Hallo, ich habe eine Frage zu Blockchains im Allgemeinen.
Eine essentielle Eigenschaft von Blockchains ist nach meinem Verständnis, dass alle Transaktionen von allen Teilnehmern eingesehen werden können. Während diese Transparenz zweifellos Vorteile (bspw. in der Verbrechensbekämpfung) hat und in gewisser Hinsicht auch notwendig ist, ist die Kehrseite jedoch auch eine abnehmende Privatsphäre.
Besteht daher nicht mit zunehmender Adaption auch ein enormes Riskio, dass der Zugang zu sämtlichen Transaktionen von Akteuren wie repressiven Regimen oder auch Unternehmen für eigene Zwecke missbraucht wird? So wie Google unser Konsumverhalten über Suchanfragen beeinflusst, könnte jeder über öffentlich zugängliches Zahlungsverhalten riesigen Einfluss über viele Menschen gewinnen.
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Das ist eine sehr gute Frage! Deine Adresse auf der Blockchain ist ähnlich zu sehen wie ein Pseudonym in Internet Foren oder Plattformen. Nur damit alleine kann niemand etwas anfangen.
Aber wenn man viele Informationen gleichzeitig erfasst und auswertet, inkl. gelegentlicher Datenleaks von Handelsplattformen und Wallet Herstellern, kann man sich ein gutes Bild von jemandem verschaffen und ihn evtl. sogar identifizieren.
Es gibt heute schon Firmen die sich auf solche On-chain Analysen spezialisiert haben. Manche dieser Firmen versuchen dadurch nur einen möglichst umfassenden, aber einigermaßen anonymisierten Überblick über das Marktgeschehen zu erhalten (z.B. Glassnode, Cryptoquant), um z.B. Kaufs- oder Verkaufs-Entscheidungen zu unterstützen.
Es gibt aber auch Analyse-Firmen, die sich u.a. auf On-Chain Analysen spezialisiert haben, um Behörden bei der Aufklärung von Verbrechen zu unterstützen (z.B. Chainalysis). Hierzu kann man z.B. nach Blockchain Analyse oder Forensik googeln.
Genauso kann man wie du schreibst davon ausgehen, dass Datenkraken wie Google, Facebook & Co On-Chain Transaktionen und Adressen hervorragend in ihre Gesamtanalyse von Personen einbinden würden.
Es gibt deshalb schon gewisse Ansätze, um Anonymität zu schaffen.
Manche Blockchains wie z.B. Monero oder ZCash versuchen Anonymität schon auf dem Main Layer zu integrieren („Privacy Coins“). Die Grundidee ist soweit ich weiß, dass Transaktionen zwar dezentral, also öffentlich validiert werden, aber aus den Transaktionen nicht alle Informationen herauszulesen sind; außer für die Transaktionspartner.
Damit kann man auf diesen Blockchains z.B. nicht sehen welches Guthaben auf den Adressen liegt und wieviele Coins transferiert werden.
Der Nachteil ist, dass schwerwiegende Bugs im Code evtl. nicht auffallen würden.
Andere Projekte versuchen deshalb die Anonymität nicht auf der Main Chain, sondern auf einem second Layer zu integrieren. Wenn du z.B. Bitcoin besitzt kann jeder sehen wieviele BTC auf deiner Adresse liegen und verschickt werden.
Wenn du BTC allerdings auf das Lightning Netzwerk transferierst, kann man in Zukunft erstens nicht sehen, dass du sie dorthin transferiert hast. Und zweitens gibt es in Lightning keine Blockchain, auf der Transaktionen gespeichert werden.
Technisch hört sich das alles interessant an. Allerdings denke ich persönlich, dass diese Anonymisierung zum aktuellen Zeitpunkt die Bitcoin Adoption durch große Staaten bremsen könnte. Den Staatsbehörden wäre es ein Dorn im Auge, wenn sie Transaktionen nicht mehr nachverfolgen können.
Aufhalten kann man Bitcoin dadurch nicht, im Gegenteil.
