintensiven Sektoren um den Strom.

Auch das wird so sein. Ab irgendeinem Zeitpunkt wird die Mining-Industrie den Strompreis mitbeeinflussen. Analog argumentieren sie auch für die Preise auf dem spezifischen Halbleiter-Markt.

Manager Magazin:

In dem Moment, in dem diese anderen energieintensiven Güter, zum Beispiel Stahl oder Aluminium, stärker nachgefragt werden als zusätzliche Einheiten der Kryptowährung, sinkt die relative Attraktivität von Bitcoin. Dann ist die Preisobergrenze erreicht. Die Folge wird ein Preisrückgang bei Bitcoin sein, entsprechend wird auch der Energiebedarf wieder geringer. […]
Es ist naheliegend anzunehmen, dass es spätestens bei einem Stromverbrauch von zwei Prozent der weltweiten Erzeugungskapazitäten zu den oben beschriebenen relativen Preisverschiebungen und/oder politischen Eingriffen kommen würde. Die „natürliche“ Obergrenze des Bitcoin-Kurses dürfte daher in der Nähe der Marke von 100.000 US-Dollar zu finden sein.

Das ist m.E. der entscheidende Fehler. Sie sehen die hergeleitete Formel von oben als kausalen Zusammenhang in beiden Richtungen. Entscheidend ist allerdings, dass der BTC-Preis auf dem freien Markt gebildet wird. D.h. im ersten Schritt wird der BTC-Preis gebildet (linke Seite der Formel), und erst im zweiten Schritt passen sich die Miningkosten so an (rechte Seite der Formel), dass der formulierte Zusammenhang zwischen BTC-Preis und Miningkosten stimmt. Der BTC-Preis wird nicht durch die Miningkosten vorgegeben.
Stattdessen würde ich bei einer Verknappung im Energie- oder Halbleiter-Markt erwarten, dass sich bei vorgegebenem BTC-Marktpreis die Difficulty wieder so anpasst, dass die Gleichung auch bei höheren Strom- und ASIC-Preisen wieder stimmt.

Dass die Abschätzung der Preisobergrenze von grob 100 k$ auf den aktuellen Blockrewards basiert, die sich in Zukunft durch Halvings verringern werden, wird im Artikel erwähnt. Was allerdings komplett vergessen wird, auch im Artikel des ifo Instituts, sind die Transaction Fees. Diese fehlen als zusätzlicher Summand auf der linken Seite der obigen Gleichung:

BTC-Preis * Blockreward + Fees = Miningkosten

Heute schon machen die Fees in vielen Blöcken mehr als 10 % der Miningeinnahmen aus. Durch die Fees wird die Gleichung wesentlich komplexer, da sich diese genau wie der BTC-Preis als Marktpreis aus Angebot und Nachfrage bilden. Kurzfristig steigende Strompreise könnten z.B. auch teilweise über erhöhte Fees aufgefangen werden.

Zu guter Letzt ist auch der Strommarkt sehr komplex. Teilweise gibt es kurzfristige Spitzen, die zu stark verringerten oder sogar negativen Preisen verkauft werden, da man sie zu diesem Zeitpunkt nicht benötigt. Das ist gerade bei den Erneuerbaren ein großes Thema und ist auch ein Grund, warum das Mining in China in der Nähe großer Wasserkraftwerke sehr günstig ist.
Genau wie bei dem von @nittels erwähnten russichen Kernkraftwerk, wäre das übrigens auch für die Energiewende in Deutschland eine Idee. Bevor man den Strom „verkauft“ und noch was drauflegen muss, könnte man in diesen Phasen minen. (Speichern wäre natürlich für die Umwelt besser)

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