Dann vielleicht das hier als Verdeutlichung: Wo ist der qualitative Unterschied, Zinsen zu nehmen und damit eine Bezahlung der Dienstleistung zu bekommen, die unabhängig davon ist, was der Kreditnehmer mit dem Geld macht, oder ob der Bänker eine Gewinnbeteiligung bekommt und somit sein Einkommen erhöht?
Du sprichst aber einen guten Punkt an. Geld ist ein Machtmittel, eine Machtform. Aber Geld ist nicht die einzige Machtform. Ein fairer Tauschhandel bedeutet, das man eine Machtform verliert und eine gleichwertige Machtform bekommt.
Zinsen haben persee ersteinmal keine Machtkonzentration zur Folge, wenn sie fair sind. Es gibt eine Machtkonzentration, wenn der Bänker mehr Macht bekommt als er wieder abgibt. Das wäre ein unausgeglichener Handel, weil der Handelspartner entsprechend mehr Macht verlieren muss. Aber der Bänker wird ja nicht einfach so aus dem Nichts mächtiger. Wenn er mächtiger wird, sammelt er die Macht anderer Menschen ein, die entsprechend ärmer werden. Der Andere Mensch will das also nicht und wenn das Geldleihen dementsprechend schlecht bewertet wird, dann wird der Kunde diesen Handel wahrscheinlich nicht eingehen. Auf jeden Fall nicht freiwillig.
Aber ist das bei Zinsen so? Ein Kredit kann fair sein, wenn der Kreditnehmer diesen Kredit freiwillig eingeht. Natürlich geht dann Macht vom Kreditnehmer zum Bänker über, aber das macht der Kreditnehmer ja nicht ohne Hintergedanken. Man leiht sich ja nicht Geld, um es einfach nur Jahrelang rumliegen zu lassen und Zinsen zu bezahlen. Nein, man benutzt das Geld und bekommt Voreile für sein Leben: Ein neues Haus, eine Geschäftsidee… Wenn dieser Gegenwert also den Wert der Zinsen übersteigt, dann hat der Kreditnehmer auch an Macht gewonnen, selbst wenn er dem Bänker etwas davon abgeben muss. Und da der Kreditnehmer das Freiwillig eingeht ist das ein fairer Handel, von dem beide Handelspartner profitieren.
Solange das Verleihen von Geld also kein Wucher ist, also extreme unverdiente Zinsen, was gut für den Bänker aber schlecht für den Kunden ist, genauso wie garkeine Zinsen, was schlecht für den Bänker ist aber gut für den Kunden, und sich beide Handelspartner einig sind, solange ist der Handel fair und ausgeglichen. Das führt nicht zur Machtkonzentration weil keiner von beiden Parteien verhältnismäßig mehr Macht bekommt als der Andere.
Woran liegt es also in unserem Geldsystem, dass die Bänker aktuell mächtiger werden? Am Cantilioneffekt und Inflation. 2% Inflation bedeutet, dass das Geld im Jahr 2% entwertet. Gleichzeitig bedeutet es, dass alle Sachwerte, also alles, was nicht Geld ist: Häuser, Dienstleistungen, Firmen, Gold, Rohstoffe usw. Alles wird um diese 2% aufgewertet.
Stell dir vor, du hast 1 Haus und die Bank hat 1000 Häuser, jedes kostet zur Vereinfachung genau 100.000€. Nach 2% Inflation ist dein Haus 2.000€ mehr Wert, ohne dass du was dafür getan hast. Aber die Häuser der Bank sind auch alle um 2.000€ teurer geworden, aber die Bank profitiert 1000 mal davon. Während du also mit einem Haus 2.000€ bekommst, macht die Bank 2.000.000€ Gewinn. Das ist der eigentliche Treiber, warum die Schere zwischen Arm und reich immer größer wird. Die Reichen besitzen kein Geld, die Reichen besitzen Sachwerte umgerechnet in Geld, die mit der Inflation ansteigen! Inflation ist also eine große Umverteilung von den Geldbenutzern zu den Sachwertbesitzern. Denn Für alle Rohstoffe, Jede Firma usw gilt das gleiche Prinzip. Und diese Umverteilung ist der Machtfluss, warum unser Finanzsystem aktuell so unfair ist. Das eigentliche Prinzip hat aber nicht wirklich viel mit dem Zins zu tun, der für die Kredite bezahlt werden muss.
Ja der Zins mit Zinseszins bildet eine Exponentialkurve. Aber diese Schlägt nur zu, wenn man immer neue Schulden macht ohne diese irgendwann mal zurückzuzahlen. Normalerweise würde eine Bank jemanden mit solchen Schulden kein Geld mehr leihen weil das Risiko das Geld nicht mehr zurück zu bekommen sehr groß ist. Alleine das würde das exponentielle Wachstum bremsen.
Das exponentielle Geldwachstum heutzutage hat also nicht viel mit dem Zins zu tun. Es ist geldpolitisch gewollt, dass die Geldmenge steigt und es Inflation gibt, weil die Sachwertbesitzer mit Aktien, Immobilien davon profitieren. Jeder, der in diesem System nicht mitmacht und selber schulden aufnimmt wird somit von der Inflationsumverteilung bestraft und bezahlt die Zeche der Kreditnehmer. Aber das ist nicht die Schuld der Zinsen, sondern der Geldpolitik und den großflächigen Anreitzen, immer mehr Geld als Schulden aufzunehmen und somit Sachwerte zu kaufen. Wenn die Zinsen größer wären, dann würden die Kreditschulden zurückgezahlt werden und die Inflation würde enden. Das ist aber nicht im Sinne der geldpolitischen Akteure.
