Ganz so einfach ist es auch nicht, wie du dir das so vorstellst. Das Problem von Macht und Subjektivität ist eben, dass es nicht so vergleichbar ist wie Energie weil jeder Akteur die Energieformen individuell bewertet. Das bedeutet, dass du z.b. mit vielen Leuten um ein Lagerfeuer sitzen kannst, das eine exakte vorgegebene physikalische Energie besitzt, aber die Macht des Feuers wird von jedem Menschen individuell bestimmt. Der eine genießt die Wärme und bewertet das Feuer höher als ein anderer, dem schon viel zu warm ist oder ein Feuerwehrmann, der schon schlechte Erfahrungen mit Feuer gemacht hat. Während das Feuer also einen einzelnen von der Physik speziell für dieses Feuer festgelegten objektiven Energiewert hat mit Brennwert, Umgebungswärme usw. ist die Bewertung des Feuers für jeden Akteur anders. Ein Holztstück würde ein Feuer wahrscheinlich anders bewerten als eine Eisenstange. Und auch die Bewertungen von Menschen über das Feuer hängt ganz individuell von den Erfahrungen und Bedürfnissen der Menschen ab.
Gerade weil die Physiker es nicht schaffen können, die Machtwerte aller Akteure im System zu einem betrachteten Akteur wie das Feuer zu quantifizieren beschränkt sich die Physik auf die objektiven Tatsachen und ignoriert so gut wie alle subjektiven Bewertungen. Und genau hier musst du aufpassen: sobald eine Observable/Zahlenwert in einem System davon abhängt, welcher Akteur diesen Wert aufstellt, wird es sehr schnell kompliziert und vorallem nicht mehr wirklich vergleichbar.
Verglichen wird aber immer, nämlich dann, wenn es einen Machtmarkt gibt. Stell dir mal vor das Lagerfeuer würde verkauft werden, wer würde wie viel Macht für das Feuer ausgeben (nicht unbedingt nur Geld sondern auch z.B. Arbeit um das Holz zu sammeln oder das Feuer anzuzünden)? Natürlich nur diejenigen, die einen Nutzen von dem Feuer haben, weil ihnen z.B. kalt ist oder sie die Gesellschaft um das Feuer mögen. Über einen gemeinschaftlichen Machtmarkt kann man also bestimmen, wie viel Macht die Akteure irgendetwas zusprechen indem man vergleicht, wie viel andere Macht (durch andere Machtformen) diese Akteure bereit sind dafür auszugeben. Aber der Unterschied zur Physik ist nun, dass wir mittels einem Markt nur über viele eigenständige Meinungen und Bewertungen mitteln und deswegen können wir keine Aussagen mehr über einzelne Akteure treffen, die vielleicht eine völlig andere Bewertung haben. Mit einem Machtmarkt können wir lediglich versuchen statistisch herauszubekommen, ob es mehr Menschen oder Tiere gibt, die das Feuer mögen oder nicht mögen. Aber jedes Einzelexperiment kann dann wieder von der Statistik abweichen.
Energie wurde also so definiert wie es ist weil Energie in jedem System exakt gleich funktioniert und somit vergleichbar zwischen physikalischen Systemen ist. Die Physik geht nämlich davon aus, dass eine physikalische Beschreibung hier auf der Erde genauso funktionieren muss wie eine physikalische Beschreibung auf jeden anderen Planeten des Universums, auch wenn wir noch nie dort gewesen sind. Und das gilt wegen der Subjektivität von Wert und Bewertungen definitiv nicht für Machtwerte.
Ich möchte einmal versuchen das System Miner zu analysieren, vielleicht helfen dir die Gedankengänge den Unterschied zwischen Macht und Energie zu verstehen.
Was ist der Miner, das Gerät oder der Mensch, der das Gerät besitzt und benutzt?
Denn wenn du das System analysierst macht es einen gewaltigen Unterschied, wer der handelnde Akteur ist. Betrachten wir einmal nur den Miner als Gerät. Diesen sehen wir als Blackbox an weil wir kein Wissen darüber haben, wie er im Inneren genau funktioniert (was natürlich auch analysiert werden kann, hier aber nicht relevant ist). Aber wir wissen, dass er am Strom angeschlossen ist und wir die elektrische Energie messen können, die in das Gerät hinein fließt, wenigstens durch die Stromrechnung.
