Ich möchte meinen Unbehagen ökonomischer sowie politische Art dem Bitcoin-Standard (BS) hier zum Ausdruck bringen. Ich bin nämlich der Ansicht, dass es in seinen Überlegungen einige wichtige Überlegungen beiseite lässt. Ich muss mich schon vorher entschuldigen, es wird ein langer Text mit vielen alten Denkern. Ich werde lieber vesuchen langweilig, aber genau zu sein um die Kritik und die Befürchtungen glasklar offen zulegen.
Zunächst mal folgendes: Wie gestaltete sich seit nun mehr als 400 Jahren die klassische Ökonomie? Mit den Physiokraten und ganz bestimmt seit Adam Smith, hat sich das Wirtschaften anhand von Angebot und Nachfrage organisiert. Adam Smith war der Überzeugung, dass das Streben des Einzelnen gleichzeitig zum Wohlstand der Gemeinschaft führt. Vielen ist bestimmt das Konzept der unsichtbaren Hand ein Begriff. Gehen wir an dieser Stelle, vorher auf den ersten Marktradikalen der Geschichte ein. Sein Name war Boisguilbert. Er hat den Staat verachtet, er erkannte nämlich auf dem Spielplatz der Ökonomie folgendes: Wenn man dem Käufer und dem Verkäufer auf dem Marktplatz freies Spiel lässt, so wird sich so etwas wie der gerechte faire Preis bilden (die höchste Einnahme auf Verkäuferseite, die niedrigste Ausgabe auf Käuferseite) Wie geschieht das? Nun, sie werden verhandeln. Sie müssen sich austauschen, ihre Lage erklären etc. Hier sieht Boisguilbert, dass der Staat (damals noch keine Demokratie) diesem Spiel nur schaden kann, da die Akteure selber wissen, wie es um ihre Lage steht. Das einzige was sie benötigen ist das Wort und natürlich Münzen.
Zurück zu Adam Smith, er erkannte, dass diese Spielerei nicht ganz zutrifft, da sich Dinge wie Betrug auf dem Marktplatz abspielten. Es muss also die Abwesenheit von Betrug gewährleistet werden (Betrug→ schadet die Findung des gerechten Preises→ schadet dem Nationalwohlstand).
Smith sah dafür staatliche Institutionen von Nöten. (Ein Aspekt, den Murray Rothbard ,der Begründer des Anarchokapitalismus, auch begriff. Er wollte dieses jedoch mit einer privaten Polizei beispielsweise lösen.
Jetzt zur unsichtbaren Hand (diesen Gedanken sehe ich für essenziell wenn es um Kapitel 8 (Angebot- Wert Transaktionen in dem Bitcoin Standard geht).
Also die unsichtbare Hand hat zwei besondere charakteristische Merkmale. Es ist eine Hand und sie ist unsichtbar. Die Eigenschaft der Hand ist klar: sie lenkt alle Teilnehmenden durch ihr Streben nach Wohlstand zum Wohlstand aller. Die Besonderheit liegt auf der unsichtbaren Eigenschaft.
Es ist das Spiel zwischen Angebot und Nachfrage. Man kann ihre Anatomie nicht aufs Tiefste ergründen. Seit dem Zeitalter der Physiokratie, sind es diese beiden Pole und nur diese beiden Pole, die das Spiel nach Findung des gerechten Preises in Gang halten. Ein wesentliches Merkmal ist der Schutz der Unwissenheit was die Ressourcen in den Tiefen unserer Erde angeht.
Seit jeher, seit der Menschheitsgeschichte, wurden weitere Ressourcen aus den tiefen der Erde geholt, die die Währung deckten. Alle die den BS gelesen haben, wissen dass am Anfang eine Insel erwähnt wird, wo von der Nachbarinsel Stein abgeklopft wurde, was als Zahlungsmittel diente (stock-to-flow Verhältnis) Dieses Beispiel galt als Parallele zum Schürfen von Bitcoin.
Hier ist der springende Punkt der in Kapitel 8 vom BS zum Vorschein kommt und mit keinem Atemzug thematisiert wird.
