Bitcoin dezentral oder Node/Miner Demokratur?

Die Krux liegt hier in der Definition von Abstimmung bzw. Stimmrecht. Man kann zwei unterschiedliche Dinge darunter verstehen:

  1. Stimmrecht bei der Festlegung der gültigen Konsensregeln
  2. Recht einen Block erzeugen zu dürfen

Man darf den Konsensmechanismus selbst nicht mit der Art und Weise verwechseln, wie man sich auf diesen Mechanismus einigt.

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Indem du eine Full Node betreibst, entscheidest du dich für einen bestimmten Satz an Konsens-Regeln. Diese Regeln legen fest, unter welchen Bedingungen deine Node einen neuen Block im Netzwerk als gültig anerkennt und an die eigene Blockchain anhängt.

Allerdings bringt es nichts, wenn eine Person oder eine Personengruppe zusammen einfach mehr Full Nodes als der Rest des Netzwerks betreibt. Damit legen sie nur fest, nach welchen Regeln sie selbst Blöcke akzeptieren.
Solange also der Rest des Netzwerks einfach mit den gleichen Regeln wie vorher weitermacht, bilden sich zwei unabhängige Netzwerke bzw. Blockchains (= Hard Fork). Die Personengruppe mit ihren vielen Nodes hätte damit also einen eigenen Coin geschaffen. Der Rest würde weitermachen wie bisher.

Bzgl. Änderung der Konsens-Regeln gibt es Bitcoin Improvement Proposals (BIPs), die jeder erstellen kann und die öffentlich diskutiert werden. Wenn nach Monaten bis Jahren feststeht, dass die große Mehrheit im Netzwerk für die Umsetzung eines Vorschlags ist, wird die Bitcoin Core Software von den Entwicklern entsprechend angepasst.
Ab einem gewissen Zeitpunkt kann dann jeder im Netzwerk sich diese neue Software auf seiner Node installieren und arbeitet von da an nach den neuen Regeln.

Man kann nicht einfach sagen, dass die Anzahl der Nodes dafür maßgeblich ist, was nachher Bitcoin ist. Das ist also keine Demokratie mit geregelten Stimmrechten.
Wie schon erklärt haben viele Nodes einer Entität keine Bedeutung. Die EZB kann so viele Nodes betreiben wie sie will; das wird an Bitcoin nichts ändern.
Außerdem haben die großen Fische wie z.B. Miner, Börsen, Core Entwickler mehr Einfluss im öffentlichen Diskurs als der Normaluser. Ein paar Gedanken dazu hatte ich hier aufgeschrieben.
Auch lesenswert ist der Absatz Consensus Software Development im Kapitel „Mining and Consensus“ aus Mastering Bitcoin von A. Antonopoulos.

Bei Proof of Stake Projekten ist die Idee, über ein on-chain Voting proportional zum Stake über Änderungen abstimmen zu dürfen. Dabei wären die Stimmrechte also exakt geregelt.
Trotzdem kann im Prinzip anschließend jeder Node Betreiber entscheiden, welche Software er aufspielt. Deshalb ist dieses Vorgehen m.E. noch nicht ganz ausgegoren.

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Bei der Blockproduktion ist die Stimmrechtverteilung bei Proof of Work und bei Proof of Stake klar geregelt.

Beim Proof of Work legen die Konsens-Regeln unter anderem fest, dass der Hash eines neuen Blocks unterhalb einer zu diesem Zeitpunkt gültigen Schwelle liegen muss. Diese Festlegung alleine sorgt dafür, dass im Netzwerk um die Wette gemined wird, um so einen Block bzw. Hash zu finden. Wer mehr Mining-Power einsetzt, hat mehr Stimmrechte.

Beim Proof of Stake wird hingegen laufend automatisch durch Pseudo-Zufallszahlen festgelegt, wer die nächsten Blöcke erstellen darf. Deshalb findet hier auch kein Mining statt; es ist nur wichtig zum passenden Zeitpunkt mit seinem Blockproducer online zu sein. Das Stimmrecht ist hierbei proportional zum Stake.

Bei Bitcoin haben in den ersten Monaten die wenigen Netzwerkteilnehmer alle noch mit ihren Full Nodes gemined (evtl. nicht kontinuierlich). Bis Laszlo Hanyecz irgendwann angefangen hat mit seiner Graphikkarte zu minen. Dann kammen die FPGAs und zuletzt die ASICs.
Das Stimmrecht im Sinne von Konsensfestlegung und Blockerzeugung, was zu Beginn noch auf einer Full Node vereint war, hat sich also schon nach kurzer Zeit auf Full Nodes und separate Mining Hardware aufgespalten.

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