Wer sind denn „wir“? Ich spreche von den ganzen Umfragen, die im Osten gemacht wurden, sowohl auf der Krim damals, als auch im Donbass etc. Übrigens auch schon vor 2014, daher konnten uns Ikonen wie Peter Scholl Latour ja auch schon voraussagen, was wir heute angerichtet haben.
Dass die pro-russischen Ukrainer die Putsch-Regierung nicht gerade toll fanden, braucht man hoffentlich nicht erklären, denn unmittelbar während und nach dem Putsch gab es diverse Repressalien gegen alle, die mit dem Putsch nicht einverstanden waren (die in Höhepunkten wie Odessa endeten, wo über 50 Menschen am helligten Tag verbrannt wurden). Am meisten gelitten wurde dabei im Osten, denn die lokalen Regierungen hatte man politisch komplett entmachtet und ihnen letztendlich auch Strom und Wasser abgestellt, weil sie sich nicht fügen wollen.
Einige Ukrainer legen zudem einen extremen Nationalismus an den Tag, der sich vor allem gegen „das Russische“ richtet. Ich weiß nicht wie viele, ich würde nicht behaupten die Mehrzahl, aber wenigstens eine nicht unbedenkliche Anzahl, die man maßgeblich für den Putsch mobilisiert hat. Das Ergebnis waren die bekannten Fackelmärsche, Hitlerschulen, Asow, etc. Das heißt auch wenn man behauptet, dass es diese Dinge nicht mehr gibt, ist es kein erfundendes Argument. Im Gegenteil. Woher das kommt, können wir auch nur mutmaßen. Wir wissen aber heute (da die Akten mittlerweile offen sind), dass die CIA bis in die 1970er ein Programm hatte, um die ukrainische Bevölkerung gegen die UdSSR aufzuwiegeln (Operation Aerodynamic).
Ja, jetzt vielleicht. Ist für mich auch verständlich, ändert aber nichts daran, dass keiner der Parteien (weder Kiew noch der Westen, der immer nur Öl ins Feuer gießt), eine diplomatische Lösung (auf die Russland seit 2014 gewartet hat) angenommen hat. Wir sprechen ja hier von Hintergründen und über Zusammenhänge, denn ich wiederhole erneut: der Angriff von Russland auf die Ukraine ist eine Reaktion und keine unvermittelte Bauchentscheidung. Jedenfalls kann man das sehr gut belegen und entsprechend für glaubhaft und wahrscheinlich halten. Muss man nicht, aber es ist nicht von der Hand zu weisen. Noch im Dezember letzten Jahres hat Putin offen gesagt, dass es entweder jetzt vertragliche Sicherheiten gibt, oder eine militärische Lösung nicht ausgeschlossen werden kann. Auch das wurde nicht nur ignoriert, sondern man seitens Kiew noch mehr proviziert.
Da ist die Frage gestattet: muss Kiew in die Militärdoktrin schreiben, dass sie eines Tages die Krim zurückholen werden und ankündigen, Atomwaffen zu bauen? Ist das das Recht, für das Menschen sterben sollen? Ich glaube nicht. Jedenfalls wäre ich für so eine Regierung nicht in den Kampf gezogen, sondern hätte mich lieber mit beiden Seiten geeinigt.
Ich stelle Russland nicht als Opfer da, aber man könnte es auf verschiedene Weise tun. Das nennt sich übrigens differenziertes Denken und das ist im politischen Kontext extrem wichtig, denn wenn Du keine Zusammenhänge begreifst, kannst Du logischerweise keinen sinnvollen, glaubhaften und konsistenten Entscheidungen treffen. Ich sage aber gerne, was Du hören willst und was ich nie dementiert habe: Russland hat die Ukraine angegriffen. Trotzdem ist doch die viel spannendere Frage, warum es das getan und wer dies hätte verhindern können, oder nicht? Denn darum ginge es doch in der Außenpolitik? Nicht darum, Waffen zu liefern, nicht darum, Feindbilder zu krerieren, sondern den Frieden zu sichern. Und da muss man festhalten (und das bestreitet hoffentlich auch niemand) dass Russland von den USA und seiner NATO seit Jahrzenten massiv unter Druck gesetzt wird. Es ist auch nicht Russland gewesen, das aus den ganzen Waffenverträgen ausgetreten ist, sondern das waren die USA.
Das war der vorherige Präsident auch und das Argument mit der Demokratie ist doch wieder ein Beweis der Heuchelei. Die Krim wollte demokratisch nicht von einer anti-russischen Regierung regiert werden, das war nicht in Ordnung. Der Donbass und andere Regionen im Osten wollen das auch nicht, aber sie müssen sich von Kiew seit 2014 beschießen lassen. Wo ist hier die Demokratie? Wieder nur ein Beispiel für die Doppelmoral. Abgesehen davon, und das weiß auch jeder, der auch nur einmal Google bemühen würde, anstatt immer nur irgendwas nachzuplappern, hatten die Nachfolger-Regierungen seit dem Putsch nie lange die Mehrheit des Volkes hinter sich. Gerade Selensky hätte die nächste Wahl vermutlich verloren. Jedenfalls wurde das 2020-2021 bei uns berichtet.
