Kritische Würdigung der Bitcoin Ideologie

Hallo zusammen,

auch ich beschäftige mich nunmehr seit mehreren Jahren mit Bitcoin und habe hier auch Roman viel Wissen zu verdanken. Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich bin ein großer Fan der Technologie und auch insbesondere von Bitcoin.

Je weiter ich jedoch in das Thema vordringe, desto mehr - so meine Erfahrung (vielleicht auch nur meine persönliche Bitcoin Reise) - werden die technischen Inhalte von wirtschaftlichen Fragestellungen abgelöst. Meiner Empfindung nach, haben sich auch viele der Blocktrainer Videos und Diskussionen im Forum sehr in diese Richtung entwickelt. Doch ich beobachte auch das der Diskurs sich stark zu einem Kampf gegen den Staat entwickelt hat. Keine Unterstellung an irgendjemanden, aber um meinen Punkt setzen zu können bediene ich mich fortan der Begriffe Religion und Ideologie.

Ausgangspunkt ist meiner Meinung nach das wundervolle Narrativ von Bitcoin.
Zugegeben polemisch, aber ich denke das Narrativ ist nicht unbekannt.
Ich überspringe den Punkt der technischen Erkenntnisse und komme direkt zu den volkswirtschaftlich-sozialen Argumenten. Der Feind in der Geschichte sind offensichtlich die Zentralbanken und staatliche Institutionen. Das ist auch Teil der Geschichte, die Bitcoin so gut greifbar macht. Die Kritik an der Ausweitung der Basisgeldmenge in verschiedenen Währungsräumen, aber insbesondere der europäischen Union, ist insbesondere seit der Finanzkrise 2008 erstmal wirklich in der breiten Öffentlichkeit angekommen.

Die Enteignung der Sparer, Sozialisierung von Risiken vs Privatisierung von Gewinnen sowie die Umverteilung von Kapital (Cantillon-Effekt) sind allesamt berechtigte Kritikpunkte. Von diesem Ausgangspunkt aus prägt sich schnell die These, dass staatliche Unternehmungen aus einer „inneren Gegebenheit“ prinzipiell schlechter sein müssen als freie Märkte. Bitcoin als einzig wirklich losgelöstes Gut von Staaten verspricht die einzige „echte“ Antwort zu sein. Und „echte“ Anhänger der Kryptowährung müssen zu dem Schluss kommen: Neoliberalismus oder Anarchokapitalismus - sonst hätten sie schließlich Bitcoin nicht verstanden.

Diese Exklusivität hat auch gewisse religiöse Züge. Hat sich einmal der Grundgedanke der absoluten Staatskritik zementiert, werden Argumente fortan von einer ursprünglich stellenweise berechtigten Schlussfolgerung „der Staat versagt hier und dort“ gebildet. An die Stelle einer breiten Untersuchung aller relevanter Begebenheiten vor einer ausgeglichenen Abwägung tritt eine Voreingenommenheit, die dem Staat ausschließlich schwächere Handlungsoptionen als dem freien Markt assistiert. Aber die Diskussion geht selten in die Tiefe und bleibt bei diesen oberflächlichen Beschuldigungen hängen. Argumentiert wird gerne mit der Quantitätstheorie, die der Wahrheit natürlich nicht wirklich nahe kommt - (leider merke ich das auch immer mehr bei Roman.)

Aber hier vielleicht meine wichtigste Aussage:

Der Neoliberalismus (und auch die österreichische Schule) vermittelt das dunning-krugerische Gefühl einer innovativen nicht-egoistischen Universalantwort. Als ökonomische Theorie vielleicht noch streitbar, aber unter der Berücksichtigung anderer Disziplinen eher verwerflich. Was mich wirklich erschreckt, sind die gebetsmühlenartigen Wiederholungen neoliberaler Floskeln als Antwort auf diese Probleme. Dem Staat wird ab diesem Zeitpunkt jedwede Kompetenz abgesprochen.

  • „Bildung und Gesundheit müssen privatisiert werden.“
  • „Nur die Subventionen und staatliche Eingriffe machen Amerikas Gesundheitssystem schlecht.“
  • „Ich will mich nur privat versichern.“

Die Überschneidungspunkte mit der Kritik an der europäischen Währung und Fiskalpolitik der europäischen Notenbanken entspricht auch den ursprünglichen rechtslibertären Motiven der AfD, wobei das hier bitte nicht als Argument zu verstehen ist.

