Danke für dein Feedback.
Das Kamingespräch ist bislang nicht erschienen, soweit ich weiß - daher kann ich dazu keine Aussage treffen.
Zum Vortrag und dem Q&A möchte ich dennoch einige Anmerkungen geben, da ich dein „Sehr gut“ nach dem schauen nicht so ganz nachvollziehen kann (PS: der Rest des Posts bezieht sich nicht als Antwort auf dich, sondern ist allgemein meine Einschätzung des Vortrags):
Zum Ansatz:
- er hat Pro-Bitcoin Argumente auf Twitter gesammelt (mit welchen er angegriffen wurde), welche er kritisch begutachtet und darauf basierend ein Buch geschrieben hat
→ aus meiner Sicht eine fragwürdige Quelle, denn auf Twitter wird auch viel Unsinn rausgehauen
→ er sagt auch, dass es ihm nicht um die Bitcoin Technik geht, da hier das Publikum ihm deutlich voraus sein dürfte
Positiv:
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Prof. Rieck stellt Gemeinsamkeiten mit den Ansichten der Bitcoiner vorne an:
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freiheitliches Geld ist gut
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objektive Wertlehre ist falsch (Arbeitswertlehre)
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auch MMT kritisiert er deutlich
→ das zeigt Respekt und versucht erst einmal eine gemeinsame Basis zu schaffen.
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er geht darauf ein wie aus vielen subjektiven Bewertungen ein „objektiver“ Marktpreis zustande kommt und stellt die Sicht der klassischen Finanzbewertung dar
Fragwürdig:
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Definition von „Investitionen“ als Aufsparen und später mehr haben, da dies eigentlich die Definition von kontinuierlichem Sparen ist. Aus meiner Sicht sind Investitionen die Bereitstellung von Geld/Ressourcen für die Erstellung von Gütern und Dienstleistungen, welche später mehr Ertrag bringen sollen. Damit stehen sie im Augenblick der Ausgabe nicht dem „Konsum“ zur Verfügung. Sie beinhalten aber auch das Risiko eines Verlusts, was beim Sparen nicht passieren kann/sollte.
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die Slides mit „Handarbeit“ bieten keinen Mehrwert, da sie quasi nicht lesbar sind. Wenn er sowas live erstellt, wäre das noch nachvollziehbar aber auf einem vorbereiteten Slide hat so ein Krickelkrakel nichts zu suchen - die 10 Min. Aufwand wären wohl drin gewesen, um hier verständliche Grafiken zu liefern
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Differenzcashflow definiert als die Differenz zwischen 2 Zuständen (als Bsp. Briefkommunikation auf E-Mailkommunikation umgestellt), welche final eine Kostenersparnis bringt.
Mir persönlich ist dieser Begriff noch nicht über den Weg gelaufen. Es scheint mir eher eine Umformulierung von Opportunitätskosten zu sein, welche in sein Gedankengebäude des „Cashflow“ eingearbeitet wird. Ich lasse mich aber gern korrigieren, sollte ich hier falsch liegen.
Wette auf die Zukunft:
Bitcoin ist eine Wette auf die Zukunft, weil bisher nicht wirklich jemand auf die Bitcoin-Infrastruktur setzt. Ein Beispiel wäre, dass sonst nicht 100 Leute sondern tausende zu seinem Vortrag gekommen wären…
→ Da niemand die Zukunft kennt, ist alles eine Wette. Allerdings würde ich mir hier von einem Spieltheoretiker eine Analyse wünschen, die Wahrscheinlichkeiten herausgearbeitet hat.
→ Erfolgreichster ETF-Start aller Zeiten an der Wall Street (was auch dafür spricht, dass es ein Asset sein kann)
→ Wertsteigerung von sechs Zehnerpotenzen über weniger als 15 Jahre
→ in 2024 hat Bitcoin vom täglichen Transaktionsvolumen Visa und Mastercard bereits überholt (on-chain!)
→ in Bezug auf Events (aus meiner Sicht wenig relevant): diverse BTC Events haben bereits tausende bis zehntausende von Besuchern
Negativ:
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da er in der Bitcoin-Technik nicht so sattelfest ist, ist es aus meiner Sicht schon gewagt ein Bitcoin-Buch zu schreiben, welches die Behauptungen von Auswirkungen dieser Technik be- oder widerlegt.
