Neues Atomkraftwerk sorgt für negative Strompreise in Finnland: Fehler oder Fortschritt?

Mir geht es wie bereits geschrieben unter anderem darum, dass bei der Kernenergie alle möglichen Kosten aufgeschlagen, während bei den Erneuerbaren die Kosten unterschlagen werden. Über deinen Artikel können wir uns aber gerne unterhalten, da hier wenigstens Kosten angegeben werden.

Das einfache Ergebnis lautet:

Demnach wurden in Deutschland zwischen 1970 und 2016 insgesamt, zu realen Preisen, […] die Atomkraft mit 237 Mrd. Euro gefördert. Auf Platz Drei kommen die Erneuerbaren mit 146 Mrd. Euro […].

Mir fällt es allerdings schwer eine komplette Neutralität des Inhalts anzunehmen. Die Website ist vom Bund Naturschutz. Die zitierte Studie lautet „Was Strom wirklich kostet“ und wurde erstellt durch das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft, im Auftrag von Greenpeace Energy eG.

Hier einige Graphiken der Originalstudie und meine Fragen dazu…

Die Erneuerbaren waren bis in die 2000er kaum präsent. Anschließend stiegen die Subventionen ungefähr mit dem Anteil an der Stromerzeugung.

Im Jahr 2015 war die Stromproduktion durch Erneuerbare ungefähr so hoch, wie bei der Kernenergie 10…15 Jahre zuvor (knappe 200 TWh/J). Wie man sieht ist der Anstieg der kumulierten Kernenergie-Subventionen im Jahr 2000 wesentlich geringer als bei den Erneuerbaren 2015; die jährlichen Subventionen bei gleicher Stromproduktion war bei den Erneuerbaren also wesentlich größer (siehe auch nächste Graphik)!

Außerdem hat die Kernenergie seit 1970 eine wesentlich höhere Energiemenge produziert. Was macht es also für einen Sinn, einfach wie der BUND die kumulierten Subventionen seit 1970 zu vergleichen?

Tatsächlich steht in der Studie unter der Graphik (natürlich davor und danach kräftig mit Relativierungen garniert):

Im gesamten Zeitraum 1970-2016 wurde erneuerbar erzeugter Strom mit durchschnittlich 5,5 Ct/kWh gefördert. Im gleichen Zeitraum profitierte Atomenergie von durchschnittlichen Förderungen von 4,1 Ct/kWh […]
Erneuerbare Energien erreichten im Jahr 2005 einen höheren Wert als Steinkohlestrom und mit dem weiteren Anstieg auf 7,9 Ct/kWh im Jahr 2010 überholten sie schließlich auch Atomstrom. So sind sie im Jahr 2010 erstmals diejenigen Energieträger gewesen, die bezogen auf die erzeugte Strommenge den höchsten Förderwert aufweisen.

Anschließend wird relativiert, das komme nur aus der Anfangsphase und wird im Laufe der Zeit weniger. Auch bei der Kernenergie hätte es einen „Technologieanschub“ gegeben. Zu sehen sei das an der nächsten Graphik:

Die ersten deutschen Kernkraftwerke mit nennenswerter Leistung gingen Ende der 1960er ans Netz. Wie lange vorher es schon erhöhte Subventionen gab weiß ich nicht; steht auch nicht in der Studie.

Ich persönlich lese aus der Graphik, dass die Kerneenergie in den ersten ca. 10 Jahren stärker subventioniert wurde. Schon 1980, als die Stromproduktion vergleichbar mit der der Erneuerbaren im zeitlichen Bereich um 2010 war (ca. 100 TWh/J), waren die Subventionen niedriger als die der Erneuerbaren.

Ansonsten wird im Text versucht, das mit aller Kraft schön zu reden.

Mein Zwischenfazit lautet:

Natürlich kann es sein, dass die Erneuerbaren nur jetzt in der Anfangsphase stark subventioniert werden. Ich bin übrigens nicht gegen Erneuerbare.
Aber bei den Erneuerbaren dauert diese Phase schon relativ lange an. Bevor sich also zeigt, dass diese dann wirklich so günstig sind, kann man das doch nicht einfach behaupten. Bis 2015 waren die jährlichen Subventionen bezogen auf die jährliche Stromproduktion auf jeden Fall höher als die der Kernenergie!

Andere Faktoren, wie in meinen vorherigen Beiträgen angesprochen, fehlen sogar komplett.

Selbst wenn sich das ändern sollte, warum wird hier aktuell behauptet die Kernenergie werde viel stärker subventioniert, wenn dem aktuell nicht so ist?

