Könnte Bitcoin am Ende doch nur Zion (Matrix) sein?

Ich bin immer wieder fasziniert von der Matrix-Analogie, die (auch von Roman) häufig zur Beschreibung des Fiat-Systems verwendet wird.
In diesem Zusammenhang stelle ich mir zunehmend die Frage, ob Bitcoin vielleicht nicht die erhoffte Befreiung darstellt, sondern eher das Äquivalent zu Zion im Film Matrix ist – also ein kontrolliertes Ventil für Systemkritiker, das in Wahrheit zur Stabilisierung des Systems beiträgt.
Denn: Statt aktiv gegen das Fiat-System zu wirken, kauft der „Widerstand“ reguliertes Bitcoin, glaubt seinen Beitrag zur Veränderung geleistet zu haben – und bleibt damit im Rahmen des Systems.

Könnte es sein, dass Bitcoin zwar weiterhin im Preis steigt, gleichzeitig aber seine ursprüngliche Rolle als Werkzeug individueller Souveränität und als Gegengewicht zum Fiat-System verliert?

Und wenn die Nutzung von Bitcoin am Ende nur noch innerhalb vollständig überwachter, steuerlich erfassbarer Strukturen stattfindet – auch wenn technisch eine freie Nutzung möglich wäre – bleibt es dann wirklich noch die Befreiung, die wir uns erhoffen?
Oder handelt es sich längst um eine digitale Illusion des Ausstiegs, die in Wahrheit die bestehende Ordnung absichert, statt sie infrage zu stellen?

Ich freue mich über jeden fundierten, gern auch kritischen Gedanken. Ziel ist keine Polemik, sondern ein ehrlicher Blick auf die Entwicklungen, in denen wir uns gerade befinden.

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Einfach eine Welt vorstellen in der es nur Gold und kein Fiat gab. Hatten wir schon=Feudalismus=Masse arm und recht - und besitzlos.

Und dann noch moderne Überwachungs- und Kontrollmechanismen der heutigen Techwelt dazudenken.

Dann bekommst du den Bitcoinstandard (wenn wir nicht aufpassen).

Deine Fragen sind alle berechtigt. Ich finde sie sogar sehr gut.

Meine These ist: Bitcoin entstand vermutlich nicht innerhalb des Systems, das Du meinst. Aber das System an sich ist anpassungsfähiger als alles andere. Und ist dabei Bitcoin zu kapern. Nicht, indem es die ursprünglichen Eigenschaften ändert. Es kapert Bitcoin als Wertspeicher, ohne es dabei groß zu verändern. Dass Bitcoin dabei, nicht wie von Satoshi vorgesehen, nicht mehr primär als anonyme Zahlungsmöglichkeit genutzt sondern als Wertspeicher ge"HODL"t wird, kommt dem System dabei sogar zugute.

Denn wenn Menschen Bitcoin nicht als Zahlungsmittel benutzen sondern erst wieder zurück in Fiat tauschen, de-anonymisieren sie sich freiwillig („KYC“), lassen sich perfekt verfolgen und ideal besteuern. Das System kontrolliert einfach die Zugänge, die Engpässe, durch die sich die Bitcoiner beim gewollten Tausch in Fiat selbst zwängen. Im Zweifelsfall sperrt man ihnen sogar die auf die Exchanges eingezahlten Sats unter dem Vorwand von Geldwäsche oder nimmt sie ihnen ganz weg.

Letzter Denkanstoß: Warum kannst Du als Deutscher an keiner regulierten großen Exchange mehr Monero kaufen? Weil das System wirkliche Anonymität (-> fehlende Kontrolle) nicht dulden wird. Warum hat man die Gründer der Samourai-Wallet, mit der man Bitcoin wieder anonymisieren konnte, verhaftet?

Ich denke, Du liegst richtig.

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Ich gehe persönlich davon aus, dass Bitcoin weiterhin stark im Wert steigen wird und auch in Zukunft eine gewisse Absicherung gegen staatliche Geldentwertung bieten kann.
Aber ich fürchte, dass durch Regulierung der ursprüngliche politische Nutzen und Freiheitsgedanke zunehmend verloren gehen kann – besonders dann, wenn Bitcoin vor allem als steuerpflichtiger Wertspeicher genutzt wird und die Mehrheit den Rückweg ins Fiat-System wählt.

Selbst wenn es global betrachtet nur wenige Länder sind, die Bitcoin vollständig durch Regulierung und Überwachung „neutralisieren“, bleibt das für viele Nutzer ein massives Problem.
Denn nicht jeder kann einfach das Land verlassen oder in eine freie Bitcoin-Jurisdiktion auswandern. Die meisten Menschen sind alleine wirtschaftlich lokal gebunden. Alles andere (familiär, emotional) könnte ja zumindest von jeder Person selbst entschieden werden.

Insofern sehe ich das ähnlich wie du: Das System braucht Bitcoin nicht direkt zu verbieten – es reicht doch, die relevanten On- und Off-Ramps zu kontrollieren, um den Freiheitsaspekt effektiv auszuschalten, während der Preis weiter steigen kann. Selbst wenn wir Plattformen nutzen in denen wir Satoshis gegen Dienstleistungen/Waren P2P tauschen können, müssen diese coins irgendwo initial Non-KYC erworben werden.

