Wie jeden Winter, war ich auch dieses Jahr wieder unterwegs und habe dabei versucht meine Reise mit Bitcoin in Verbindung zu bringen. Diesmal war ich in Kenia und Uganda und habe mich mit Leuten aus der Bitcoin Community in Nairobi, sowie der Gründerin des Bitcoin Innovation Hubs in Kampala getroffen und interessante Dinge erfahren, die ich hier teilen möchte. Dazu möchte ich allerdings erwähnen, dass ich (anders als in den bisherigen Berichten aus El Salvador und Venezuela) abgesehen von diesen Gesprächen mit Bitcoinern keine weiteren Stimmen zum Thema aus der Bevölkerung habe, weil ich sonst leider sehr wenig mit Locals in Kontakt kam, mit denen ich mich vernünftig verständigen konnte.
Während meiner ersten Tage in Nairobi, habe ich mich mit Felix von „The Core“ getroffen. Der betreibt einen kleinen Shop in dem er Bitcoin Merchandise produziert und verkauft, aber auch kostenlos kleine Seminare in Richtung Bitcoin Bildung anbietet. Eigentlich hatte ich geplant mich von Marcel (CEO von Bitcoindada) oder jemandem direkt von Machankura zu treffen, allerdings fand zeitgleich zu meinem Aufenthalt in Kenia die African Bitcoin Conference in Ghana statt, sodass viele Bitcoiner in dieser Woche auf der anderen Seite des Kontinents waren… allerdings konnte mir Felix auch einige coole Dinge zeigen und erklären u.a. eben was das bereits erwähnte Machankura ist und wie es funktioniert. Im Prinzip wurde hier „nur“ ein Interface entwickelt mithilfe dessen man Lightning Transaktionen über SMS übermitteln kann (quasi offline) - ja ihr habt richtig gelesen, die Person die eine Transaktion über Machankura sendet kann das tun ohne selbst mit dem Internet verbunden zu sein. Man hat quasi eine Bilanz auf der Machankura „Wallet“ und sendet per SMS den Betrag und den Pfad zum Empfänger oder eben ne LN Invoice an das Machankura System und von dort wird es dann weiter verarbeitet. Das Ganze läuft über die Machankura Nodes, ist also ein Custodial Service, aber trotzdem iwie ne coole Möglichkeit für die Leute in Afrika, die kein Smartphone haben. Tatsächlich funktioniert die Oberfläche sehr ähnlich wie die Abwicklung von Fiat-Transaktionen über M-Pesa (ein extrem weitverbreiteter Zahlungsanbieter in Afrika, der Zahlungen über SMS ermöglicht), sodass die Benutzung von Lightning für die Leute dort genau so einfach ist/wäre, wie sie es schon jahrelang kennen.
So sieht das ganze dann aus. Man kann den Service sowohl per WhatsApp nutzen, aber eben auch via SMS. Allerdings nur in Ländern die dafür freigeschaltet sind. Das sind aktuell Ghana, Kenia, Malawi, Namibia, Südafrika, Nigeria, Tansania, Uganda und Sambia. Immerhin leben mehr als 50% der gesamten afrikanischen Bevölkerung in diesen Ländern, also Potenzial hat es vllt, dass man so ein paar mehr Menschen zu Bitcoin bringt. Abgesehen davon haben wir darüber gesprochen inwiefern die hohen Transaktionsgebühren für die Leute in Nairobi ein Problem darstellen. Felix’ Antwort war, dass es eigentlich so gut wie niemanden betrifft, weil die meisten die er kennt Bitcoin ausschließlich über Lightning verwenden. Auf die Frage welche Wallets da so benutzt werden, meinte er vor allem Machankura und Wallet of Satoshi, aber viele nutzen (wie auch schon in Venezuela und vielen anderen Ländern wo ich war) Binance, sowohl als On- bzw Off-Ramp, aber auch den p2p Service BinancePay, quasi eine Binance Lightning Wallet. Er ist sich bewusst, dass dies alles Custodial Lösungen sind, aber damit hat er kein Problem, für ihn ist es eine günstige Möglichkeit mit Bitcoin seinen Alltag zu bestreiten und bisher gab es nie Probleme. Er wusste aber, dass das nicht die optimale Lösung ist und hat erwähnt, dass es mittlerweile Bestrebungen in der Community in Nairobi gibt eine Fedimint aufzusetzen. Quasi eine „Wallet of Nairobi“, wo man nicht mehr unbekannten Custodians sein Geld anvertraut, sondern eine Gemeinschaft aus vertrauensvollen Mitgliedern der Community die Lightning-Infrastruktur für alle stellt, die ihnen vertrauen und die Bitcoin auf dem Mainlayer dementsprechend bei denen im Multi-Sig liegen.
