Na jetzt hast du mich aber getriggert!
Schauen wir mal, ob ich kann.
Ich habe mir jetzt den Thread relativ umfassend durchgelesen, natürlich die Eingangsposts und jeden Post bei dem das Stichwort Lightning vorgekommen ist und die Antworten darauf.
Disclaimer:
- Ich kann hier gerne die Lightning-Sicht einbringen. Ich habe einige Bolts (die Lightning-Spezifikation) und natürlich viele Artikel gelesen, und ich habe einige Monate Erfahrung als Routing-Node-Betreiber.
- Die Bankenwelt (SWIFT & Co) kann ich nur bedingt abdecken, ich habe zwar auch schon als Berater für Banken gearbeitet, aber nicht im internat. Zahlungsverkehr.
- Die Ripple/XRP-Welt kann ich gar nicht abdecken (habe gerade eben durch den Thread hier mehr zu dem Thema gelesen als in den letzten Monaten zusammen)
Surely not: Deinem Zirkelschluss werde ich sicher nicht zustimmen!
Hier ein paar Argumente zum Thema Lightning:
Lightning benötigt Liquidität
Ja, Lightning braucht Liquidität. Insoferne funktioniert es ähnlich wie SWIFT mit seinen Nostro-/Vostrokonten und Korrespondenzbanken. Die Nostro-/Vostrokonten entsprechen der Liquidität in den Kanälen und die Korrespondenzbanken entsprechen den anderen Nodes, also die „Hops“ bei einer Lightning-Zahlungstransaktion.
Wobei die Analogie zu Nostro/Vostro nur so halb passt: Denn Nostrokonten sind eigenes Geld bei einer fremden Bank. Und Vostrokonten sind fremdes Geld bei der eigenen Bank. Bei Lightning ist die eigene Liquidität im gemeinsamen Kanal das eigene Geld, aber man benötigt fremde Lquidität im gemeinsamen Kanal um etwas erhalten zu können. Aber das lässt sich zu jederzeit über die Blockchain auflösen. Man hat also nie offene Verbindlichkeiten.
Lightning-Transaktionen sind final (inkl. Settlement)
Allerdings ist bei Lightning Settlement integriert, während SWIFT eben nur Nachrichten hin-und-her schickt.
Lightning funktioniert auch ohne Vertrauen
Bei Lightning wird kryptografisch (und mit einer Portion Spieltheorie) sichergestellt, dass niemand betrügt. Dadurch benötigt es zwischen den Teilnehmern nicht zwingend Vertrauen. D.h. ich kann auch zu einer Bank in Timbuktu einen Channel aufmachen, ohne dass ich die Geschäftsbeziehung zuerst durch aufwändige Verträge und nachträgliche Gerichtsverfahren (wenn etwas schief geht) administrieren muss.
Bitcoin und Lightning ist dezentral
Aus dem obigen Punkt folgt, dass der Bitcoin/Lightning-Ansatz natürlich deutlich dezentraler ist als es Ripple/XRP jemals sein kann. Nicht vergessen, jeder kann bei Lightning mit minimalem Investment mitmachen.
Natürlich kann auch eine Bank mitmachen (hoffentlich mit einem guten betrieblichen Konzept und viel Liquidität), aber die Fritzi von Gegenüber kann eben auch, wenn sie will.
Es spricht auch nichts dagegen Verträge zwischen Lightning-Peers zu schließen. Man kann private Kanäle aufmachen und es gibt sogar „Hosted“ Kanäle: Dabei können sich die beiden Partner darauf einigen ein „Buch“ zu führen ohne dass sie Liquidität in Form von BTC in die Blockchain legen müssen. Natürlich kann dann die Blockchain dann nicht den „Schiedsrichter“ übernehmen, aber wer will kann.
Dinge die in Lightning-only (noch) nicht gehen:
- Mit Lightning kann man natürlich nicht Fiat umtauschen. Aber das ist ja auch nie das Ziel von Lightning gewesen. Das spricht auch nicht gegen eine Verwendung im Interbanken-Bereich. Man muss es eben so wie Strike machen, konvertieren, per LN übertragen und wieder konvertieren.
- Der ganze Bitcoin-Stack ist nicht nur dezentral im Betrieb sondern auch dezentral in der Spezifikation und bei der Entwicklung. Der Bitcoin-Stack entwickelt sich entlang der aktuellen Constraints. Als in der Blockchain immer genug Platz für alle Transaktionen war, gab es keinen wirklichen Bedarf für Lightning, seit einigen Jahren gibt es den und so entwickelt sich Lightning derzeit sehr schnell und dynamisch. Aber trotzdem ist das noch alles „Work in Progress“.
- Die Lightning-Software (egal welche) ist noch „Beta“. Natürlich kann man das jetzt nicht nutzen um von heute auf morgen den gesamten Interbanken-Markt abzuwickeln. Aber das gilt bestimmt auch XRP/Ripple, da gibt es bestimmt genug Edge-Cases die derzeit noch Probleme machen würden und man muss sich ja auch erst an ein System anbinden und die internen Prozesse abbilden.
Ein Blick in die Zukunft:
Ich kann mir gut vorstellen, das unterschiedliche Crypt/Blockchain-Projekte von Banken in den nächsten Jahren getestet und auch im Echtbetrieb genutzt werden. Aber meine Wette ist Bitcoin. Keine Ahnung wie lange es dauert, aber ich denke es läuft alles auf Bitcoin hinaus. In 10 Jahren wird Bitcoin vermutlich noch sehr ähnlich funktionieren wie heute, aber Lightning und andere 2nd-Level-Projekte werden kaum mehr wiederzuerkennen sein. Sie werden mit den Anforderungen wachsen und gedeien.
Die Zukunft is dezentral. Banken sind willkommen und dürfen da auch mitmachen, aber sie geben nicht mehr die Regeln vor.