Was ist die "günstigste" Energiequelle?

Ich habe heute morgen einen aktuellen Artikel bei Spektrum gelesen und bin einigermaßen enttäuscht:

Aus meiner Sicht ist der Artikel eine Mischung aus Kurzsichtigkeit und kognitiver Dissonanz.

Fakten werden genannt, aber es wird nicht eins und eins zusammengezählt, sondern man hat das Gefühl, dass die deutschen Erneuerbaren zwanghaft schöngeredet werden müssen.


Es wird mal wieder das Merit Order Prinzip kritisiert, da die teuren fossilen Energien alleine den Strompreis bestimmen, obwohl die Erneuerbaren in der reinen Erzeugung so viel günstiger sind.

An der Stelle wird verdrängt, dass man einen Teil der Kosten für Netz und fossile Energien den Erneuerbaren und der Energiewende zuschlagen muss. Von eventuell notwendigen Überkapazitäten bei Solar und Wind gar nicht zu reden.

Wenn die Fossilen so teuer sind, könnte man sie doch einfach abschalten und Wind weiter ausbauen, oder etwa nicht? Dann wäre doch der Merit Order Preis so niedrig wie er sein sollte…

Es gibt aber mindestens zwei Gründe, warum man die fossile Energie aktuell nicht loswird:

  1. Schwankung der Erneuerbaren muss ausgeglichen werden bzw. benötigt man grundlastfähige Kraftwerke.

  2. Die Kernkraftwerke wurden abgeschaltet, also bleibt aktuell nur fossile Energie.

D.h. wir brauchen die fossile Energie wegen unseres Ausbaus von Erneuerbaren und aufgrund der Energiewende.

Gleichzeitig wird zu den Fossilen erwähnt:

Strom aus Kohle und Erdgas wird in Zukunft auch deshalb die Preise an den Börsen immer stärker in die Höhe jagen, weil Kraftwerksbetreiber für jede Tonne CO₂, die sie emittieren, teure Lizenzscheine kaufen müssen.

Um den Treibhausgasausstoß zu drosseln, stellt die EU jedoch Jahr für Jahr weniger Lizenzen zur Verfügung, bis die Klimaziele erreicht sind. Über diesen Mechanismus soll fossile Energie zunehmend unattraktiver werden.

Weiter geht es im Artikel um die Aufschläge auf die reinen Erzeugungskosten:

Die reinen Stromerzeugungskosten sind indes nur ein Teil des Preises, den Kunden bezahlen. Mit 57 Prozent machen die Steuern und Zusatzkosten den Großteil des Preises aus. […]

Zum größten Preistreiber haben sich die Netzentgelte entwickelt. Dieser Trend wird sich mit erheblichen Aufschlägen auch 2025 noch fortsetzen. […]

Auf mehrere hundert Milliarden Euro schätzt die Bundesnetzagentur die nötigen Investitionen, um neue Solar- und Windanlagen, Wärmepumpen und Ladesäulen an die bereits zwei Millionen Kilometer langen regionalen Verteilnetze anzuschließen.
Zudem müssen neue Stromtrassen gebaut werden, mit denen Elektrizität vom windkraftreichen Norden Deutschlands in den wirtschaftsstarken Süden übertragen werden kann.

Ein Teil der Kosten der deutschen Erneuerbaren ist also in den Erzeugungskosten nicht berücksichtigt. Gerade aufgrund des hohen Wind-Anteils entstehen hohe Netzausbaukosten.

Dabei dürften die kumulierten Subventionen der Erneuerbaren heute schon über denen der Kernenergie liegen (-> anderer Thread).

Gleichzeitig schreiben sie dann aber, dass man die Stromkosten im Nationenvergleich am besten ohne die Aufschläge vergleicht:

Am besten vergleichbar sind die Börsenstrompreise, denn sie entstehen europaweit nach einem gemeinsamen Mechanismus für das jeweilige Land oder eine Versorgungsregion. Bei Gebühren und Steuern sind dagegen die Unterschiede groß. Manche Länder bezahlen etwa den Ausbau der Stromnetze aus ihrem nationalen Haushalt […]

Um weiter zu untermauern wie günstig die Erneuerbaren sind, vergleichen sie mit Skandinavien:

Am niedrigsten sind die durchschnittlichen Börsenpreise in den skandinavischen Ländern mit ihrem sehr hohen Anteil an Wind- und Wasserkraft und in Frankreich, wo längst abbezahlte Atomreaktoren zwei Drittel des Bedarfs liefern.

In Schweden und Finnland hat man aber nur um die 20% Wind und Sonne; in Norwegen und Frankreich sogar nur um die 10%. Der Rest ist im Wesentlichen Wasser und Kernenergie.

In Deutschland hingegen hat man über 40% Wind und Sonne, nur 10% Wasser, keine Kernenergie und über 30% aus fossiler Energie.

Quelle: Rangliste der Länder und Territorien nach kohlenstoffarmem Strom
(einfach auf ein Land klicken, dann wird der Mix angezeigt)

Der Vergleich hinkt also enorm und zeigt nicht, wie günstig Erneuerbare sind. Offenbar ist das Problem in Deutschland der hohe Windanteil sowie die fehlende Kernenergie.

Im Artikel habe ich allerdings den Eindruck, dass zwanghaft versucht wird, Wind auf eine Stufe mit Wasser zu stellen, obwohl Skandinavien gar nicht so viel Wind, sondern viel Wasser im Mix hat.

In Norwegen hat übrigens die Mehrzahl der Wasserkraftwerke keine Pumpfunktion. In Deutschland gibt es aber einfach weniger Möglichkeiten für Stauseen aus Gletscher- oder Flusswasser, sonst hätten wir sie schon längst.

Mehr Pumpspeicherkraftwerke wären zur Pufferung sicher interessant, wobei man die Kosten natürlich wiederum bei den Erneuerbaren aufschlagen müsste (siehe letzte Beiträge).

Mein Fazit aus den letzten Diskussionen und diesem Artikel ist, dass man gar nicht pauschal von „Erneuerbaren“ sprechen sollte. Wasser aus Stauseen ist der Wind-Energie einfach weit überlegen.

2 „Gefällt mir“