Vielleicht übersehe ich aber auch noch etwas. Denn bis jetzt konnte ich für mich zumindest jeden berechtigten Kritikpunkt an Bitcoin selbst invalidieren.

Bitcoin kann keine soziale Gleichheit schaffen – aber das kann meiner Meinung nach nichts.
Allein schon, weil jeder Mensch auf Basis seiner Genetik, Umwelt und Fähigkeiten individuell ist.

Aber Bitcoin verhindert immerhin, dass durch ständige, zentrale Geldschöpfung und Schuldenausweitung immer wieder dieselben Player gestützt oder bevorzugt werden – auf Kosten der Allgemeinheit.
Der Cantillon-Effekt, der im Fiat-System systematisch Vermögen nach oben umverteilt (vgl. Keynes), existiert im Bitcoin-System nicht.

Und allein das ist für mich Grund genug, Bitcoin als einen faireren und nachhaltigeren Weg zu betrachten, auch wenn er nicht alle Probleme löst.

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Warum wird das Geldsystem hier so gleich gesetzt mit Politik?

Also ich sehe eine Korrelation mit der Staatsquote als möglich, aber das dann direkt auf Feudalismus zu übertragen…
Finde ich etwas weit hergeholt, genau wie die Artikel vom Blocktrainer, welche beweisen sollen, dass der Goldstandard zu Innovation geführt hat mit einer Prise Salz genommen werden sollte.

Was sind deine Quellen zu dieser Behauptung?

Beim Ersteren gehe ich mit.
Es könnte schon gut möglich sein, dass es den kapitalistischen Aspekt des Systems welches in Bitcoin gewechselt hat stabilisiert, also Entwenden/Entwerten der Gelder wird erschwert.

Jedoch wird der Teil des Systems, welchen ich eher als „das System“ bezeichnen und von der Zentralbank gesteuert wird geschwächt.

Das ist dann noch keine Endlösung, aber wenigstens gibt es mehr Konkurrenz auf oberster Ebene, was definitiv gegen die Entstehung der „Matrix“ wirkt.

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Was Sathoshi Nakamoto in der Mailingliste damals schrieb ist interessanter:

„I’m sure that in 20 years there will either be very large transaction volume or no volume.“ Sathoshi Nakomoto

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Natürlich, denn es ist Machtzentralisierung und nicht nur das Fiatsystem, welchen diesen Effekt hervorruft.

Jedoch kann Machtzentralisierung geschwächt werden, wenn 2 Systeme in Konkurrenz stehen und der Cantillion Effekt durch Geldmengenausweitung geht bei Bitcoin im Moment noch zu den Miningbetreibern.

Machtzentralisierung haben wir geschichtlich schon viel länger als Fiat oder eben auch den Goldstandard. Diese kommt aus dem Streben der Jäger und Sammler mehr für die Gruppe zu leisten, was bei der Sesshaftwerdung in Eigentumsakkumulation ausgeartet ist.

Wenn es jedoch keine Machtzentralisierung ohne Fiat gäbe, warum hätten die damals die Pyramiden gebaut? (Alles für einen Pharaoh als Beispiel)

Ich gebe dir Recht. Auch bei Bitcoin existiert der Cantillon-Effekt - mein Fehler. Allerdings sehr abgeschwächt.

Und auch Machtzentralisierung gab es schon vor Fiat, aber der Cantillon-Effekt ist unter Fiat extrem verstärkt, weil Geld dort ohne physikalische Gegenleistung (oder zumindest ganz minimal, durch Eintippen der Zahl) entsteht.

Beim Goldstandard (und auch bei Bitcoin heute) ist Geldschöpfung an Kosten und Aufwand gebunden. Klar, auch da profitieren die Ersten, allerdings längst nicht in dem Maß wie im Fiat-System.

Ein Pharaoh konnte Pyramiden bauen, weil er das nötige Kapital hatte. Aber er musste sein Kapital dafür auch aufwenden
Im Fiat-System bräuchte er dafür nicht mal sein eigenes Kapital, sondern könnte sich einfach verschulden und würde sogar gerettet werden, wenn etwas schiefgeht.
Das ist mein eigentlicher Kritikpunkt am Fiat-System. Und hier empfinde ich Bitcoin als besser.

Und hat zwar nichts mit dem eigentlichen Thema zu tun, aber soweit ich weiß, ist der Konsens der Historiker mittlerweile, dass die Erbauer gut bezahlte, spezialisierte Arbeiter waren mit guter Versogung (auch medizinisch) , statt Sklaven :slight_smile:

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Ein Pharaoh hätte die Münzen ausdühnen können.

Ich finde deine Gedanken äußerst interessant und kann die Bedenken nachvollziehen. Durch die zunehmenden Regulierungen, KYC & Co., wird ein Korridor gebaut, in dem Bitcoin durch das bestehende System geführt wird, ohne es wesentlich beeinflussen zu können.