Dafür, dass er diese Energieform bekommt macht der Miner ersteinmal nichts anderes als heiß zu werden. Er baut Bitcoin-Blöcke und fügt sie im Erfolgsfall an die Blockchain an. Was hat das Mininggerät davon? So gut wie nichts. Man könnte sogar sagen, dass das Mininggerät für diese Aufgabe überall, wo man hinschaut nur kosten hat ohne einen wirklichen Nutzen zu erhalten: Er schreibt seinen Speicher voll, tendenziell bis unendlich weil die Blockchain auch unendlich groß werden kann. Er produziert so viel Wärme, dass er viel Arbeit aufwenden muss diese Wärme auch von sich weg zu transportieren, ansonsten könnte er sich selber zerstören. Er macht eine absolut eintönige Arbeit indem er (bei aktuellen Kleinstgeräten wie USB Minern) wenigstens 10¹⁰ mal in der Sekunde so ziemlich das Selbe macht: Blöcke bauen um sie nach einem falschen Hash gleich zu verwerfen.
Das Mininggerät selber sollte also mit diesen ganzen Nachteilen ersteinmal kein wirkliches Interesse haben diese Arbeit zu vollbringen. Wer hat denn Interesse daran, dass das Gerät diese Arbeit erfüllt? Der Mensch, der dieses Gerät für sich benutzt. Wenn wir das betrachtete System also um eine Blackbox Menschen erweitern, den wir auch ersteinmal nicht wirklich kennen, wie und warum er funktioniert, dann ändert sich die Bewertungsgrundlage aber deutlich.
Der Mensch hat also das Interesse daran, dass das Mininggerät seine Aufgaben tut. Das Mininggerät ist in dem Besitz des Menschen, es ist quasi ein Sklave für den Menschen weil der Mensch die Macht über das Mininggerät hat zu tun und zu lassen was der Mensch auch immer will indem der Mensch die Energiezufuhr des Gerätes kontrolliert und vielleicht das gerät auch selber gebaut hat. Das Mininggerät kann sich mangels Macht nicht dagegen wehren.
Was also physikalisch passiert ist, dass das Miningerät die Arbeit verrichtet und elektrische Energie in Wärme umwandelt. Dabei kann die Energie nicht vernichtet werden sondern dissipiert lediglich, sie verteilt sich termodynamisch in der Umgebung. Für genauere physikalische Betrachtungen müsste man sich die speziellen Geräte genauer anschauen, die alle leicht anders funktionieren könnten weil sie ja auch eine andere Architektur haben. Man könnte sich ja auch z.B. vorstellen, dass ein System aus Wasserläufen so gebaut worden ist, dass am Ende der Sha-Algorithmus gelöst wurde. Aber wir bleiben mal lieber bei der Elektronik.
Die Machtbewertung ist aber für den Miner und dem Menschen anders weil es sowohl der Miner als auch der Mensch unterschiedliche Akteure sind. Während das Mininggerät wahrscheinlich die eintreffende elektrische Energie sehr hoch bewertet, weil es alle anderen Prozesse damit direkt „bezahlt“. Und die ausgehende Wärmeenergie sollte das Mininggerät sogar negativ bewerten, weil diese sich ungewollt im Gerät anstaut und entsorgt werden muss. Dafür muss das Mininggerät sogar die elektrische Energie opfern und z.B. Lüfter betreiben, die es auch für andere Dinge wie Hashen benutzen könnte. Dafür produziert der Miner eine Hashrate, die dem Mininggerät selber aber nichts nützt, also auch nicht wirklich hoch bewertet werden sollte. Damit verliert das Mininggerät ökonomisch also stetig an Macht. Stellen wir uns vor, er hätte ein Stromreservoir, also z.B. eine Batterie, dann würde der Miner logischer weise die hochewertige Energie über die Zeit verbrauchen und wenn die Energie alle ist nicht mehr arbeiten können, er würde also quasi absterben weil er diese Energie nicht nutzen kann um selber von irgendwoanders diese Energie wieder einsammeln zu können. Der Miner muss also darauf hoffen, dass er irgendwie von außen (durch den Menschen) seine benötigte Energie bekommt.