Mit dem fixen Bestand von 21 Millionen Bitcoin, haben wir es da mit einer Idee des Wirtschaftens zu tun, die im Ansatz nach der Idee eines freien Marktes nach Adam Smith oder dem Spiel zwischen Angebot und Nachfrage zu tun? Keineswegs.
Wenn der letzte Bitcoin geschürft ist, kommen wir einer ökonomischen Rationalität nahe, die wir in der Geschichte schon einmal hatten. Es ist die Idee des Merkantilismus vor ca. 500 Jahren (es ist natürlich auch komplett anders, aber es gibt eine wichtige Gemeinsamkeit), ich meine das absolut wertfrei. Der Merkantilismus zeigte sich durch einer ökonomischen Rationalität aus, die sich durch ein Nullsummenspiel auszeichnet. Es ist die ökonomische Denke, dass das bisschen Mehr Reichtum auf der einen Seite, das bisschen weniger Reichtum auf der anderen Seite voraussetze.
Solange das stock-to-flow Verhältnis beibehalten wird, ist das herkömmliche Spiel von Angebot und Nachfrage noch intakt, wobei sich schon jetzt bermerkbar (ich wette bei jedem der Bitcoin in seiner wallet hält, macht sich dieser Gedanke schon bemerkbar), Warum sollte ich eine Währung ausgeben, deren Wert in Zukunft steigt?) Dazu später mehr.
Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit, da hat der BS Recht, hat der Mensch eine Währung geschaffen, die stark begrenzt ist. 21 Millionen, da ist Schluss. Das einzige „Gut“ von der man bis dahin wusste, dass sie begrenzt sei (so der BS),ist die Lebenszeit. Nur bei der Lebenszeit, und selbst da, weiß man nicht wie, wann und wo sie endet. Beim Gold, die Rai-Steine (Inselbeispiel), alles bisher bekannte, war von einem Schleier der Unwissenheit überzogen, der Bestand änderte sie fortwährend. Das der Bestand einer Währung bis aufs letztes Detail bekannt ist, ist komplett neu in der Menschheitsgeschichte.
Hier kommt wieder der freie Markt und die unsichtbare Hand ins Spiel: Das Spiel von Angebot und Nachfrage bekäme eine Zäsur, wie man es zuvor nie gesehen hat. Warum? Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit, bekäme die unsichtbare Hand so etwas wie ein Gewand übergestülpt. Ein neuer Mitspieler betritt das Spiel von Angebot und Nachfrage,
ich nenne ihn: der fixe Bestand.
Der Zauber von Angebot und Nachfrage ist in seinem Wirken um die gerechte Preisfindung verändert. Während also im Merkantilismus noch der Schleier der Unwissenheit, im Nullsummenspiel den Reichtum durch den ständigen Anstiegs des Bestands von Mal zu Mal bereichert wurde (in Form von Gold beispielsweise,welches neu zu Tage getragen wurde), haben wir hier das Endstadium einer merkantilistischen Denkweise. Nur diese 21 Millionen können auf dem Markt zirkulieren. Sie wechseln von A zu B.
Was ändert das bei den Marktakteuren?
Während in der klassischen Tradition, das freie Spiel von Angebot und Nachfrage zum Wohlstand aller führt, setzt hier ein Rationalitätsmodus ein, der von einer ganz anderen Statur ist, als er bei dem üblichen „homo oeconomicus“ je da gewesen ist. Hier müssen wieder zwei Denker erwähnt werden, der eine ist David Ricardo und der zweite ist Joseph Schumpeter (beides Ökonomen).
Ricardo dachte sich folgendes? Ist es nicht merkwürdig, dass bei allen Theorien über Wohlstand und Arbeit, nie die „Arbeit“ als solche in den Blick genommen wurde? Also alle Theorien, die man bis dahin anstellte, bemühten sich um die Arbeitszeit, die Spirale von Ausgabe und Einnahmen etc. Ricardo erkannte, dass der Mensch, also die Arbeitskraft Mensch auch von Variablen abhing, die man fördern und hindern konnte (das Thema ist gleich von Wichtigkeit bei der niedrigen Zeitpräferenz im BS, Kapitel 5). Beispiel: Wenn jemand hungrig, ist die Arbeitskraft mies.