Die Machtkonzentration hat wie gesagt andere Gründe als einfache Kreditzahlungen. Stichwort: mikroskopische Machtfrage einer einzelnen Zinshandlung vs makroskopische Machtfrage von allen Krediten zusammen (Geldmenge.) Die Bänker können heutzutage dank Inflation trotzdem mächtiger werden obwohl sie nicht mehr viel durch direkte Zinsen verdienen können.
Das Geldsystem hat sich eigens dafür gebildet um losgelöst vom Geschäft zu sein. Ohne ein Geldsystem wären wir noch beim einfachen Warentausch und ein Bäcker müsste z.B. darauf warten, dass ein Dachdecker mal 1000 Brötchen haben will bevor er die Backstube neu ausbaut. Also natürlich kann man unmoralische Dinge tun wie einen Krieg finanzieren oder Prostituierte kaufen. Was aber moralisch OK ist und was nicht, das sollte die Gesellschaft entscheiden und nicht das Geldsystem vorgeben. Moralisch könnte man genauso sagen, dass es unmoralisch ist einem Jäger das totgeschossene Wild abzukaufen.
Nein, das Geldsystem ist grundsätzlich wichtig für die menschliche Arbeitsteilung weil die Leistungen zwischen den Menschen damit bewertet werden und somit fair gestaltet werden können. Dazu gehört genauso die Dienstleistung des Geldverleihens. Faire Tauschhandlungen haben nichts mit Machtkonzentration zu tun weil immer gleichwertige Machtformen ausgetauscht werden.
Was viele aber bei der Analyse des Geldsystems vergessen sind die Gegenwerte des Geldsystems. Alle Gegenwerte kann man mithilfe von Marktbewertungen in die Machtform Geld umrechnen, das lässt diese Gegenwerte aber nicht verschwinden. Ein Geldverleiher hat auch Kosten, die er mit dem Verleihen bezahlen muss: Stromrechnung, Personal usw. Diese Ressourcen müssen genauso irgendwie bezahlt werden bzw. kosten dem Bänker an Macht, die er z.B. durch Zinsen einnehmen muss. Diese Machtkosten verringern die Macht des Bänkers wieder und gehen somit in den Kreislauf der Wirtschaft wieder zurück.
Und ich muss dir widersprechen: es gibt keine risikolose Finanzierung, schon gar nicht für Krieg. Wenn es Krieg gibt, dann gibt es Mächte, die diesen Krieg auch wollen. Und ja, die Geldpolitiker profitieren von dem Krieg, es gibt mehr Inflation und somit mehr Umverteilung für die Bänker. Ich stimme dir zu, dass es nie gut sein kann, wenn sich (Macht-)Monopole bilden wie z.B. Zentralbanken. Aber daran sind nicht die Zinsen schuld. An Zinsen verdienen die Banken schon lange nichts mehr bzw. konnten größtenteils nichtmal ihre eigenen Ausgaben damit decken.
Und Inflation ist nicht die Folge von Zinsen. Ehr im Gegenteil: Wenn die Zinsen sehr niedrig sind (z.B: garnicht vorhanden wie die katastrophale Nullzinspolitik des letzten Jahrzehnts), dann gibt es mikroökonomisch für jeden Menschen extreme Anreize viele Kredite aufzunehmen, sich billiges Geld nehmen, davon Sachwerte kaufen die mit der Inflation steigen, und sich dann zurücklehnend zusehen wie das eigene Vermögen durch Inflation steigt. Die Geldmenge wird dadurch also ausgeweitet umso mehr Menschen, Firmen oder Staaten das machen.
Sind die Zinsen extrem hoch, dann passiert exakt das Gegenteil. Man muss ja jetzt all seine tollen Gewinne an die Bänker abgeben, also verkauft man die Sachwerte und zahlt die Kredite zurück. Die Geldmenge sinkt dann also.
Mit diesem Prinzip sind die Zinssätze sogar antikorreliert zur Geldmenge und ohne Steuerung einer Zentrale wäre das eine gute Marktregulierung vom Markt selber. Mit der Steuerung ist es einfach nur eine WinWin-Situation. Also jeder Gewinn und alle die nicht mitmachen verlieren entsprechend.
Das ist das Problem des Fiat-Geldsystems, Nicht die Zinsen. Und auf diese Zentralisierung der Macht kommt dann dein richtiges Argument, dass die Mächtigen Krieg spielen können wie sie wollen und das mit dem Geldsystem und der Inflation problemlos auf die Bürger umlegen können, die das dann mit Inflation bezahlen. Aber auch dazu benötigen die Mächtigen kein Zins. Eigentlich wie oben gesagt genau das Gegenteil: Der Zins hält das System immer noch notdürftig zusammen, ohne Zins und beliebig billigen Krediten hätten wir schon eine deutlich höhere Inflation. Der Zins gibt dem Geldsystem ein Teil des Wertes weil der Zins die Kreditmenge und somit die Geldmengenausweitung begrenzt.