Das ist jetzt wieder kein Argument, sondern nur eine Feststellung: unnötige Gewalttaten passieren in jedem Krieg. Die Gewalttaten, auf die Du anspielst, sind jedoch kein Stück schlimmer, als das, was den pro-russischen Ukrainern durch Asow etc. angetan wurde und auch nicht schlimmer, als das, was einige ukrainische Kämpfer den russischen Soldaten antun. Deshalb lohnt es sich leider überhaupt nicht, von Menschlichkeit zu sprechen, denn die geht immer auf beiden Seiten verloren. Es ist schließlich auch nicht nett, dass sich die ukrainische Kämpfer absichtlich in zivilen Einrichtungen wie Krankenhäusern verschanzen und von dort feuern, denn das fürt logischerweise zu zivilen Opfern (diese Behauptung war eine von vielen, die aus Moskau kamen und die man uns als reine Propaganda verkauft hat, bis eben nun Amnesty eine Reihe davon selbst bestätigt hat).
Dieses Spiel können wir in beliebiger Varation führen:
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Würde die ukrainische Regierung nicht auf eine militärische Zusammenarbeit, atomare Aufrüstung und den Angriff auf die Krim bestehen und die beschlossenen Abkommen hinsichtlich der Regionen im Osten anerkennen, hätte es keinen Angriff gegeben bzw. er wäre sofort abgelasen gewesen.
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Hätte man die ukrainische Regierung damals nicht durch Druck des Westens gestürzt, hätte die Ukraine einfach einen anderen Präsidenten gewählt und der wäre, da nicht unter Druck der USA, womöglich auch für einen diplomatischen Kurs gewesen.
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Wäre die Welt an Frieden in der Ukraine interessiert gewesen, hätte man sie, wie ganz viele Experten geäußert haben, einfach aufteilen sollen. Entweder in einen östlichen und westlichen Teil, oder in einzelne, unabhängigere Republiken. Dann wäre diese Situation nie entstanden.
Oder noch einfacher: hätte der Westen Selensky nicht davon abgehalten, auf die Forderungen von Russland einzugehen, dann wäre der Krieg nach einem Tag vorbei gewesen.
Du merkst also hoffentlich: die Kette der Ereignisse ist entscheidend und es gab viele Stellen, an denen man das alles hätte verhindern können. Ohne Probleme. Jetzt so zu tun, als würde Russland einfach so handeln, ist völlig absurd und man ignoriert die Tatsache, dass die meisten Anschuldigungen von Putin wahr sind, wenn wir z. B. darüber sprechen, wie viele US-Funktionäre seit dem Putsch in der Ukraine eingesetzt werden, dass die militärische Zusammenarbeit mit der NATO bereits unter der Hand begonnen hat usw.
Das ist ja wieder lustig, denn auch hier zeigt sich die Doppelmoral: die pro-russischen Ukrainer, die seit Generationen in der Ukraine leben, sollen also nach Russland auswandern, das heißt teilweise 95% der jeweiligen Städte? Das, was Du nun den Ukrainern zugestehst (das Recht auf Selbstbestimmung), gilt also nicht für Ukrainer, die gerne einfach so leben wollen, wie vorher? Klingt nicht fair.
Ach, das meintest Du. Also ich glaube nicht, dass ich in irgendein Land wechseln muss, bloß weil ich mir ein neutrales, sachliches Weltbild aufbauen möchte. Ferner ist mir auch bekannt, wie wichtig ein Frieden mit Russland für uns ist. Mit Sicherheit wichtiger, als Selenesky Atomwaffen bauen zu lassen. Deshalb hätten aus meiner Sicht fähige Politiker - so wir sie denn hätten - diese Sache von 2014-2022 regeln können, indem man Putin nicht komplett ignoriert hätte. Aber ironischerweise tut man jetzt genau das wieder und deshalb ist klar, dass es auf eine Eskalation hinausläuft, die vor allem uns schadet. In Übersee kann man sich über diesen Schachzug nur die Hände reiben.
Du hast Recht, das darf nur der Westen. Und wenn eine ausländische Nation in Deinem Land eine Deiner Ethnie feindselig gesonnene Regierung einsetzt, dann hast Du auch keine Wahl, Dich dagegen zu stellen. Dann musst Du halt das Land wechseln
Ja, nur verstehst Du eben nicht, dass es Kriegsverbrechen weltweit gibt und dass die NATO ebenfalls an Kriegsverbrechen beteiligt ist. Von den zahlreichen Kriegen der USA fangen wir nicht an, oder besteht hier Nachholbedarf? Deshalb noch mal: von außen betrachtet ist der Ukraine-Konflikt nichts anderes, als der Krieg in Afghanistan, Jugoslawien, Libyen, Irak, etc etc. Mit dem Unterschied, dass in der Ukraine bisher verhältnismäßig wenig Menschen gestorben sind.