Tatsächliche Inflation?

Servus beinand!

Habe schon mehrfach in Videos von einer tatsächlichen Inflation von 7% gehört.

Wollte dem Ganzen mal selber auf den Grund gehen, aber das hat sich als gar nicht so einfach erwiesen weil ich meist nur die „beschönigten“, offiziellen Inflationszahlen finde.

Meine einzig mögliche Erklärung bisher:
In den Videos ist bei Inflation die Geldmengenausweitung und nicht die Preissteigerung gemeint.
Würde auch am meisten Sinn machen, weil die höheren Preise ja nur das Ergebnis der Inflation sind.
Bei Statista z.B. wird aber im Zusammenhang mit Inflation die Preissteigerung der Güter (aus dem Inflationswarenkorb) angegeben.

Und zwischen 2,4% und 7% ist doch ein beachtlicher Unterschied.

Und ich habe nur für Deutschland gesucht. Nicht Amerika und nicht die ganze EU.

Übersehe ich irgendwas oder hat jemand Erkenntnisse zu dem Thema?

Danke schonmal und Grüße aus München :v:

Also die Diskussion ob es jetzt 2.4% oder 7% ist, ist jeweils um die Preissteigerungen, denn da kommt es extrem darauf an wer den Warenkorb macht (und was der drinnen hat).

Bei der Geldmengenausweitung gibt es keine Diskussion und du kannst die Daten schwarz auf weiss nachschlagen - die werden veröffentlicht.

Z.B. Auf TradingView nach „M2 Germany“ suchen:

Die Gewichtung im Warenkorb - also von was wieviel bewertet wird - ist entscheidend. Nimmt man nur einen Teil bekommt man ganz andere Ergebnisse:

Ja, es ist entscheidend, wie du Inflation genau definierst.

Wenn du dir einen Warenkorb definierst, dann kannst du fast beliebige Inflationswerte angeben. Das liegt daran, dass der Warenkorb einen Durchschnittsmenschen definiert, aber was genau ist ein Durchschnittsmensch? Es gibt also millionen Stellschrauben, an denen du drehen kannst um dein Ergebnis zu beeinflussen.

  1. Die Auswahl der Produkte, die in deinen Warenkorb liegen: Aktien und Immobilien sind da soweit ich weiß nicht drin, obwohl sie durch die Inflation mit am stärksten gestiegen sind. Das macht die Offiziellen zahlen künstlich klein. (Aber Mieten sind vorhanden)
  2. Die Gewichtung der Produkte: Wenn Döner übermäßig teurer geworden sind, dann kaufen die Menschen weniger Döner und der Durchschnittsmensch isst eben weniger davon. Damit geht die Teurungsrate von Döner aber nur sehr gering in die Inflationszahl ein. Andere billigere Nahrungsmittel werden dafür mehr gekauft. Irgendwann in der Zukunft, wenn auch die normalen Nahrungsmittel teurer geworden sind, sodass ein Döner im Vergleich wieder billig erscheint, dann essen die Menschen wieder mehr Döner, weil er weniger teurer geworden ist als andere Nahrungsmittel. Dann wird er in der Statistik auch wieder mehr berücksichtigt. Aber damit geht die Teuerungsrate der anderen Nahrungsmittel wieder nicht ein, weil diese ja dann Untergewichtet werden. Durch diesen Effekt misst man selbst ohne gewollter Statistikmanipulation immer eine geringere Inflationsrate. Das liegt daran, dass wenn Produkte sprunghaft teuer werden, dann werden sie übertrieben gesagt aus der Statistik genommen weil ein Durchschnittsmensch diese dann nicht mehr kauft.
  3. gezielte Manipulation: In Amerika gab es letztens den Fall, dass die Krankenkassen deflationär in die Statistik eingegangen sind, obwohl sich alle Arztrechnungen verteuert haben. Begründet wurde dieses Statistikwunder glaub ich irgendwie mit Steuererleichterung für die Krankenkassen. Aber auch der Ausgleich saisonaler Schwankungen (in anderen Statistiken wie das Birth-/Death-Modell der Arbeitslosenzahlen, wo anhand der Firmenpleiten und Neugründungen die Arbeiterzahl geschätzt wird, die dazu oder weg gehen vom Arbeitsmarkt, was auch hochgradige Glaskugelleserei ist)

Es gibt nicht umsonst den Spruch: Traue keiner Statistik, die du nicht selber gefälscht hast. Gerade wenn in so eine einzige Zahl Millionen von kleinen Werten einfließen, dann kannst du selbst wenn du nicht vor hast zu manipulieren gigantische Unterschiede zwischen verschiedenen Berechnungsmethoden sehen. Das liegt daran, dass jede Kenngröße ein anderes Modell benötigt um diese Kenngröße zu bekommen. Und verschiedene Menschen haben eben nuneinmal verschiedene Modelle oder Ansichten von der Welt.