Alle Bemühungen die Arbeitskraft zu fördern:
- unter welchem Licht sind die Arbeitenden am produktivsten?
- welche Sorgen treiben sie rum?
- Warum entstehen die spannendsten innovativsten Ideen ausgerechnet am Kickertisch?
Alles Fragen, die auf David Ricardo zurückgehen und unter dem Aspekt der Humankapitaltheorie diskutiert werden. Der zweite Denker, der an dieser Stelle wichtig ist, Joseph Schumpeter, Österreichischer Nationalökonom. Begründer des „schöpferischen Unternehmers“. Zur Unterscheidung zum herkömmlichen Kapitalisten, zeichnet sich der Unternehmer bei Schumpeter, durch Risikobereitschaft aus. Er riskiert Dinge, und sieht und ergreift Chancen. Beides sehr renommierte Denker. Schumpeter ist deshalb so wichtig, weil er mit seinen Überlegungen, die Zeit und Situation mit ins Boot holt für das wirtschaftliche Wachstum.
Wir alle kennen die Situation und sehen uns dieser Frage immer ausgesetzt, wenn es um Investition in die eigen Wirtschaftstätigkeit geht.
Gehe ich diese Investition ein um mein Humankapital zu erhöhen? Die reich-werden Ratgeber sind voll davon. (Frage: was muss ich tun um reich zu werden? Antwort: stecke Geld in die eigene Bildung!….oder kaufe Bitcoin ;).)
Jetzt wieder Sprung zum BS. Dort wird das beliebte Beispiel eines Marshmallows-Experiments in einer Schule als Beispiel geholt um die niedrige Zeitpräferenz zu erläutern. Also man hat Kinder vor einem Marshmallow gesetzt und ihnen die Wahl gelassen: wenn sie 10 Minuten warten würden, bekämen sie zur Belohnung ein zweites Marshmallow bekommen. (Die Kinder die warten konnten, haben eine niedrige Zeitpräferenz. Die Kinder die nicht warten konnten, eine hohe Zeitpräferenz).
Kinder mit niedriger Zeitpräferenz, so der BS, hatten in der Schule und dem zukünftigen Leben mehr Erfolg, als die Kids mit hoher Zeitpräferenz.
Generell misst, der BS, der Epoche und den Kunstschaffenden mit niedriger Zeitpräferenz mehr Erfolg und Perfektion zu, als den Epochen und Kunstschaffenden mit hoher Präferenz.
Jetzt kommt aber der entscheidende Punkt. In seiner Aufzählung (S.96) über die wunderschönen Musikstücke Mozarts oder Bach im Gegensatz der Musikstücke heutiger Zeit, die er absolut erbärmlich findet. In den Aufzählung hat der BS leider vergessen, dass der freie Markt noch frei funktioniert hat, (wir erinnern uns, Das Unsichtbare an der unsichtbaren Hand Smiths. (By the way komisch, dass man Kunst nun unter objektiven Merkmalen zu charakterisieren versucht, Kunst versteht man bis dahin eigentlich als subjektive Geschmackssache)
Ein weiterer Kritikpunkt ist folgender, der ist sogar noch maßgeblicher. Es bezieht sich auf den Rationalitätsmodus in der Vorstellung des ursprünglichen „homo oeconomicus“. Der Konsum, der Wille Geld in Ware (G→W), oder Ware gegen Geld zu tauschen (W→ G) ist ein wesentliches Merkmal des „homo oeconomicus“. Dies geschieht natürlich in der Aushandlung des gerechten Preises und (wie oben gesehen) ich bereichere mich durch den Handel, und gleichzeitig (durch die unsichtbare Hand) den Reichtum aller.
Der Rationalitäsmodus des „homo oeconomicus“ bei dem BS ist von ganz anderer Beschaffenheit.
Wir werden natürlichermaßen (weil fixer Bestand), bei jedem Handel den wir eingehen, den Nutzen dieses Handels hinterfragen.
Jetzt an dieser Stelle, kommt der einzige knifflige Punkt, den es stark zu beleuchten gilt. Also, wir sehen uns also in einem System, an dem der Konsum größtenteils am Ende der Spirale aufs wesentlichste beschränkt werden wird. Der Wille G→ W zu tauschen, sinkt, da wir nicht mehr bereit sind, einfach so zu konsumieren. Wir hinterfragen die Handlung fortwährend. Wie sucht sich der freie Markt also notgedrungen, sofern man ihn weiter am Leben erhalten möchte seinen Weg?