War auf jeden Fall richtig interessant da mal ein bisschen hinter die Kulissen der Community in Nairobi zu schauen und ich war positiv überrascht wie viele Leute da doch aktiv an Lösungen und der Bildung arbeiten. Ich glaube dort könnte die nächsten Jahre einiges passieren, ich bleibe auf jeden Fall mit Felix und Marcel in Kontakt und ergänze in der Zukunft, wenn ich was neues hören sollte.
Noch interessanter wurde es dann allerdings zum Ende meiner Reise, in Uganda. Ich hatte über Tage vergeblich versucht Kontakt zum Bitcoin Innovation Hub in Kampala herzustellen bis sich dann wenige Tage vor meiner Anreise unverhofft die Gründerin Meron Estefanos bei mir gemeldet und mir ein Treffen vorgeschlagen hat. Sie war, wie die meisten afrikanischen Bitcoiner, die Woche zuvor in Ghana und hatte daher viele aktuelle News, aber auch sonst ist sie wahrscheinlich eine der am besten vernetzten Bitcoinerinnen in Afrika. Sie arbeitet wohl sehr eng mit Alex Gladstein zusammen, war bis vor kurzem auch selbst noch bei der Human Rights Foundation (HRF) angestellt, ist weiterhin Menschenrechtsaktivistin, Autorin, war in einigen Podcasts zu Gast u.a. bei Anita Posch und ist (auch abseits von Bitcoin) wahrscheinlich eine der interessantesten Personen die ich je getroffen habe.
Um es kurz zu machen: sie ist voller Hoffnung bezüglich Bitcoin in Afrika. Sie sieht immer mehr Leute die Bitcoin nutzen, sowohl reiche Afrikaner, die massive Einschränkungen seitens der Banken dort haben ihr Geld zu bewegen, aber auch immer mehr kleine Shop-Besitzer, die gar kein Bankkonto haben. Auch viele Migranten, die aus anderen Ländern nach Uganda kommen und oft keine IDs haben, nutzen Bitcoin weil es für sie neben Cash die einzige Lösung ist. Wie auch in Kenia nutzen viele Leute Machankura, Wallet of Satoshi und Binance. Sie will sich darum kümmern die nächsten Jahre eine repräsentative Studie zur aktuellen Bitcoin Adoption in Afrika zu erstellen. Sowas gibt es bisher wohl noch nicht, aber sie schätzt dass die Adoption deutlich höher ist, als viele es sich vorstellen. Vor allem unter den wohlhabenden Afrikanern gibt es mittlerweile wohl immer mehr die Bitcoin nutzen, weil es in vielen Ländern Limits für Abhebungen und Transfers pro Monat gibt, und vor allem internationale Zahlungen immer strenger überwacht und mit Auflagen belegt werden.
Die steigende Adoption der letzten Jahre kam vor allem durch die Inflation der afrikanischen Landeswährungen aber auch durch immer mehr, besserer und FREIER Bitcoin Bildung zustande. Hier macht es Sinn kurz das BTC Innovation Hubs vorzustellen. Ihr Ziel ist es eine Anlaufstelle für nach Uganda kommende Migranten zu sein und diese in den Alltag zu integrieren. In Zusammenarbeit mit der HRF werden hier kostenlose Ausbildungen für eine Reihe an Jobs angeboten (von Marketing, über Designs zu Computerkursen, aber wohl auch Handwerk uvm). Voraussetzung für diese Bildung und Integration ist allerdings, dass man auch ein paar Wochen Unterricht zu finanziellen Themen und speziell zu Bitcoin absolvieren MUSS. In diesem, ersten Jahr des Hubs haben 175 überwiegend weibliche Teilnehmer erfolgreich an diesen Ausbildungen teilgenommen.