Das eigentliche Problem ist ja nicht, dass versucht wird die Inflation in Zaheln darzustellen sondern dass diese Zahlen als fest gültig und ohne Fehler dastehen. Vernünftige Angaben wären mit einem Fehlerbalken versehen, indem man z.B. wenigstens verschiedene Inflationsmodelle miteinander vergleicht. Die größte Täuschung ist also das Fehlen von Fehlerangaben oder Unsicherheitsbereiche, die bei der Inflation sicherlich im Bereich von 50% bis 100% des eigentlichen Inflationswertes liegen, also in absoluten Teuerungsraten einige ganze Prozent groß sind.

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Danke für die Antworten!

Finde es erschreckend, wie man bezüglich Inflation trickst und versucht alles schönzureden.
Einige der Tricks (teilweise oben schon genannt) werden in dem Artikel auch ganz gut beschrieben:

https://www.ugoed.at/die-inflations-luege/

Auch wenn der Artikel Österreich betrifft, funktioniert das bei uns genauso und man könnte meinen, die Bevölkerung wird an der Nase herumgeführt und dumm gehalten :thinking:

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Ja das stimmt, ein weiteres Beispiel aus Deutschland:

Irgendwo im Video (hab ich schon vor Jahren gesehen) wird erklärt, dass die Erzieher seid 2005 für steigende Löhne kämpfen. Sie „freuen“ sich bis 2022 eine Gehaltssteigerung von 67% erstritten zu haben. Sie mussten also dafür kämpfen um mit der Inflation mithalten zu können und dürfen sich glücklich schätzen wenn ihnen diese gewährt wird (natürlich mit Zeitverzug, sodass sie trotzdem weniger Geld haben.)

Wenn man jetzt aber bedenkt, dass die offiziellen Inflationszahlen sogar künstlich niedrig sind, dann wurde die Bezahlung der Erzieher über die Zeit sogar geringer. Das Perfide daran ist, dass sie ja nominell mehr Geld bekommen, aber wenn sie weniger mehr Geld bekommen als alle anderen Güter und Dienstleistungen teurer werden, dann werden sie trotzdem im Vergleich zu den Anderen immer ärmer.

Das Problem sehen wir überall: Schulen, Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Bauarbeiter,… Auch wenn die Menschen nicht genau erkennen, warum sie ärmer werden, irgendwann bemerken sie, dass sie ärmer geworden sind.


https://www.shadowstats.com/alternate_data/inflation-charts

Ich glaube nicht mal, dass die falschen CPI Zahlen bewusst böse Absichten haben. (Man muss ja auch sagen, dass es z.B. schwer/unmöglich ist, für die gesamte Bevölkerung die schrumpfenden Kosten von Kino/Videothek und Netflix konkret zu benennen)

Man bekommt sehr viel Geld für diesen Job und will zeigen, dass man es kann. Dazu nutzt man die Möglichkeiten, die einem zur Verfügung stehen und rechnet es sich schön. Macht wahrscheinlich jede Abteilung eines größeren Unternehmens genau so. Anreize. Aber zentrale Planung wird langfristig immer scheitern.

Wenn’s ums schönreden der Inflation geht, ist das „Hedonic adjustment“ mein Favorit.

Hier wird argumentiert, dass wenn sich die Qualität einer Ware oder Dienstleistung ändert, dann sollte man dies mit rechnen.

Beispiel:
Wenn ein Auto vor 50 Jahren und heute in Euro gleich teuer geblieben ist, dann wird argumentiert dass es tatsächlich günstiger geworden ist weil du heute ein besseres Produkt erhältst. Es wird argumentiert, dass du jetzt nicht nur ein einfaches Auto kriegst, sondern auch noch: ein ABS, Airbags, Klimaanlage, Tablet in dem Armaturenbrett,…

Besonders krass wird das bei Tech-produkten diese werden ja praktisch alle par Jahre doppelt so Leistungsfähig.

Servus Wastl,

das Thema Inflation ist sicherlich eines der zentralen Themen und vielleicht sogar das wichtigste.

Genau. Und oft redet man aufgrund unterschiedlicher Definitionen aneinander vorbei… Ich persönlich vermeide in Gesprächen mittlerweile das Wort Inflation soweit es geht und spreche stattdessen von Geldmengenausweitung oder Preissteigerung bzw. Teuerung (wobei die Ausweitung der Geldmenge freilich eine (und durch die „österreichische“ Brille betrachtet, auch die Haupt-) Ursache für die allgemeinen Preissteigerungen ist; oder frei nach Rahim Taghizadegan: Wenn fast alles, fast immer teurer wird, ist das Problem sehr wahrscheinlich ein systemisches).