Stellen wir uns weiter vor, der Miner hätte Zugriff auf die Bitcoins, die er durch seine Hashrate schürft. Dann könnte er diese Bitcoins gezielt ausgeben um seine Batterie wieder zu füllen. Das würde in der Betrachtung einiges ändern weil wir dann anstatt den linearen Umwandlungsprozess Strom → Hashrate + Wärme einen Kreisprozess haben. Wie eine Carnot-Maschine, die Wärmereservoirs nutzt um mechanische Arbeit zu verrichten haben wir jetzt einen Prozess, der Strom in Bitcoins wandelt und diese wieder in Strom. Ja, der neue Strom kommt von ausßerhalb ins System, dafür verlassen sozusagen auch die Bitcoins wieder das System. Für diesen Austausch gibt es also einen ökonomischen Markt, der die Bitcoins in Strom tauscht. Für den Miner gibt es dann generell 2 Möglichkeiten, die sich zeitlich wegen schwankenden Preisen auch abwechseln können: Entweder er kann sich mehr Strom von seinen Bitcoins kaufen als er an Strom verbraucht oder er muss mehr für den Strom bezahlen als er mit dem Strom wieder Bitcoins erstellen kann. Eine langfristige Überlebenschance für den Miner gibt es ökonomisch nur im ersten Fall.
Die Macht des Miners steigt also an, wenn er sich mehr Strom kaufen kann und sinkt mit seinem Lebensprozess kontinuierlich wieder ab. Aber stimmt das so? Nein, die Macht des Miners bleibt ja eigentlich relativ konstant, er verliert über die Zeit die Macht über den Strom, bekommt dafür aber Macht in Form von Bitcoins. Irgendwann „geht“ er zum Markt und tauscht die Machtform Bitcoins wieder in die Machtform Strom um. Der Miner besteht also aus Einzelteilen, die miteinander interagieren und zusammen den Miner mit all seinen Fähigkeiten bilden. Die Baterie verliert kontinuierlich an Macht weil deren elektrische Enerige entzogen wird. Dafür gibt es eine andere Komponente im Miner, die mit Macht aufgeladen wird, der Bitcoinspeicher. Im Zusammenspiel verliert der Miner also keine Macht aber er verändert die Zusammensetzung seiner Machtformen in sich selber. Auch die Entstandene Wärmeenergie könnte man jetzt in die Machtbilanz mit hineinbringen, das ist zwar Energie mit positiven Vorzeichen, aber weil der Miner nichts damit anfangen kann und sie sogar loswerden muss ist die Machtbewertung negativ. Damit sich das Bitcoinmining also lohnt (der Miner an Macht gewinnt) muss der Machtwert der Bitcoins durch die Umwandlung schneller steigen als die steigende Abwärme und das sinkende Stromangebot die Macht wieder absenken. Ob das der Fall ist, hängt aber von der wirklichen Bewertung all dieser Größen ab (MAchtwert des Stroms, Machtwert der Wärme, Machtwert der bitcoins und alle andere Macht, die wir in dieser Bilanz unterschlagen haben wie z.B. Herstellungskosten, Reparaturen usw.).
Anhand des Beispiels des Miners erkennt man also schon, dass es immer, egal was für einen Akteur man betrachtet, es eine mikroskopische Betrachtungsweise gibt, die sich damit beschäftigt, was innerhalb des Miners passiert und wie die Einzelteile des Miners zusammenarbeiten, und eine makroskopische Betrachtungsweise, die dieses Zusammenspiel statistisch zusammenfasst und daraus die Eigenschaften des Akteures erklärt und wie der Akteur dann mit anderen Akteuren interagieren kann.
Die Macht des Miners steigt mit seinem Energiereservoir, das er potentiell für sich nutzen kann. Aber das Energiereservoir betrachtet explizit nur die hochwertige physikalische Energie und nicht die minderwertige „verbrauchte“ Energie.
