Ich finde das einen unglaublich wichtigen Punkt!
Freie Märkte tendieren zu einer Monopolisierung des Kapitals. Sowohl durch organisches Wachstum als auch durch Zukäufe. Mehr Gewinn, mehr Reinvestitionen, weitere Akkumulation von Kapital.
Dieses Vermögen wird von Generation zu Generation weitervererbt und allein deshalb würde ich der Aussage widersprechen, dass mehr Arbeit besser belohnt wird.
Wenn ich 4 Mio. (geerbtes Kapital) investiert habe und dadurch 60 000€ Dividenden (1,5% angenommen) pro Jahr bekomme, eine andere Person 60 000 brutto verdient, ich 25% Kapitalertragssteuer zahle für nichts tun und meine Zeitpräferenz (die man sich auch „leisten können“ muss), die Person allerdings 40% abdrücken muss.
Falls jetzt gedanklich schon formuliert wird: „In freien Märkten/im Liberalismus gebe es das nicht, da würde ich mir meine Privatstadt suchen.“ Gleiches Problem. Städte, die nur Reiche annehmen, können sich günstige Steuersätze leisten.
Wer nimmt diese Umverteilung vor?
In den anarcho-kapitalistischen Kreisen basiert das doch lediglich auf der Annahme, dass sich Menschen auf freiwilliger Basis helfen.
(Und ganz unabhängig vom Menschenbild bzw. auch mit positivem Menschenbild finde ich, kann man daran zumindest zweifeln, ob das ausreichend gut klappt.)
Übrigens erinnern mich die Aussagen von @skyrmion fast an den Konvivialismus, den ich persönlich sehr spannend finde. Gewissermaßen ist es der Versuch, unabhängig von politischen Überzeugungen, einen kleinsten gemeinsamen Nenner des friedlichen und glücklichen Zusammenlebens zu schaffen.
Der Verlag schreibt beispielsweise auf seiner Seite:
„Auf theoretischer Ebene strebt der Konvivialismus eine Synthese verschiedener einflussreicher politischer Ideologien an: eine Synthese von Liberalismus, Sozialismus, Kommunismus und Anarchismus. Praktisch wird der Konvivialismus schon in einer Vielzahl von sozialen Konstellationen gelebt: sowieso im familiären und freundschaftlichen Rahmen, in dem nach wie vor die Logik der Gabe und nicht die des utilitaristischen Kalküls zählt. Dann in hunderttausenden von assoziativen Projekten der Zivilgesellschaft weltweit, im freiwilligen Engagement, im Dritten Sektor, in der solidarischen Ökonomie, in Kooperativen und Genossenschaften, im moralischen Konsum, in NGOs, in peer to peer-Netzwerken, Wikipedia, sozialen Bewegungen, Fair Trade, der Commons-Bewegung und vielem mehr.“
Und da bin ich bei @Denni. Ich bin davon überzeugt, dass wir in Memschengruppen bis ca. 100 Personen solch ein wertschätzendes Miteinander schaffen. Ich bin mir nur sehr unsicher, ob diese Acht auf andere auch in (Privat-)Städten möglich ist.
Ansonsten finde ich eigentlich schön, dass hier Liberalismus, Sozialismus, Kommunismus und Anarchismus in einem Satz fallen und der Versuch unternommen wird alle zu verbinden.
Ja, es wird niemanden überzeugen, der allein eines dieser Systeme auch.
Aber vielleicht ist es eben der kleinste gemeinsame Nenner…
In jedem Fall finde ich die Ausgangsfragen super (für die, die sie im Liberalismus-Thread noch nicht gesehen haben):
- Die moralische Frage: Welche Hoffnung dürfen die Menschen hegen, und was muss ihnen verboten werden?
- Die politische Frage: Welche Gemeinschaft kann politisch Legitimität beanspruchen?
- Die ökologische Frage: Was dürfen wir der Natur entnehmen, und was müssen wir ihr zurückgeben?
- Die ökonomische Frage: Welchen Reichtum dürfen wir produzieren, und auf welche Weise, wenn wir im Rahmen der Antworten bleiben, die auf die vorhergehenden Fragen gefunden wurden?
- Zusätzlich zu diesen Fragen ist jeder frei, eine weitere zu stellen, oder nicht: was über Naturkräfte geht oder unsichtbar bleibt: die spirituelle oder religiöse Frage. Oder die Frage nach dem Sinn.