Aktueller Reisebericht aus El Salvador

Moin zusammen, ich hoffe ihr seid alle gesund und munter. Ich lese zwar schon einige Zeit hier im Forum mit, aber dies wird mein erster erstellter Beitrag. Ich befinde mich aktuell in El Salvador und würde gern meine Beobachtungen zur aktuellen Situation bzgl. Bitcoin und des Präsidenten hier mit euch teilen.

Zunächst kurz zu mir: ich bin Ende 20 und beschäftige mich schon seit einigen Jahren mit der Kryptowelt, in letzter Zeit allerdings ausschließlich nur noch mit BTC. Ich reise viel und vor allem in Lateinamerika, habe Vergleiche zu wirtschaftlich ähnlich wie El Salvador aufgestellten Ländern in dieser Region und spreche fließend spanisch. Mein Ziel der Reise war es sowohl zu erfahren wie die Leute hier die Einführung von Bitcoin aufnehmen und ob sich das in den weltweiten Medien eher negative Bild gegenüber dem Präsidenten auch hier in der Bevölkerung wiederfindet. Insgesamt bin ich gute 15 Tage im Land unterwegs und will möglichst viele Regionen des Landes bereisen um ein möglichst repräsentatives Bild aus allen Bevölkerungsschichten zu bekommen. Heute ist Tag 7 meiner Reise und ich war bisher in der Hauptstadt San Salvador, in El Zonte und El Tunco, sowie einigen kleineren Dörfern zwischen diesen beiden Stränden und bin aktuell in Santa Ana.

Zunächst einmal muss ich sagen, dass ich vom Land und seinen Einwohnern selbst sehr beeindruckt bin. Von dem was man in den Medien hört, habe ich mir El Salvador als noch relativ exotisch und „gefährliches“ Entwicklungsland des eher unteren Spektrums vorgestellt. Allerdings ist die Hauptstadt in vielen Vierteln deutlich weiterentwickelt als zB Länder wir Ecuador, Bolivien oder Guatemala. Man hat teilweise beeindruckende Malls mit Geschäften von allen gängigen Marken und auch generell finde ich das Land ziemlich stark „amerikanisiert“. Man findet viele Fast Food Restaurants, die Leute lieben ihre großen Autos und wie wir alle wissen ist der USD die offizielle Währung. Da kommen wir auch direkt zur nächsten Überraschung: Ich hätte mir El Salvador nicht SO teuer vorgestellt. Die Preise im Land sind im Durchschnitt so hoch wie in Touristen-Gebiete in Mexiko oder Kolumbien. Das hat mich dann doch verwundert, da das BIP pro Kopf hier deutlich niedriger sein wird. Die Menschen sind extrem gastfreundlich und sehr gesprächig. Sie sind sehr daran interessiert, was außerhalb El Salvadors über ihr Land gesagt wird und generell sind sie sehr offen über ihr Land zu sprechen, sowohl über negative Sachen (viel davon allerdings aus der Vergangenheit) als auch über die zuletzt sehr positiven Entwicklungen. Soviel erstmal zu meinen allgemeinen Beobachtungen.