Zusätzlich zu den ganzen Bildungsprogrammen ist Meron aber anscheinend auch im engen Austausch mit der ugandischen Regierung bzgl Mining. So hat sie erzählt dass sie in Gesprächen mit dem Präsidenten von Uganda ist um ein Pilotprojekt aufzubauen. Da Uganda wohl mehr Energie produziert als es aktuell verbraucht hat sie da wohl von Regierungsseite offene Türen, allerdings ist das alles noch nicht spruchreif. Vielleicht sagt dem einen oder anderen von euch https://gridlesscompute.com/ etwas? Die operieren mittlerweile in 4 Ländern in Afrika und so wie es aussieht wird Uganda dann das nächste. Der Plan scheint zu sein in naher Zukunft einen afrikanischen Mining-Pool zu gründen wenn ich das richtig verstanden habe, also auch in diese Richtung scheint sich ein bisschen was zu bewegen.
Auch sie habe ich gefragt ob sich die hohen Transaktionsgebühren negativ für Afrika auswirken, aber auch sie meinte, dass das ihrer Erfahrung nach bisher kein Problem wäre. Das ist relativ einfach zu erklären: die reichen Leute nutzen Bitcoin aus dem Grund um ihr Geld frei bewegen und nach Merons Aussagen sind die meisten so reich, dass ihnen 20$ Transaktionsgebühren nicht wehtun. Außerdem sollen die Kontoführungs- und sonstige Gebühren ab bestimmten Summen derart hoch sein, dass die Onchain-Gebühren bisher noch vergleichsweise günstig wären. Die „kleinen Leute“ nutzen fast alle Machankura oder andere Custodial-Lightning-Wallets, das heißt die kommen nicht mit den Gebühren in Berührung.
Ähnlich wie schon in Kenia, war sich aber auch Meron bewusst, dass das kein finaler Zustand sein kann und tatsächlich arbeitet ihr Team zusammen mit Fedi wohl schon länger an einer konkreten Lösung bzw einer Fedimint, die in naher Zukunft live gehen soll. Also auch hier wird versucht eine „Local-Custodial“ Lösung aufsetzen, und sollte das erfolgreich umgesetzt werden, wollen sie danach Kenia mit an diese anbinden. Hörte sich für mich alles schon einen Schritt weiter an, als das was Felix mir in Kenia erzählte, aber evtl war das auch dem geschuldet, dass Meron mehr Einfluss hat und gerade erst mit neuen Ideen von der Konferenz kam.
Als größte Herausforderung für die Adoption in Afrika sieht sie die tatsächlich große Anzahl von Scammern… Jeder kennt jemanden, der von irgendwelchen Kriminellen abgezogen wurde. Sehr häufig wurde dabei Geld an irgendeine Plattform geschickt und einem wurde dann erzählt, dass man Bitcoin besäße, wobei es sich lediglich um eine Zahl in einer Bilanz handelte, ohne dass man diese jemals wieder auszahlen konnte, (Anm.: Während des Schreibens fällt mir hier die Ironie auf, dass trotzdem die meisten Leute weiterhin Custodial Wallet nutzen…) das macht die Adoption nicht einfacher. Außerdem merkt man wohl dass Altcoins in Afrika massivst Werbung machen. Zb gibt es in der größten Mall in Kampala einen großen Stand mit einem Iris-Scanner von Worldcoin und vor allem Cardano soll wohl öfter mal Wallets mit Coins in Afrika verschenkt haben um dann damit werben zu können, dass Cardano in Afrika verbreitet wäre… wirklich was damit anfangen können die Leute mit diesen Coins allerdings nicht, weils logischerweise keine Akzeptanzstellen gibt und die meisten Leute die für sowas zugänglich sind höchstens an Trading (auf zentralisierten Börsen) interessiert sind. Sie sagt das Problem ist, dass bei allem was rund um Krypto passiert immer eine Referenz zu Bitcoin erwähnt wird, damit die Leute überhaupt verstehen worum es eigl geht und dass damit dann ggf ein schlechtes Licht auf Bitcoin im Gedächtnis bleibt… Sie sagt dass „Afrika ohne Shitcoins wahrscheinlich schon deutlich weiter wäre“ und die einzige Lösung die sie sieht ist Bildung…
Zwischendurch hatte sie auch mal kurz erwähnt, dass Nigeria schon extrem weit sein soll und dass dort mittlerweile mehr als jede dritte Person (also über 33% der Leute dort) Bitcoin nutzen oder zumindest haben soll. Eventuell wäre das ein spannendes Ziel für eine zukünftige Reise, aber ich werde mich die nächsten Jahre glaube ich wieder weiter auf Lateinamerika konzentrieren. Dort habe ich mich, wahrscheinlich auch aufgrund dessen dass ich mich dort besser verständigen kann, deutlich wohler gefühlt.