Naja, dazu habe ich mir mal folgendes überlegt. Mit BTC können zwei Personen Peer-to-Peer handeln, also direkt ohne eine Bank. Angenommen ich kaufe jemandem etwas ab (z.b. sein Auto) und bezahle ihn in Bitcoin. Was ist, wenn er plötzlich behauptet, bei ihm ist kein Geld angekommen und ich soll die Summe noch mal bezahlen? Wie könnte ich z.b. einer dritten Person (z.b. einem Richter) beweisen das ich ihm pünktlich sein Geld überwiesen habe, wenn alle Transaktionen verschlüsselt sind?
So kann ich einfach die Tx in einen Blockchainbrowser eingeben und jedem zeigen dass das Netzwerk meine Transaktion bestätigt habe. Dann steht nicht meine Aussage gegen seine, sondern meine Aussage + das gesamte Bitcoin-Netzwerk gegen seine.
Sicher könnte man noch das eine oder andere in Punkto Sicherheit verbessern, aber im Moment finde ich, dass die Anonymität für einen Normalbenutzer durchaus ausreichend ist. Sollten allerdings die Staaten ihre Überwachungsmethoden verschärfen, müsste auch Bitcoin nachziehen.
Du kannst das auch umgekehrt sehen:
Besteht daher nicht mit zunehmender Adaption auch eine enorme Chance, dass sämtliche Transaktionen staatlicher Akteure von seinen Bürgern kontrolliert werden?
Momentan ist das Problem auch nicht allzu groß. Wenn man aber weiter denkt und animmt, dass irgendwann die gesamte Weltwirtschaft auf Blockchains läuft, könnte die Summe an Informationen dann doch aufschlussreicher sein als einigen lieb ist, im positiven wie im negativen Sinne. Die große Menge and Informationen würde dann die Möglichkeit einer Überwachung bieten. Andererseits könnte totale Verschlüsselung wiederum jeder Kriminalität Tür und Tor öffnen.
Es ist eine verzwickte Lage (ähnlich wie die Diskussion ums Darknet/öffentliche Internet) und im Moment kenne ich keine dezentrale Lösung, die eine Balance aus Privatssphäre und Transparenz schafft. Entweder ist es vollkommen transparent, oder soweit verschlüsselt, dass man ungestört sein Unwesen treiben kann.
Das ist eine eher europäische Perspektive, da wir Rechtsstaaten haben, die sich größtenteils an Datenschutzgesetze halten, sodass man den Fokus auf die Chance der Demokratisierung legen kann. Wenn man sich jedoch große Geheimdienste anschaut oder Länder wie China, würde ich aber die akute Gefahr der Überwachung sicherlich nicht beiseiteschieben…
Jede neue Technologie hat immer Vor- und Nachteile. Man muss sich daher beide Seiten der Medaillle anschauen, um dann das Beste aus einer Technolgie machen zu können.
Moin zusammen,
ich habe eine Frage, die sehr gut in dieses Thema passt, aber die Situation nochmal genau umdreht.
Mittlerweile gibt es ja einige ziemlich verbreitete Mixer für den BTC Mainlayer, die die Transaktionsketten sehr undurchsichtlich machen und somit die Privatsphäre aller Teilnehmer schützen. Auch beim Lightning Netzwerk wird ja oft davon gesprochen, dass Transaktionen dort die Privatsphäre deutlich verbessern. Soweit so gut.
Jetzt hatte ich vor ein paar Wochen einen Fall in der Verwandtschaft, wo jemand auf einen Scam reingefallen ist und seine Sats (On-Chain) an einen Erpresser geschickt hat. Ich habe mir gedacht: joa alles klar, auf dem Mainlayer müsste man die Transaktionen ja verfolgen können, evtl lässt sich ja herausfinden, was dort passiert ist. Tatsächlich ließ sich nachvollziehen, dass es von der Ausgangswallet 2 Transaktionen gab und sich die Spur danach verlor, weil die nächste Adresse sekündlich ein- und ausgehende Transaktionen und zum damaligen Zeitpunkt mehr als 90.000 Bewegungen hatte. Ich gehe sehr stark davon aus, dass dies ein Mixer war. Ich könnte ggf auch den Link zur Wallet schicken, bin allerdings aktuell nicht zuhause, das könnte also ein paar Tage dauern.