Ich würde mir wünschen Bitcoin wieder mehr als technologische Neuerung zu begreifen und den ideologischen Kampf der darauf gebildet wird wieder differenzierter zu betrachten. Ich verfolge den Blocktrainer Kanal auch deshalb nicht mehr, da Roman das Thema zunehmend idealisiert.

Sehen das andere hier im Forum ebenfalls so? Lasst uns gerne diskutieren :slight_smile:

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Man kann es nicht besser beschreiben.
Die üblichen Anpeitscher werden dir aber in Kürze attestieren wie du Bitcoin ja mal so gar nicht verstanden hast. :grin:

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Wir hatten bereits mehrere große Threads über die Grundsatzdiskussion der beiden „Lager“ in der Bitcoin Community:

Bevor hier also genau das gleiche passiert wie in den anderen Threads: Bitte versucht möglichst bei einer inhaltlichen Diskussion zu bleiben wie sie @lebobfish bereits sehr schön eingeleitet hat.

Denn genau solche Kommentare lenken den Thread in die falsche Richtung…

:slight_smile:

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Vielen Dank für deinen Beitrag. Mir geht es da ganz ähnlich. Auch ich bin großer Fan von Bitcoin und glaube, dass diese Technologie bzw. dieses erste richtig harte Geld einiges zum Besseren wenden kann.
Allerdings teile ich die von Dir angesprochenen Überlegungen. Insbesondere macht es mir tatsächlich Sorge, dass in den Krypto-Bubbles oftmals mehr oder weniger offen eine Ablehnung gegen den Staat gepredigt und ein rechter Neoliberalismus hofiert zu werden scheint. Insbesondere deshalb, weil sich auch viele junge Menschen in dem Space aufhalten und in den letzten Jahren allerorts versucht wird, unser System als überkommen zu diskreditieren, macht mir das Sorgen. Ich für meinen Teil, finde Demokratie, Rechtsstaat, soziale Marktwirtschaft etc nicht ganz so verkehrt…

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Das kannst du tun. Es ist mindestens eine technologische Neuerung.

Für mich ist Bitcoin einschließlich der Konsensus Regeln aber vor allem ein soziales Phänomen. Die technologische Neuerung ist lediglich Mittel und Werkzeug mithilfe derer sich die soziale Neuerung manifestieren kann.

Daraus leiten sich dann die von dir implizit und explizit kritisierten Schlussfolgerungen ab. Solange man Bitcoin nur als Blockchain Technologie auffasst, bleibt man dagegen immun. Wenn man aber Bitcoin als soziales Phänomen auffassen (möchte), dann geht die Reise in den Kaninchenbau weiter.

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Hast du Argumente gegen die libertären?

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Sehe ich überhaupt nicht so. Es wird doch auch an vielen Stellen vermerkt, dass die Rolle des Staates an vielen Stellen nach wie vor notwendig ist. Ich nenne hier nur das Gesundheitswesen, Infrastruktur (vor allem Schienen- und Autobahnnetz) als Beispiel. Hier ist eine Privatisierung (und damit einer Gewinnabsicht) in keiner Weise förderlich.

Woher nimmst du diese Erkenntnis?
Ich bin kein Freund von Schwarz-Weiß-Denken… weil ich Bitcoiner bin, muss ich zu 100% Neoliberalismus und Anarchokapitalismus gutheißen? Woher kommt dieser Irrglaube? Es gibt auch undendlich viele Facetten dazwischen… Ja, ich sehe einige Punkte am Neoliberalismus als positiv, aber nicht alle… ist das so unglaubwürdig? Warum heißt es immer „Ganz oder garnicht“?
Des Weiteren ist auf die genauer Wortwahl bei solchen Kritiken zu achten. Du schreibst, man „muss“ zu dieser Erkenntnis kommen. Wo steht das? Im Bitcoin-Core? Oder ist das eher dein Empfinden nach Gesprächen mit einer Handvoll BTC-Maxis? Daraus kannst du keine Regeln für die Allgemeinheit ableiten (Gesetz der großen Zahl).

Hab ich so noch nicht wahrgenommen. Mich stört hier das Wort „absolut“!
Staatskritik = ja
absolute Staatskritik = nein
Erkenne den Unterschied! :wink:

Und dass auch Privatisierung hier und dort scheitert blendest du also aus? Wieso sollte ich etwas wollen, was nachweislich in der heutigen Zeit schon schlechter im privaten Sektor läuft, als früher unter der Hand des Staates?

Wo hast du diese Punkte her?
Ich zum Beispiel widerspreche all diesen Punkten. Gerade beim letzten Punkt sehe ich auch im privaten Bereich, wie sich mit steigendem Alter die priv. KV rächt und die Versicherten (auch Verwandte dabei) nun doch noch versuchen in die GKV zurück zu wandern, bevor es unmöglich ist und dann teuer wird.