Jetzt zum interessanten Teil: Wie läuft die Adoption von Bitcoin im Land? Ich habe hier bisher ausschließlich die Blue Wallet und die Wallet of Satoshi genutzt. Beide habe ich sowohl in Mexiko als auch in Kolumbien schon öfter im Einsatz gehabt und hatte nie Probleme. Mein erste Erfahrung hier in El Salvador war jedoch sehr ernüchternd… In der Hauptstadt angekommen habe ich mir bei TIGO (einer der 2 größten Anbieter hier in El Salvador) eine Simkarte gekauft und eingerichtet. Tigo hat leider direkt schon mal KEINE BTC als Bezahlungsmöglichkeit angeboten… nun gut, das war der erste Versuch, es kann nur besser werden… Anschließend bin ich in einem Food Court mit allen gängigen Fast Food Restaurants von Anzeigen erschlagen worden, dass Bitcoin akzeptiert wird. Um endlich das erhoffte Erfolgserlebnis zu bekommen, habe ich also Essen bestellt, möchte mit Bitcoin bezahlen und bekomme an der Kasse einen QR Code. Diesen habe ich mit meiner Lightning Wallet gescannt und eine Error-Mitteilung erhalten… nochmal mit der anderen Wallet probiert, aber auch dort hat es nicht geklappt. Dann habe ich versucht es mit dem On-Chain-Wallet der Blue Wallet zu scannen und das hat tatsächlich funktioniert. Nicht wie geplant, aber die Transaktionskosten sind aktuell ja sowieso nicht so hoch, also habe ich die Transaktion akzeptiert. Nach wenigen Augenblicken wurde sie bestätigt und die Rechnung (+ 0.06$ On-Chain-Gebühr) war bezahlt. So ganz glücklich war ich jedoch nicht und ich habe für den ersten Tag erstmal aufgegeben…
Man hat ja schon oft gehört, dass es bestimmte Einstellungen in der Chivo Wallet gibt und es deswegen öfter zu Problemen von Transaktionen kommt, weil die Leute nicht genau wissen, wie sie ihre App einstellen müssen. Ich habe also versucht mir die Chivo App herunterzuladen um die Funktionsweise kennenzulernen, allerdings kann man sich nur mit einer lokalen ID aus El Salvador registrieren… Am nächsten Tag hatte ich dann aber das Glück einen sehr offenen Uber Fahrer zu erwischen, der sich gut mit der App auskennt und mir die Funktionen gezeigt hat. Zunächst einmal muss man in der App auswählen, welche Art der Bezahlung man erhält. Standardmäßig ist hier anscheinend USD ausgewählt. Klickt man dann auf Bitcoin und „weiter“, so hat man dann die Option die Bitcoin bzw Sats normal zu erhalten oder diese direkt in USD konvertieren zu lassen. Außerdem kann man einen Haken setzen, dass es sich um eine Lightning Transaktion handelt. Ist dieser Haken gesetzt, gibt es meines Wissens keine Probleme mehr mit der Chivo App, zumindest hatte ich sonst keine mehr. Insgesamt ist die App bzw die Wallet also ziemlich selbsterklärend und aus meiner Erfahrung gar nicht SO problematisch, wie die ganze Welt es darstellen will. Eventuell hat ja hier aber auch jemand andere Erfahrungen gemacht (würde mich sehr interessieren!). Ich habe den Uber Fahrer auch gefragt wie das mit Gebühren läuft und er sagt dass man zwischen Chivo Wallets tatsächlich keine Gebühren zahlen würde. Das heißt, dass sie anscheinend auch keine On-Chain Gebühren zahlen wenn sie mit BTC bezahlen, was ja nur möglich ist, wenn diese Transaktionen INTERN innerhalb der Chivo „Datenbank“ abgewickelt und die Beträge nur zwischen den Accounts verschoben werden und es nicht zu einer wirklichen Transaktion auf dem Main Netzwerk kommt. Allerdings war er bisher auch meine einzige Quelle dazu, evtl finde ich hier die nächsten Tage nochmal jemanden, der mir das bestätigt kann.
Nachdem ich die App besser kannte, war das Bezahlen mit Satoshis kein Problem mehr. Allerdings hier die nächste „Enttäuschung“: Ich hätte erwartet, dass viel mehr Geschäfte und Restaurants Bitcoin entgegennehmen. Ich mache niemandem einen Vorwurf, da es das Gesetz nicht mal ein halbes Jahr gibt, aber auch hier möchte ich ehrlich und neutral bleiben: meiner Erfahrung nach nehmen die meisten großen Fast Food Ketten Bitcoin-Bezahlungen entgegen, ungefähr die Hälfte aller Uber Fahrer auch, wobei die andere Hälfte lieber USD in Cash haben möchte (ich frage immer was ihnen lieber ist), in den Unterkünften in denen ich bisher war ist es auch ungefähr 50:50, die eher jüngeren Besitzer nehmen Bitcoin, aber die ältere Generation (noch?) nicht. In Supermärkten gibt es immer eine Kasse mit einem Schild, dass an dieser Kasse mit BTC bezahlt werden, allerdings sind diese Kassen IMMER geschlossen, ich habe also noch nie im Supermarkt mit Sats zahlen können. Und insgesamt würde ich somit die Akzeptanzstellen bisher auf ca 50% schätzen. Ob das gut oder schlecht ist will ich nicht beurteilen. Dort wo es akzeptiert wird, funktioniert es zumindest, was mich sehr positiv stimmt :slight_smile:
Ich habe es mir natürlich auch nicht nehmen lassen die Chivo ATMs auszuprobieren. Man braucht eine Handynummer aus El Salvador, die man am ATM bestätigen muss und kann dann sowohl USD einzahlen und Sats auf sein Wallet schicken, als auch Sats verkaufen und sich die USD auszahlen lassen. Man brauchte keinen weiteren Ausweis und das Einzahlungslimit liegt bei 1000$. Um es auszuprobieren, habe ich für 10$ Sats gekauft und diese ohne Probleme an meine Blue Wallet schicken können. Die Preise waren ziemlich genau bei den Preisen auf den gängigen Börsen und man hat keine zusätzliche Gebühr zahlen müssen. Lediglich die Netzwerkgebühr wurde abgezogen, da es sich um eine On-Chain Transaktion handelt, eine Lightning Option habe ich leider nicht gefunden. Trotzdem war es ein sehr positives Erlebnis, da ich sonst von Automaten nur kannte, dass man mit extremen Margen bei den Preisen oder mit Gebühren abgezockt wird. Meiner Erfahrung nach bezahlt man an diesen Automaten beim Kauf von Sats wirklich nur die Transaktionsgebühr auf dem Mainnet. Auszahlungen habe ich bisher noch nicht probiert, das werde ich im Update nächste Woche dann berichten.
Generell habe ich mit vielen Leuten aus allen Altersgruppen gesprochen und bisher keine negativen Aussagen zu Bitcoin gehört. Teilweise hört man raus, dass damit versucht wird zu traden. Dass man also möglichst BTC kauft wenn der Preis stark gefallen ist und wieder verkauft, wenn der Preis ansteigt. Viele halten allerdings einfach das was sie von Touristen in Sats bezahlt bekommen und rühren es nicht an in der Hoffnung, dass es später mal mehr wird. Die meisten nutzen im Alltag weiterhin USD. Ganz vereinzelt habe ich „junge Männer“ getroffen, die wussten, wie es aktuell um die Inflation steht und die aktiv in BTC sparen. Sie nutzen weiterhin USD, aber alles was sie am Monatsende übrig haben, schieben sie in ihr Bitcoin-Wallet. Den Jungs habe ich natürlich auch ein bisschen mehr Trinkgeld dagelassen :slight_smile:
Ich würde sagen insgesamt ist die Akzeptanz von BTC in der Bevölkerung dort, wo man sie vermuten konnte. Viele beschäftigen sich nicht wirklich damit (wie in Deutschland auch), vereinzelt wird es genutzt und/oder spekuliert und ein paar wenige scheinen in Bitcoin eine mögliche bessere Zukunft zu sehen. Aber nochmals: Negativ, hat sich bisher NIEMAND zu Bitcoin geäußert!