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reine Betrachtungsweise von Bitcoin als „Asset“
→ Ist aus meiner Sicht einfach zu einseitig und führt zu falschen Schlussfolgerungen, zumal es nicht einmal dem Ursprungsgedanken von Bitcoin entspricht, ein Asset zu sein
→ hier liegt sein Fokus wieder auf Cashflow generieren, was erst durch auf Bitcoin aufbauende Finanzprodukte ermöglicht wird, aber nicht bei Bitcoin selbst passiert
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Bewertung von Investitionen als rein rationale Entscheidungen - dies widerspricht dem realen Leben genauso und ist in der Form argumentativ nicht haltbar (entspricht eher einer Idealvorstellung)
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seine Metaphern finde ich größtenteils eher weniger geeignet, was vor allem daran liegen könnte, dass sie Bitcoin eine bestimmte Bewertung geben sollen, die eigentlich nicht wirklich passt:
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Investieren → Marshmallow-Test: Hier geht es überhaupt nicht ums Investieren, sondern um Belohnungsaufschub und die Fähigkeit von Menschen eine niedrige Zeitpräferenz zu wählen = Sparen
Das Ergebnis ist dabei total klar, da jeder Teilnehmer, der (in diesem Test 15 Min.) warten kann, auch sicher doppelt so viele Marshmallows erhält. Beim Investieren ist weder nominal noch real ein zukünftiger Zustand garantiert, beim Sparen ist zumindest nominal (und bei hartem Geld auch real) der zukünftige Zustand größergleich dem Startwert.
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Solaranlage Hütte:
Dies ist eine Investition, da man sich durch den unmittelbaren Einsatz des Korn statt Konsum eine Solaranlage kauft, die über die Zeit die Energiekosten senkt.
Allerdings ist das Beispiel zum einen nicht sehr greifbar, zum anderen zieht er die Solaranlage später noch einmal in sehr fragwürdigem Kontext heran:
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Fokus auf den Cashflow und dem fehlenden inneren Wert des Bitcoin aus Finanzbewertungsperspektive mit folgendem Beispiel:
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die Solarzellen sind nur Attrappen und produzieren keinen Strom (Cargo-Kult, Investitionswert = 0)
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daher kann man sie nur gewinnbringend weiterverkaufen (greater fools theory)
=> Das ist total unschlüssig, da hier zum einen „nur“ der Bitcoin als Einheit und nicht als Zahlungsnetzwerk bewertet wird. Außerdem ist beides nicht nur „Attrappe“ sondern die zugrundeliegenden Eigenschaften (dezentral, zensurresistent, feste Anzahl, teilbar, überprüfbar etc.) funktionieren.
Vergleich zum Dollar:
Kritik: „Der Dollar zahlt auch keine Dividende“ → Argument schlecht, weil der Dollar ja auch von den Bitcoinern als schlecht erachtet wird
→ Hier werden die wesentlichsten Punkte außer acht gelassen:
- Der Dollar ist keine Investition (weil es eben Geld ist), wobei es Finanzprodukte gibt, die natürlich Zinsen zahlen (z.B. Staatsanleihen)
- Der Dollar wird von Bitcoinern kritisiert, weil er eine wesentliche Eigenschaft von gutem Geld nicht erfüllt → Wertspeicherung. Genau darum geht es aber bei Bitcoin, dass er die Eigenschaftem von gutem Geld innehat und gegen zentralisierten, menschlichen Einfluss absichert.
Das bestätigt Herr Rieck sogar, ohne aber aus seiner „Assetbewertung“ für Bitcoin herauszukommen.
Verschwendung von Arbeit:
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hier geht es darum, dass pro Bitcoin Argument der Aufwand ist (ich nehme an er bezieht sich auf PoW), welcher sich im Preis/Wert abbildet und dies auf der objektiven Wertlehre basiert.
→ eines der Resultate, wenn man X als Grundlage für seine Thesen nimmt ;)
→ Das ist natürlich Quatsch (wie auch Rieck sagt) und ich behaupte dass das auch allen, die sich mit Bitcoin ernsthaft beschäftigt haben klar ist. Natürlich ist die aufgewendete Energie (Strom, Geräte) nicht in Bitcoin gespeichert.