Jedenfalls finde ich beide Betrachtungen, sowohl die der Geldmengenausweitung, als auch die der Preissteigerungen eines Warenkorbes, Baupreisindexes etc., als Orientierungshilfen völlig legitim, wenn auch für meine ganz persönlichen Ziele äußerst ungenau, um nicht zu sagen irreführend. Oder wie @DasPie bereits sagte:

Und genau aus diesem Grund finde ich die Sichtweise eines Michael Saylors sehr interessant: Inflation als Vektor (und eben nicht als Skalar). Denn so wird schnell deutlich, dass jeder Mensch von seiner ganz persönlichen „Inflation“ getroffen wird – je nachdem, welche Güter und Dienstleistungen er eben nachfrägt (ganz gleich ob in einem vordefinierten Warenkorb eines „Durchschnittsbürgers“ enthalten oder nicht) und je nachdem wie teuer diese im Zeitverlauf wurden. Es ist im Grunde die individuellste Sicht auf „die Inflation“ – einzig von den eigenen, ganz persönlichen Bedürfnissen/ Wünschen (also Deiner Nachfrage) abhängig.
Vielleicht hilft Dir mein Beitrag ja etwas weiter.

That’s the point!

Es gibt keine Werte ohne Fehler. Angaben ohne Unsicherheiten sind praktisch wertlos.

Ich finde das Bild ehrlich gesagt gar nicht so gut. Beziehungsweise für den Leihen so einfach zu verstehen.

Letztlich soll doch vorallem deutlich gemacht werden, dass Inflation nicht statisch ist, sondern sich an unterschiedlichen Orten zu unterschiedlichen Zeiten für Personen individuell ändert.

Ein einfacher Zahlenwert (Skalar) also nicht ausreichend ist.

Heißt im Bild des Vektors gibt es einen Vektoraum über den „Körper“ der Inflation in einem n-dimensionalen Raum mit (un)endlich vielen Faktoren, die die eigene Inflation darstellen.

Jetzt mag mir das zwar für jedes Individuum einen Vektor geben, aber dieser hat sicher für jedes Element Variablen die zeitabhängig sind. Und was mache ich am Ende mit dieser gerichteten Größe und was sagt die Länge dieses Konstrukts eigentlich noch aus.

Vielleicht habe ich auch einen Denkfehler und andere finden dieses Bild offensichtlicher. An der Stelle bin ich für Gedankenstützen dankbar.

Ich finde auf jeden Fall, dass es das nicht schnell klarmacht, wenn man anfängt über den Begriff des Vektors nachzudenken.

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Ja da könntest Du natürlich Recht haben. Und zugegebenermaßen ist das auch eine recht ingenieursmäßige (aber für den „Raketenwissenschaftler“ Saylor sicherlich passende) Metapher, die vielleicht auch nicht von jedem und zudem noch schnell verstanden wird (wobei ich nicht einmal behaupten würde, dass auch ich sie richtig/ komplett verstanden habe, denn über die Länge meines Vektors habe ich mir bisher auch noch keine Gedanken gemacht (Ok, aber das klingt jetzt auch irgendwie falsch :laughing:).
Aber Spaß beiseite. Jedenfalls finde ich – wie oben kurz angeschnitten – dass die Saylorsche Betrachtungsweise zumindest eine interessante Gegenposition zu dem allgemeinen (volks-) wirtschaftlichen Versuch, „die eine Inflation“ als einfachen Zahlenwert darzustellen (der darüber hinaus noch „ohne Fehlerangaben oder Unsicherheitsbereiche“ präsentiert wird), liefert. Das finde ich kommt bereits durch „Inflation ist kein Skalar“ zum Ausdruck. Und das Bild der „Inflation als (n-dimensionalen) Vektor“ zeigt die persönliche (von n-Faktoren abhängige) „Inflation“. Aber klar, vielleicht gibt es dafür auch bessere Metaphern… Denn wie Du ja selbst geschrieben hast

Voll, da gehe ich komplett mit. :slight_smile:

Habe dann nur mal über den Vektor nachgedacht und so super intuitiv erschien mir das auf Anhieb nicht. :smiley:

Ja, es ist irgendwie schon merkwürdig wie relevant „Inflation“ auf eine Art ist und praktisch allgegenwärtig. Und dennoch so wenig Verständnis herrscht.

Ich bin immer komplett getriggert, wenn es nach einem Jahr hoher Inflation heißt, dass die Inflation wieder ihren Zielzustand von 2% erreicht hätte, aber völlig außen vorgelassen wird, dass sich die Angaben aus dem Monat aus dem Vorjahr beziehen. Das heißt, dass die reale Inflation eben immer noch deutlich höher ist und eigentlich hätte negativ werden müssen, um langfristig eine Inflation von 2% p.a. zu erreichen.

(Wobei man selbstverständlich darüber streiten kann, weshalb wir diese „Ziel“ überhaupt verfolgen.)

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