Inflation durch Geldmengenausweitung oder sinkende Zentralbanksolvenz?

Das sind im Wesentlichen die Thesen, die wir gerade in letzter Zeit wieder öfter hier diskutiert hatten. Ich hatte z.B. hier etwas dazu geschrieben:

Geldmenge hat keine Auswirkung auf Inflation: Können wir die Gegenthesen zu MMT wirklich beweisen?
Die Zusammenhänge von Geldmengenausweitung und Inflation

Auch diese Ausgabe der Anstalt wurde schon erwähnt.

Ich komme mir ehrlich gesagt langsam ein bisschen veräppelt vor, wenn das das Niveau sein soll, auf dem Ökonomen argumentieren.

Ich schätze und respektiere ein wissenschaftliches Vorgehen. Deshalb bin ich mir bewusst und mache auch deutlich, wenn ich mich mit einem Gebiet nur laienhaft beschäftige. Schließlich ist die Chance groß, dass es irgendwo schlaue und erfahrene Fachleute gibt, die meine Argumente evtl. innerhalb von Minuten anhand von (durch Fakten gestützten) Modellen vernichten könnten.

Bei den ökonomischen Aussagen zur Inflation, die man als Laie auf verschiedenen Medien findet, habe ich aber so langsam den Verdacht, dass in der Ökonomie nur ein kleiner Anteil an Experten wissenschaftlich arbeitet.
Da ich selbst nicht vom Fach bin, kann ich das auf fachlicher Ebene leider nicht beurteilen. Entsprechende Fachartikel habe ich auch keine gelesen.
Stattdessen mache ich diese Einschätzung an der Methodik sowie an der Art und Weise fest, wie das Thema regelmäßig in der Öffentlichkeit erklärt wird.
Ständig wird etwas zu stark vereinfacht, nicht zu Ende gedacht, das Thema mehrfach gewechselt, Begriffe nicht klar definiert, nicht neutral berichtet / geframed, andere Aussagen ins Lächerliche gezogen, versucht mit Fachwörtern zu beeindrucken, Modelle nicht (seriös) anhand von Daten beurteilt etc. .

Diese Ausgabe der Anstalt, die ich früher gerne gesehen habe, passt da leider ins Bild…

Diese Erklärung muss ich irgendwie verpasst haben. Ich gehe die Aussagen dieser 7 Minuten mal grob durch:

  • Wie üblich wird Inflation zu Beginn des Videos nicht definiert. Deshalb definiere ich die Inflation hier (etwas schwammig) als Verbraucherpreissteigerung.

  • Aussage Merz:
    Zinserhöhungen sind eine Maßnahme gegen hohe Inflation.
    Je niedriger die Zinsen, desto höher Verschuldung und Geldmengenausweitung (GMA), desto höher die Inflation.
    Erklärung Anstalt:
    Es gibt keinen Zusammenhang zwischen GMA und Inflation. Ersichtlich sei das an einer Graphik, welche die jährliche GMA und Inflation über die Jahre zeigt.
    Mein Kommentar:
    Die Merz Aussage in dieser Formulierung ist natürlich nicht ganz richtig. Die niedrigeren Zinsen führen allenfalls zu höherer Neuverschuldung. Nach einer Zinserhöhung kann also die Neuverschuldung sinken, aber die Inflation trotzdem noch durch die Neuverschuldung (= GMA) der vorigen Jahre getrieben werden, die erst träge in den Wirtschaftskreislauf gelangt. Wäre die Merz Aussage also minimal anders formuliert worden, würde sie sogar exakt dem entsprechen, was die Anstalt einige Minuten später bestätigt (siehe nächste Aussagen weiter unten).
    Die Erklärung der Anstalt ist einfach nur lächerlich. Zu der gezeigten Graphik habe ich etwas in dem ersten verlinkten Thread geschrieben. Ich habe zwar keine Ahnung welche Annahmen und Modelle am Ende richtig sind. Aber man kann an dieser Graphik sicher nicht ablesen, dass GMA nicht zur Inflation führt.
    Erstens kann man einen möglichen kausalen Zusammenhang von GMA und Inflation nicht daran ablesen, ob sich die Inflation immer 1:1 mit der GMA ändert. Dafür müsste sich die GMA immer sofort und vollständig auf den Geldwert auswirken, was doch bitte niemand annehmen wird (s.a. nächste Aussage der Anstalt weiter unten).
    Zweitens sind beide Wert im Mittel positiv und es gibt Flanken zu ähnlichen Zeitpunkten. Auch wenn es sicher viele andere Effekte auf die Inflation gibt, passt über den kompletten Zeitraum betrachtet die (um das Wirtschaftswachstum korrigierte) GMA sogar quantitativ relativ gut zur Inflation (siehe verlinkter Thread).