Soweit meine Notizen die ich mir gemacht habe. Sollte mir noch etwas einfallen, werde ich es später in den Kommentaren ergänzen. Es sei nochmal erwähnt, dass ich hier nur diese zwei Stimmen eingefangen habe und nicht wirklich selbst die Erfahrung von Bitcoin im afrikanischen Alltag gemacht habe. Tatsächlich habe ich ein paar Akzeptanzstellen in Nairobi gesehen und konnte in dem Restaurant in Kampala, wo ich mich mit Meron getroffen habe, mit Sats zahlen, aber das wars dann auch. Ich habe allerdings auch nicht weiter aktiv danach gesucht. Insgesamt muss ich sagen, war ich (negativ) von Kenia überrascht. Ich habe auf Reisen mittlerweile schon einiges an Armut gesehen, vor allem in Venezuela, Kuba oder Bolivien, aber Kenia war zumindest von meinem Gefühl her nochmal ein anderes Level, was ich so nicht erwartet hätte. Selbst Uganda fand ich in einigen Punkten (bspw. allgemeine Infrastruktur und Lebensqualität in der Haupstadt) angenehmer als Kenia, dabei hatte ich angesichts des Bekanntheitsgrads bei Touristen angenommen, dass Kenia besser entwickelt wäre. Das alles natürlich nur aus Sicht eines Touristen und mit Erfahrungen über einen relativ kurzen Zeitraum.
Bezüglich der Nutzung von Custodial Wallets von vielen Leuten dort, kann man wirklich nur hoffen, dass nicht wirklich irgendwann mal so eine Custodial Lösung hops geht und/oder das Geld weg ist… das würde wahrscheinlich vor allem in Afrika viele Menschen böse treffen. Hoffen wir also lieber, dass die Fedimints wirklich zeitnah erfolgreich umgesetzt werden und diese dann ähnlich nutzerfreundlich sind wie bereits bestehende Lösungen, sodass sie sich schnell verbreiten.
Zum Abschluss noch ein kleiner Wink an diejenigen die sagen, dass Bitcoin keinen Usecase hätte. Abgesehen von einigen anderen Möglichkeiten, die ich bereits im Forum beschrieben habe, wie man heute Bitcoin NUTZT, will ich erwähnen, dass ich auf mehr als 50% meiner Reisen dieses Jahr weder einen ATM, noch eine Wechselstube aufsuchen musste um die jeweilige Lokale Währung zu bekommen. Stattdessen habe ich mich mit lokalen Bitcoinern getroffen, welche mehr als glücklich waren mir ihr Fiat für ein paar Sats zu geben. Ohne Gebühren (auf beiden Seiten) oder sonstige Komplikationen. Bitcoin als liquides Tauschmittel zwischen verschiedenen Fiat-Währungen - Ist jetzt nicht der große finale Traum, aber als Zwischenlösung, bis man vllt gar nicht mehr unbedingt tauschen muss, werde ich es versuchen so beizubehalten.