Ich denke ähnlich im Zusammenhang mit dem Internet bzw. den sozialen Netzwerken: Es sieht erstmal so aus, als sei man freier als je zuvor, kommunizieren zu können und mit seiner Meinungsäußerung den Lauf der Dinge zu beeinflussen. In Wirklichkeit jedoch neutralisieren sich die Ideen und Meinungen gegenseitig, selbst heftigste Diskurse im Netz verpuffen folgenlos - und in der Realität ändert sich nichts. Wo früher auf der Straße Druck für Veränderungen entstand, ist jetzt einfach nur noch virtuelles Dampfablassen. Facebook, Twitter & Co. stabilisieren so das bestehende System und kanalisieren Veränderungsenergie ins Nichts.

Deshalb halte ich deine Einschätzung des Bitcoin für nachvollziehbar. Bitcoin könnte der Auslauf auf dem Gefängnishof sein. Das könnte auch das negative Gefühl begründen, was ich habe, seit institutionelle Finanzplayer in BTC eingestiegen sind - und jetzt sogar Sparkassen den Kunden ein wenig Herumspielen mit Krypto ermöglichen wollen…

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Das es einen richtigen Konsens gibt ist mir neu, aber ich kann mir vorstellen, dass diese gut bezahlten spezialisierten Arbeiter, die schlechter bezahlten Schlepper angewiesen haben.

Wie es auch sein mag, die Pyramiden oder im Allgemeinen Könige, welche eine starke Machtzentralisierung darstellen, waren nicht immer nur mit Fiat an der Macht.
Jedoch stimme ich natürlich zu, dass dieses Instrument der Geldmengenausweitung eines der besten Werkzeuge darstellt, um Macht schneller und stärker zu zentralisieren.

Wobei Energie selbst wahrscheinlich das beste Werkzeug ist, siehe Dubai. (Öl)

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Meine Meinung: das heutige System funktioniert in der Theorie sehr gut - Kredite sind per se nichts Schlechtes. das deflationäre System des Bitcoins funktioniert in der Theorie auch sehr gut.
die Praxis jedoch zeigt, dass solang der Mensch so handelt und denkt wie er es aktuell tut, sich nichts verändern wird.
wenn du das System wechselst, hast du einfach neue Verlierer.
wahre Veränderung beginnt bei jedem Einzelnen. und dann können wir über das System debattieren bzw das neue System ergibt sich von selbst (Systemtheorie).

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Ich hatte es an anderer Stelle schon geteilt aber es passt gerade so gut: :: Anti Moonboy

Er schreibt und spricht das so viel besser als ich es könnte. Ein Manifest für echte Freiheit.

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Meinst du damit, dass Bitcoin zwar ein gutes Werkzeug, aber in der Praxis keine echte Freiheit bringt, weil die meisten Menschen es nicht entsprechend nutzen (oder verstehen) werden? Also müsste deiner Ansicht nach, damit Bitcoin eine Veränderung bringen kann, vorher eine innere Veränderung der Menschen stattfinden?

Genau. Und genauso wie das heutige Geldsystem eigentlich genial ist und so viele Probleme gelöst hat sind wir nun da, wo wir sind. Der Faktor Mensch wird in der Bitcoingleichung meines Erachtens ignoriert. Halt eben, weil wir Menschen sind.

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Satoshi hat sicher nicht vorhergesehen, dass eines Tages Blackrock ETFs auflegt, um Bitcoin als Wertspeicher zu vertreiben. Wertspeicher ist sozusagen ein ehemaliger Zusatznutzen der ursprünglichen Idee, den die Schwarmintelligenz zum Hauptnutzen umdeklariert hat. Weil das Fiatsystem die Menschen in solche Entwertungsnöte gebracht hat, dass dieser die Ursprungsidee überlagert hat.

Das ist spannend, weil es exakt die Parallele zur Matrix aufmacht: Die Menschlichkeit braucht Hoffnung (Zion), wenn sie spürt, dass etwas nicht stimmt – und genau diese Hoffnung wird vom System genutzt, um sich selbst zu stabilisieren. Auch Neo steht am Ende vor der Wahl: die Wahrheit oder die Rettung der Menschheit. Wie du sagst – dieser Faktor wird oft außen vor gelassen.

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Aber hätte Satoshi Bitcoin dann nicht gleich anonym statt nur pseudonym gestaltet, wenn die Wertspeicher-Nutzung wirklich nicht geplant wäre?
Für mich wirkte es immer eher wie eine bewusste Entscheidung, auf vollständige Anonymität zu verzichten, damit Bitcoin überhaupt groß genug werden konnte, um von institutionellen Akteuren wie Vermögensverwaltern später adaptiert zu werden.

Guter Punkt. Also war es doch die NSA? :thinking:

Ich halte sowohl eine Welt, in der absolut nichts zufällig ist und alles inszeniert wird für uns, für denkbar. Als auch eine auf hoher Entropie basierende Existenz, in der wir unsere Erklärungsmuster immer der Realität anpassen, damit wir Dinge verstehen können.

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