Wo deckt sich der Wille (G→ W )zu tauschen. Wo ist der einzige Bereich, an dem es dann noch anzudocken geht? In dem Willen sein eigenes Humankapital zu erhöhen. Also in dem Willen G→ W zu tauschen, sofern es den zukünftigen Investitionen nützt. Der freie Markt muss, möchte man ihn erhalten, sein Angebot um die Ordnung des Humankapitals arrangieren, da hier der einzige Platz ist, der noch von einem Schleier der Unwissenheit überzogen ist, nämlich die Unwissenheit der Zukunft. Der Mensch wird sich mit seinem zukünftigen Ich konfrontiert sehen, und dieses wird das wesentliche Abbild seiner öknomischen Rationalität bilden.
Bei der Ergreifung bei Zeit und Situation (Schumpeters Unternehmensbegriff) ist nämlich paradoxerweise eine niedrige Zeitpräferenz schädlich. Der Bereich ist außerhalb der konsumorientierten Rationalität, wie sie im BS steht. Hier ist gerade das schnelle Ergreifen der zeitlichen Situation, ein Indiz für das zukünftige Reichtum. Je schneller ich die Gelegenheit ergreife, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit meinen zukünftigen Wohlstand zu erhöhen.
Was bedeutet das? Der BS operiert zwar mit einem „homo oeconomicus“ in der Vorstellung des freien Marktes. Die ökonomischen Voraussetungen stehen diesem jedoch konträr gegenüber.
Wir haben es nicht mit einem Verständnis zu tun, indem der Tausch den Wohlstand aller beflügelt.
Sondern umgekehrt, gerade da der fixe Bestand als feste Gegebenheit in die Spielerei des freien Marktes eintritt, wird der homo oeconomicus bei der dem BS bis in das tiefste Quäntchen seiner Entscheidungen seinen eigenen Nutzen stellen. An dieser Stelle wird schnell deutlich, dass diese Konzeption nicht zu einem Wohlstand aller führen kann.
Bei genauerer Überlegung, sehe ich den freien Markt beim Bitcoin sogar gefährdet, möchte man ihn in irgendeiner Form künstlich am leben erhalten, sehe ich nur eine Konzeption, wie sie Gottlieb in seinen „Lehrsätze der medicinischen Polizeywissenschaft“ ausgeführt hat. Da ging es um die Vorstellung einer Institution (sei sie in unserem Fall privat oder staatlich organisiert) welche die Bevölkerung bis ins kleinste Detail kannte und versuchte ihr Verhalten und Handel zu überwachen und zu animieren.
Fazit
In dem Bs sehen ich zwei subkektivierende Wirtschaftsmodi überlappt, deren Zusammenkommen in der realen Wirtschaftswelt zu ganz anderen Resultaten führe als im Bs proklamiert. Während BS in seiner Annahme weiter von einem Wirtschaftsleben ausgeht, deren Tausch zu einem Wohlstand und Freiheit der Akteure durch frei zirkulierender Güter und Waren führe , sehe ich einen Subjekttypus erscheinen, dessen Struktur dieser Annahme fundamental entgegensteht. Ich sehe einen Wirtschaftsakteuren erscheinen, deren Entscheidung sich am Primat der Nützlichkeit orientiert, dieses wird ihm immanent.
Dadurch sehe ich den freien Markt (historischen Types) gefährdet.
Meine Vorstellung wie der Markt weiter bestehen müsste, durch eine Instanz,welche die Geschicke, Meinungen und Wünsche der Bevölkerung kennt und zu lenken versuchen wird und sogar muss
ps. bitte seht davon ab, diesen Kommentar mit Herzchen, smileys oder so zu versehen. Ich brauche keine Zustimmung. ich brauche einen wahrhaften Austausch.
das war die erste Formulierung meiner Kritik am BS. Es gibt noch mehrere Punkte,dsie mir nicht einleuchten. Aber vielleicht klären wir erstmal diese Punkte.