Trotz oder wegen dieses Ergebnisses kommen die Autoren urplötzlich mit folgender Graphik:

a) Verkaufspreis des Stroms
→ ist so definiert wie erwartet, inklusive EEG Umlage

b) Staatliche Förderungen mit Budgetwirkung (Finanzhilfen und Steuervergünstigungen)
Den Text…

Erneuerbare Energien haben sogar einen negativen Förderwert von -0,4 Ct/kWh, der bei den gesamtgesellschaftlichen Kosten gegengerechnet werden muss. Dies ergibt sich daraus, dass für erneuerbare Energien im Rahmen der Stromsteuer ein höherer Betrag gezahlt wurde, als dies das Leitbild der Energiebesteuerung (am Energiegehalt und externen Kosten orientiert) verlangt. Die Förderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes ist hier nicht enthalten, da sie keine Belastung für den Staatshaushalt verursacht.

… kann ich ehrlich gesagt nicht nachvollziehen. Aber sei’s drum.

Bis a) und b) liegt Kernenergie anhand objektiver Werte unter dem Preis der Erneuerbaren. Und jetzt wird es lustig…

c) Externe Kosten

Für Atomenergie wird in der Methodenkonvention des UBA kein eigener Wert der externen Kosten angegeben. Die ansonsten verfügbaren Schätzungen liegen sehr weit auseinander.
Das hängt vor allem damit zusammen, dass hier Annahmen zur Wahrscheinlichkeit und zu den Folgekosten eines nuklearen Unfalls mit Freisetzung von radioaktivem Material getroffen werden müssen.
Zu den externen Kosten der Atomenergie liegen Schätzungen in der Bandbreite von 0,1 Ct/kWh bis hin zu 320 Ct/kWh vor.

Die Autoren kommen anschließend zum Ergebnis, dass man damit nichts anfangen kann. Was machen sie also?

Für den unteren Wert der Bandbreite wird auf die Hilfslösung des Umweltbundesamtes in der Methodenkonvention zurückgegriffen, Atomenergie den Satz des schlechtesten fossilen Brennstoffs – Braunkohle – zuzuordnen, also 11,6 Ct/kWh.

What??

Als oberer Wert der Bandbreite wird auf Basis einer breiten Literaturauswertung und einer Expertenbefragung eine Neuberechnung des Schadenserwartungswertes für den Fall katastrophaler nuklearer Unfälle verwendet.
Für den reinen Schadenserwartungswert wird eine Bandbreite von aus heutiger Sicht realistischen Annahmen und Methoden zugrunde gelegt, woraus unter Berücksichtigung eines Risikoaversionsfaktors externe Kosten der Atomenergie von rund 34 Ct/kWh resultieren.
Methodik und Annahmen zur Wahrscheinlichkeit schwerer Unfälle, zu den dann zu erwartenden Folgekosten und den entsprechenden Wertansätzen finden sich im Hintergrundpapier „Externe Kosten der Atomenergie“ des FÖS aus dem Jahr 2012.

Das heißt der obere Wert basiert auf einer beliebigen Abschätzung des „Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft“ für schwere Störfälle. Zur Erinnerung: Das sind gleichzeitig die Autoren dieser Studie.

Das Ergebnis folgt auf dem Fuße…

Dies zeigt, dass einige erneuerbare Energien heute schon günstiger sind als konventionelle Energieträger, wenn außer dem Strompreis auch die Kosten von staatlichen Förderungen sowie die Kosten für Umwelt- und Klimabelastung sowie nuklearer Risiken einbezogen werden.

Mein Fazit:

Selbst diese Studie kommt zum Ergebnis, dass Kernenergie günstiger ist. Da man das nicht wahrhaben möchte, werden Abschätzungen aus dem eigenen Lager herangezogen, um einen künstlich hohen Wert anzugeben.
Die Abschätzungen anderer Institutionen für die Kosten schwerer Störfälle, die bei unseren deutschen Reaktoren ja sicher genauso schlimm wären wie bei Tchernobyl (Achtung: Ironie), variieren um den Faktor 3200. Die angesetzte Wahrscheinlichkeit in unserem Land voller Erdbeben und Tsunamis hätte mich auch interessiert (nochmal Ironie).
Bevor jemand anfängt zu diskutieren, legt man deshalb einen Mindestwert fest; und zwar einfach den der schlechtesten Alternative, Braunkohle. Bei den Erneuerbaren wird übrigens der Wert von Braunkohle nicht mit aufgeschlagen.

Ich habe für heute fertig.

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