Die ganze Thematik zielt ja in Richtung „freie Privatstädte“ und hatten wir hier auch schon gründlich durchgekaut: Freie Privatstädte, eine logische Konsequenz aus Bitcoin
Du wirst darin hoffentlich feststellen, dass viele genau dieses Konstrukt nicht als sinnvoll ansehen!

Deine gesamte Kritik baut auf ein Schubladen-Denk-System auf. So oder so. Schwarz oder Weiß. Das ist mMn keine Diskussionsgrundlage.

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Danke @Makowski, dem Punkt mit dem sozialen Phänomen stimme ich vollkommen zu. Um bei der Analogie des Kaninchenbaus zu bleiben: Ich habe zunehmend das Gefühl, dass mir nicht alles gefällt was ich in darin entdecke. Ich stelle vor dem Eingang deshalb gerne ein Warnschild auf. :wink:

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Hier sei angemerkt, dass sich das wirklich nur auf meine Erfahrungswerte stützt. (btw das ist auch mein Eindruck von Roman) Schwarz-weiß Denken… kann man hier so interpretieren, stell dir den ganzen Satz in Gänsefüßchen vor. Der zunehmende Abstieg in den Space korreliert mit einer immer stärkeren Auseinandersetzung mit VWL Themen. Bitcoin predigt die österreichische Schule, Privatisierung und Verdrängung des Staates. Meine Schlussfolgerung ist daher, dass das Ende der Reise nicht so viel Kompromiss zulässt wie wir uns das vielleicht wünschen und auf der Reise dahin erleben

Das Wort ist schon bewusst gewählt. Absolut meint hier, dass die Kritik losgelöst von Problemen ist, bei der der Staat als Ursache identifiziert werden kann. Der Staat wird prinzipiell kritisiert. Das halte ich übrigens für ziemlich gefährlich. Deswegen auch nochmal danke für die Klarstellung deinerseits.

Nur weil ich es nicht erwähne, heißt das nicht ich würde mir darüber keine Gedanken machen.

Roman hatte die Privatisierung der Gesundheit und das amerikanische Gesundheitssystem in einem (oder mehreren?) seiner Videos erwähnt. Die anderen Punkte aus diversen Diskussion auch hier im Forum - wobei ich jetzt nicht glaube, du hättest diese Beispiele noch nie gelesen.

Schubladen-Denken weise ich zurück. Ich kritisiere eine Ideologie, daran ist nichts falsch.

…bin ja selbst in meiner Grundeinstellung liberal. Der konsequente Liberale ist kein Anarchist. Wichtig ist, dass jeder Staatseingriff demokratisch legitimiert erfolgt. Die Diskussion darüber muss immer möglich sein. Um dir noch etwas konkretes zu nennen: Mindestlöhne sind mMn sehr wichtig.

Deine Kritik liest sich aber exakt so. Du findest schon hier im Forum genug andere Meinungen, aber beharrst darauf, dass es die eine Ideologie gibt… für die es im Bitcoin-Space angeblich einen Konsens gibt.
Du projizierst die Meinung weniger auf alle und unterstellst, dass keiner anders denkt.

Wie soll man dagegen argumentieren, wenn du nichtmal bestehende Threads zu genau solchen Themen berücksichtigst?

Wer konsequent für Freiheit ist, muss jede Herrschaftsform ablehnen. Dazu zählt auch Demokratie als Herrschaftsform. Aber ich bin mir sicher du kennst das Argument bereits. Kannst du es entkräften?

Erzwungener Mindestlohn ist eine Freiheitseinschränkung. Kannst du das Argument entkräften?

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Ich sehe da habe ich den richtigen gefunden :smiley: :wink:

Milton Friedman übrigens, aber ich bin sicher du kennst das Zitat bereits.
Ich hoffe wir können uns auf gewisse Grundannahmen einigen, die Würde des Menschen zum Beispiel. Den Schuh hole ich jetzt garnicht aus der Kiste, fangen wir einfach mal mit dem Recht auf Eigentum an. Wer kann dies sicherstellen? Letztlich halte ich hierfür eine demokratische zentrale Stelle (mit Gewaltenteilung) der Freiheit am dienlichsten. Diese Grundlage kann mMn nicht privat organisiert werden.
Anderer Punkt sind externe Effekte, insbesondere negative externe Effekte, die die Freiheit unbeteiligter Dritter einschränken. Wie kann eine Kompensation dieser sonst organisiert werden?