PoW sichert Bitcoin gegen bestimmte Angriffe ab und schützt damit natürlich auch die Eigenschaften und das Netzwerk, welche wiederum Nutzen/Mehrwert bringen. Es wäre also einer der kaskadierenden Effekte.
Ziel des Vortrags:
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dieses ist mir nach 2-maligem schauen nicht klar geworden. Bitcoin ist ein Asset das man aus Finanzsicht schwierig bewerten kann? Bitcoins Zukunft ist unklar und eine Wette mit Chancen aber auch vielen Risiken? Die Argumente von einigen Trollen auf X sind fragwürdig? Fiat-Geld ist eigentlich besser, wenn die Zentralbanken sich nicht von der Politik vereinnahmen lassen und den Geldwert stabil halten? Oder vielleicht doch einfach nur Werbung für sein Buch?
Meine Hauptkritik an seinem Vortrag:
Prof. Rieck ist Spieltheoretiker und hat den mit Abstand größten Youtube-Kanal zu diesem Thema und lehrt auch an der Uni. Sinnvoll wäre also eine spieltheoretische Bewertung, welche Chancen Bitcoin hat, sich als Geld (und meinetwegen auch als Asset) durchzusetzen. Immerhin ist die Anreizstruktur äußerst interessant.
Dafür müssten aber erstmal die Grundeigenschaften von Geld herausgearbeitet werden und mit anderen Geldformen verglichen werden. Darauf geht Prof. Rieck aber gar nicht ein.
Stattdessen wird eine finanzwirtschaftliche Betrachtung als Asset geliefert, welche nicht konsequent schlüssig ist und als Grundlage ein paar selbst ausgewählte Twitterkritiken sind.
Weiterhin schreibt Prof. Rieck nicht ein Buch, sondern 3!, welche sich im Kern mit Bitcoin beschäftigen - und fängt mit dem zweiten an. Warum macht man sowas?
Dabei noch mit scheinbar ausbaufähigem Wissen zur Technik, welche nun einmal die Grundlage für das Ganze bildet.
Er wirft den anonymen Kommentatoren auf X vor, ihre Argumente sind nicht schlüssig, begeht aber aus meiner Sicht den gleichen Fehler.
Sicher sind viele Punkte in seiner Präsentation korrekt, einige fragwürdig und einige gehen klar vorbei, da der Blickwinkel nicht passt.
Gerade eine wesentliche Grundproblematik scheint allerdings bei ihm gar nicht wirklich als Problem anerkannt zu werden. Er verteidigt Fiat-Geld, weil es viele Vorzüge bietet (soweit gehe ich sogar mit) - und auch eine Inflation, egal ob 1, 2 oder auch 5% ok wäre, da man so weiterhin auch Gehälter erhöhen könnte und das bestehende Rechtssystem dies unterstützt. Das Fiat-Geld kein Wertspeicher mehr ist, sagt er zwar implizit, erkennt es aber nicht als Problem an.
Faktisch zieht man mit Fiat-Geld der Bevölkerung zusätzlich zu Steuern das Geld aus der Tasche und verteilt Vermögen um - doch das sieht er überhaupt nicht als Problem an. Auch der politische Einfluss, der unübersehbar und historisch immer wieder belegbar ist, nimmt er wahr - verweist aber einfach auf das Konzept der Trennung von Zentralbank und Politik. In der Realität lässt sich die Korrumpierbarkeit durch zentralisierte Machtstrukturen historisch weltweit nachweisen.
Ich denke dennoch das Prof. Rieck guten Input und wertvolle Sichten liefern kann. Ich bleibe bislang aber bei dem Gefühl, dass sein Urteil schon ein Stück weit gefallen ist und er vor allem über seine Bücher am Thema selbst mitverdienen will, als kritischer Gegenpol.
Ich würde mir hier übrigens kein Gespräch zwischen Roman und Prof. Rieck wünschen - da ist aktuell zu viel verbrannte Erde (wer X verfolgt hat, weiß was ich meine). Dafür wäre ein Gespräch von Florian Bruce Boye mit Prof. Rieck höchst interessant.