Unabhängig davon, ob es wirklich ein Mixer war oder nicht: Man hört ja oft, dass es keinen Sinn macht BTC für kriminelle Machenschaften oder sogar Terrorfinanzierung zu nutzen. Gleichzeitig predigt man (zurecht), dass man immer mehr Services bzgl der Förderung der Privatsphäre braucht. Widerspricht sich das nicht iwo und deckt man mit den Features für Privatsphäre nicht doch auch iwie die Kriminalität? Wie kann ich meinem Bekannten erklären, dass die Mixer wichtig für die Privatsphäre sind, wenn er damit gleichzeitig ein Argument haben wird, dass BTC eben doch sehr interessant für Kriminelle ist?
Ich frage auch im Hinblick auf die Zukunft. Aktuell sind die Volumen der Mixer vllt noch überschaubar und nicht interessant für die großen (kriminellen) Fische. Was passiert aber, wenn in Zukunft immer mehr Menschen Mixer nutzen, und es auch möglich wird große Mengen Geld unbemerkt waschen zu können.
Bin gespannt was ihr dazu sagt, denn ich sehe hier auch relativ großes FUD Potenzial für die Zukunft…
Ich wünsche euch einen schönen Tag
Doch, natürlich widerspricht sich das.
Oder besser ausgedrückt, Privatsphäre und Kriminalitätsbekämpfung sind zwei gegenläufige Ziele, die zu einem Zielkonflikt führen. Da sie also nicht zu 100% miteinander vereinbar sind, muss man bei beiden Abstriche machen, um einen verhältnismäßigen Kompromiss zu finden.
Ich zitiere dazu mal einen anderen meiner Beiträge.
Jeder Mensch sieht ein anderes Optimum von Verhältnismäßigkeit. Die Linken wollen viel Kontrolle durch den Staat, die Libertären am besten gar keine.
Das führt zu Diskussionen und Streit.
Du kannst deinem Bekannten eigentlich nur die Überlegungen von oben erklären und ihn fragen, was für ihn persönlich verhältnismäßig ist.
Mir ist aber schon oft aufgefallen, dass eine Diskussion über Freiheit mit den meisten Leuten heutzutage sehr schwierig ist. Viele sehen einen direkt als Verschwörungstheoretiker und erklären einem, dass es uns in unserem freien Land doch so gut geht. Irgendwann kommt der Spruch: „Es ist doch gut, wenn man möglichst viele Kriminelle erwischt. Wenn man nichts zu verbergen hat, kann einem mehr Überwachung doch egal sein.“.
Hier hilft es nicht, auf Teufel komm raus überzeugen zu wollen. Solche Gedanken zu Freiheit und echter Toleranz müssen reifen.
Natürlich geht es uns relativ gut, da unsere Vorfahren Jahrhunderte für Freiheit gekämpft haben. Aber wenn diese peu a peu wieder eingeschränkt wird, fällt es den meisten gar nicht auf. Man ist froh, dass sich der Staat um alles Lästige kümmert, solange es einem relativ gut geht.
Eines solltest du dir immer wieder klar machen:
Auch wenn du nichts zu verbergen hast, geht den Staat dein Privatleben erst einmal überhaupt nichts an. Davon musst du auch niemanden argumentativ überzeugen; es geht einfach keinen etwas an!
Hierzu noch ein Zitat, das zu einem ähnlichen Thread führt:
Wenn andersherum der Staat einen Trade-off deiner Privatsphäre oder Freiheit mit anderen Aspekten eingehen möchte (z.B. Kriminalitätsbekämpfung, Abgaben, Impfquote etc.), muss die Verhältnismäßigkeit untersucht und diskutiert werden.
Diese Art von FUD, Bitcoin unterstütze die Kriminalität, gibt es doch schon lange.