Und abschließend noch zum aktuellen Stimmungsbild gegenüber dem Präsidenten. Das hat mich tatsächlich am meisten überrascht! In einer schwierigen Zeit, wo aktuell viele Länder ihre Bevölkerung „verlieren“ und ich persönlich kein Land kenne wo die Leute im kollektiv sagen: „Unsere Politik macht einen richtig guten Job!“, hört man in El Salvador Geschichten, die man kaum glauben mag. Egal ob alt oder jung, ob Frau oder Mann, ob Jemand der im World Trade Center in San Salvador arbeitet, oder die Frau die uns an einem Straßenrand in einem Dorf Pupusas verkauft hat, bisher haben ALLE von ihrem Präsidenten geschwärmt. Anscheinend war es aufgrund der Geschichte und der vergangenen Regierungen im Land nicht allzu schwer die Leute für sich zu gewinnen, man musste nicht mal viel richtig machen, sondern einfach nur nicht wieder alles falsch machen, wie die Vorgänger. Aber der insgesamt sehr positive Ton war dennoch beeindruckend. Von Stories, dass man während der Pandemie individuell von der Regierung Unterstützung bekommen hat, über die Auslieferung der Laptops (die pro Stück 440$ gekostet haben) für alle Schülerinnen und Schüler im Land, bis hin zu Leuten, die jahrelang die rivalisierende Partei von Bukele gewählt haben, bis sie seine Arbeit als Bürgermeister von San Salvador gesehen haben und seitdem für seine Partei sind. Interessant war auch, dass sich alle wünschen, dass er das Gesetz ändern könnte um weiterhin Präsident bleiben zu können (… stellt euch mal vor was die Weltmedien aus dieser News machen würden… „der Diktator ändert das Gesetz um an der Macht zu bleiben“…). Ich will nicht zu euphorisch werden, weil ich nicht weiß inwiefern ich als Ausländer nicht vielleicht doch in einer Bubble bin, und sich in der kommenden Woche sicher auch noch andere Stimmen finden lassen könnten, aber dieses eindeutige Bild habe ich so definitiv nicht erwartet!

Ich hoffe die kleinen Eindrücke gefallen euch. Ich werde in 1-2 Wochen noch ein Update zum Abschluss meiner Reise machen. Falls ihr Fragen habt, versuche ich die schnellstmöglich zu beantworten. LG aus dem warmen El Salvador :slight_smile:

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Vielen Dank für den interessanten Bericht!

Danke auch für deine Mühe, bin auf Folge gespannt.

Absolut! Mehr davon; gerne untermalt mit ein paar eindrucksvollen Fotos :slight_smile:

Danke für deine Mühe!

Ein Jahr später ist die Bitcoin-Adoption wie man so hört noch immer nicht viel weiter gekommen.

Aber es tut sich was.
Es ist auch zu hoffen, dass sie die hohe Kriminalität in den Griff bekommen.