  • Aussage Anstalt:
    Entscheidend für die Inflation sind nicht die Geldmengen M1/2/3, sondern ob das neue Geld nachfragewirksam wird. Also am Ende die Umlaufgeschwindigkeit.
    Mein Kommentar:
    Das entspricht genau dem, was die Quantitätsgleichung beschreibt, und es erscheint mir sehr plausibel. Deshalb habe ich auch u.a. hier und in den verlinkten Threads so argumentiert.
    Um diese überraschende Kehrtwende nochmal zu verdeutlichen:
    Falls wir annehmen, dass jedes frische Geld irgendwann nachfragewirksam wird, bestätigt die Anstalt an dieser Stelle plötzlich den kausalen Zusammenhang von GMA und verzögert folgender Inflation!

  • Aussage Anstalt:
    Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Staatsverschuldung und Inflation. Wenn überhaupt, dann heizt nur die Neuverschuldung die Nachfrage an und treibt damit die Inflation.
    Mein Kommentar:
    Die Anstalt bestätigt also zusätzlich, dass Neuverschuldung zu Inflation führt. Das ist keine großartig andere Aussage, als dass GMA zur Inflation führt (siehe letzter Punkt).
    An dieser Stelle müsste die Anstalt also eigentlich Zinserhöhungen unterstützen, da diese sofort die Neuverschuldung und GMA bremsen, und damit langfristig auch die Inflation. Worüber streiten wir dann also noch?
    Da die Anstalt den drohenden Konsens wohl erkannt hat, kommen sie jetzt mit weiteren, widersprüchlichen Aussagen, die offenbar Verwirrung stiften sollen…

  • Aussagen Anstalt:
    Aber die Neuverschuldung spielt aktuell gar keine Rolle, da wir momentan keine hohe Nachfrage haben. Die Konsumausgaben sind schließlich aktuell rückläufig (Graphik).
    Streng genommen haben wir außerdem aktuell gar keine Inflation. Inflation bedeutet, dass die Preise aufgrund höherer Nachfrage steigen. Aktuell steigen sie aber aufgrund von Angebotsverknappung.
    Zinserhöhung würden aktuell also nicht helfen, sondern eine Rezession auslösen.
    Mein Kommentar:
    Es gibt zahlreiche Effekte, die einen Einfluss auf die Inflation haben. Die volkswirtschaftlichen, psychologischen und politischen Zusammenhänge sind sicher sehr komplex. Deshalb kann es natürlich immer kurzfristige Einflussfaktoren geben, die stärker als der GMA Einfluss sind.
    Deshalb muss man nicht gleich anfangen Inflation umzudefinieren. Auch Ingo Sauer hat in seinen Videos als Inflationsursachen u.a. Nachfrageerhöhung und Angebotsverknappung genannt.

Wenn ich die Aussagen der Anstalt einmal wohlwollend zusammenfasse, dann heißt das:

Zinserhöhungen bremsen die Neuverschuldung und GMA, und damit langfristig auch die Inflation. Allerdings sollte man die Zinsen aktuell nicht erhöhen, da es in der momentanen Situation die Wirtschaft stärker schädigt, als es bei der Inflation hilft.

Über den zweiten Vorschlag kann man sich streiten. Aber bzgl. des Zusammenhangs von GMA und Inflation sehe ich keinen Widerspruch zu unseren Aussagen bzw. denen der „Bitcoiner“.

Warum versucht die Anstalt aber zu Beginn des Videos diesen Zusammenhang ins Lächerliche zu ziehen?
Erst wird er bestritten, dann unauffällig bestätigt und abschließend mit wirren Aussagen abgelenkt. Hauptsache man kann den anderen blöd dastehen lassen.

Obwohl klar ist, dass der Bitcoin aktuell noch von vielen als hochriskantes Spekulationsobjekt betrachtet wird.

Auf der kurzfristigen Zeitskala führt das zu extremen Schwankungen. Auf langfristiger Skala bisher zum größten Wertanstieg im Vergleich mit traditionellen Assets.

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