Es ist legitim aus liberaler Sicht gegen einen Mindestlohn zu argumentieren. In einem freien Arbeitsmarkt ist das Kapital in einer stärken Verhandlungsposition als die Arbeitnehmer, weil es bereits zentralisiert ist. Um ein Gleichgewicht zu fördern, benötigt es staatliche Vorgaben, die die Freiheit des Arbeitgebers einschränken, die der Arbeitnehmer aber erhöht. Die Abwägung über die Sympathien für welche Seite muss jeder selbst treffen - für dich würde das vielleicht eher zu Gunsten des Arbeitgebers ausfallen. Aus volkswirtschaftlicher Sicht befördern diese höheren Löhne auch eine größere Nachfrage, was wiederum den Arbeitgebern und ihren Umsätzen zu Gute kommt. Daher überwiegen für mich die Argumente für einen Mindestlohn (solange sie nicht zu hoch angesetzt werden, 12-15€ in Deutschland halte ich noch für förderlich)

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Insbesondere bei dem Punkt mit den jungen Menschen gebe ich dir Recht. In zwei Jahren Corona haben wir erstmals gemerkt, wie der Staat unseren tatsächlichen Alltag massiv einschränken kann. Und besonders die jungen Menschen hatten hier das Nachsehen, weil gewisse Volksparteien ihre Wähler in den Herbst 2021 retten wollten. Entschuldigung - etwas zynisch :sweat_smile:
Und das hat natürlich schon einen Einfluss darauf, in welcher Position die Leute sich gegenüber dem Staat sehen. Ich kann es schwer belegen, aber ich glaube, dass das nicht unerheblich zusammenhängt…

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War mir nicht bewusst, ich hab noch nicht sehr viel von Friedeman gehört.

Was ist die Würde des Menschen?
Mir fällt es echt schwer damit etwas anzufangen aber du hast recht damit, dass wir das Fass erstmal nicht öffnen.

Das Recht auf Eigentum ist das einzige Grundrecht, seine Durchsetzung kann nicht durch seine Einschränkung legitimisiert werden.

Die Frage wie dieses Grundrecht sichergestellt wird ist schwer aber die Lösung darf kein Kompromiss sein.

Gerade bitcoin hat gezeigt, dass es keine staatlichen Mechanismen benötigt.

Leider argumentierst du die Gründe warum deiner Meinung nach ein Mindestlohn wünschenswert ist, anstatt zu argumentieren warum ein Mindestlohn keine Freiheitseinschränkung sein soll.
Und nein, es erhöht nicht die Freiheit des Arbeitnehmers. Im Gegenteil, denn es kommt im Zweifelsfalle einem Arbeitsverbot gleich

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Bitcoin predigt gar nichts! Bitcoin ist.

Wenn dann predigen Bitcoiner.

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@lebobfish Deine Diskussion ist doch sehr stark von der Ursprungsfrage/-aussage abgewichen.
Dass es nicht „die“ Bitcoin-Ideologie gibt, wurde dir hier deutlich aufgezeigt und du scheinst dies zu ignorieren.
Jetzt geht es dir nur mehr um die Eigenheiten der einzelnen Ideologien - die per se nichts mit Bitcoin zu tun haben. Mir kommt es eher so vor, als wenn du einen Cliffhänger brauchtest, um in einem Bitcoin Forum über diese Themen zu sprechen. Der Beweis dafür ist, dass du überhaupt keinen Bezug zu Bitcoin bzw. Bitcoinern herstellst.

„…und das ist furchtbar schade!“

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Meiner Meinung nach wurde die These der Bitcoin Ideologie nicht widerlegt. Angemerkt sei, dass ich auch zu keinem Zeitpunkt unterstellt habe, dass jeder Bitcoiner die von mir genannten Punkte vertritt. Wenn es eine Reise in den Kaninchenbau gibt, frage ich nur wo diese Reise hinführt.
Gerne kannst du mir den Cliffhanger unterstellen, doch wohin sich die Diskussion entwickelt habe ich nicht alleine in der Hand. Den Bezug zu Bitcoin habe ich klar gemacht - die Ideologie entspringt vielleicht nicht zwangsweise aus Bitcoin, paart sich aber wunderbar mit dessen Eigenschaften. Und es is nicht abwegig, dass Menschen auf ihrem Weg mit Bitcoin anfangen damit zu sympathisieren.

Diese Unterscheidung kannst du gerne treffen. :slight_smile:

Für mich stellt es sich gerade andersherum dar: Der Staat und seine Medien prägen die großen Narrative und viele glauben an diese wie an eine Religion.

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