Wäre das System also abgeschlossen, könnte diese Wärmeenergie das System nicht verlassen, dann würde sich sehr schnell ein Energiegleichgewicht im Miner einstellen aber somit auch keine weiteren Prozesse mehr funktionieren, die nur durch die Energieumwandlung bzw. durch die Potentialdifferenz funktionieren. Wenn überall die gleiche Energie ist, dann gibt es keine Potentialdifferenz mehr. Der Miner könnte in so einem Fall nicht mehr arbeiten und würde diese Situation wahrscheinlich als nicht gut bewerten, also eine Situation, die es zu verhindern gilt und wo es sich lohnt Energie auszugeben.
Aber wie genau das Mininggerät die Situationen bewerten würde ist halt nur Vermutung und somit auch die Machtbetrachtung lediglich eine Hypothese. Nur wenn wir einen Markt hätten, auf dem der Miner aggieren kann können wir diese Hypothesen mit anderen Marktteilnehmern vergleichen.
Genug zum Miner und seiner internen Ökonomie, was macht der Mensch in dem System? Gehen wir ersteinmal wieder davon aus, dass der Miner kein eigenständiges Innenleben hat und nur seinen linearen Prozess durchführen kann, dann ist die Machtbewertung der elektrischen Energie und der Wärmeenergie wahrscheinlich die gleiche für den Menschen wie für den Miner (gerade weil wir ja die Analyse für den Miner durchführen und somit unsere Bewertung projezieren). Aber die Bewertung der aus der Hashrate entstehenden Bitcoins ist nicht die Gleiche weil der Mensch jetzt etwas mit den Bitcoins anfangen kann während der Miner nichts weiter mit den Bitcoins tun kann.
Für den Miner selber lohnt es sich also eigentlich nicht, die Bitcoins zu erstellen, gerade weil er seine Energiereserven dafür „verschwendet“, für den Menschen aber schon weil die Bewertung der Bitcoins sich unterscheidet und der Mensch einen Wert in den Bitcoins sieht. Die Macht, die der Miner also in Form von Bitcoins „erstellt“ geht in den Besitz des Menschen über. Der miner ist somit quasi ein Sklave des Menschen wobei man auch dazu sagen muss, dass ohne die Machtbewertung des Menschen bezüglich Bitcoins die Arbeit des Miners auch komlett sinnlos ist. Wenn man die Macht der Bitcoins aus der Machtbilanz heruasstreicht (z.B: weil Bitcoin wertlos geworden ist), dann sinkt auch die Macht der Miner ab. Sie sind dann nicht mehr ökonomisch lebensfähig was bedeutet, dass sie auch in der Realität verschwinden werden.
Was wäre jetzt, wenn wir den Menschen näher spezifizieren? Bisher bin ich ja davon ausgegangen, dass der Mensch die Bitcoins haben will, aber was ist wenn ein Umweltschützer der Meinung ist Bitcoin brauchen wir nicht und der Miner frisst zu viel Energie? Was hier passiert ist, dass den Bitcoins jetzt nicht mehr durch diesen Menschen so viel Wert zugesprochen wird wie im vorherigen Beispiel. Jetzt sind die entstandenen Bitcoins so wertlos geworden, dass es sich nicht mehr lohnt den Strom dafür auszugeben.
Diese Analyse soll eines verdeutlichen: Während Energie für jedes System und jedem Akteur gleich wirkt und vorhersagbare Aktionen nach sich zieht ist Macht in komplexeren Systemen hochgradig individuell. Wir können statistische Aussagen treffen oder weitere Annahmen benutzen, aber das Modell, das wir betrachten wird immer Unsicherheiten beinhalten und vor allem davon abhängen, wie wir die Akteure in dem System definieren und welche Fähigkeiten oder Interaktionsmöglichkeiten wir ihnen lassen.
In jeder solcher Analysen steckt immer so viel Komplexität drin, dass man sich nie sicher sein kann wichtige Aspekte übersehen zu haben oder sogar falsch bewertet oder dargestellt zu haben. Aber eines ist absolut sicher: Umso besser die Analyse des Systems die Realität abbildet, desto wertvoller ist es für die Menschen weil sie dadurch bessere Vorhersagen für die Zukunft bringen und den Betrachter somit Vorteile gegenüber anderen Menschen bringt. Wie gut oder schlecht ein Modell aber ist kann nur die Realität zeigen. Und das gilt gleichwohl für Physikalische Modelle aber genauso für die komplexeren ökonomischen Modelle mitsamt ihren individuellen Bewertungen.