Hallo Roman,
du hast in deinem heutigen Video das Thema deflationäre Währung angesprochen. Ich schätze deine Arbeit sehr, aber ich finde, dass du das Thema Deflation viel zu vereinfacht angehst. Viele große Ökonomen und Volkswirte haben sich über verschiedene Theorien schon lange mit dem Thema auseinandergesetzt und sind sich bisher nicht einig geworden. Keiner weiß also so genau, was wirklich passieren würde, wenn wir nur noch deflationäres Geld auf der Welt hätten. Aber nur weil es jetzt gerade gut in die Bitcoin-Story passt, sind die damit verbundenen Probleme nicht plötzlich irrelevant geworden.
Wenn man sich dem Thema seriös nähern möchte, sollte man sich mindestens über die folgenden Punkte Gedanken machen:
Wirtschaftswachstum
Ganz vereinfacht entsteht Deflation bei einer fixen Geldmenge immer dann, wenn die Wirtschaft wächst. Denn dann trifft ein höheres (quantitatives oder qualitatives) Angebot an Waren und Dienstleistungen auf die selbe Menge an Geld. Ceteris paribus (insbesondere in Bezug auf die Nachfrage) ist nun für jede Ware oder Dienstleistung weniger Geld zur Verfügung und der Preis (nicht der Wert!) sinkt im Zeitablauf.
Gut, dann überlegen die Leute sich halt 2x ob sie sich ein neues Handy kaufen und konsumieren halt weniger. Dadurch sinkt die Nachfrage, wodurch die Preise weiter sinken.
Auf der Angebotsseite läuft es ähnlich. Wenn ich bei fixer Geldmenge mehr produziere bedeutet es, dass ich danach für jedes meiner Produkte weniger Geld erhalte (also auch für die vorherige Produktionsmenge!) und am Ende durch Mehrproduktion vielleicht sogar weniger Geld einnehme. Also habe ich kaum noch Motivation mehr zu produzieren. Wie oben gezeigt sinkt auch die Nachfrage, wodurch noch mehr die Produktion reduziert werden muss u.s.w…
Jetzt sagst du: Ist doch top, dann kommen wir endlich von dem sinnlosen Konsum weg.
Ja, aber nach der Logik kämen wir auch in eine massive Rezession und unser Wohlstand würde auf die Dauer massiv darunter leiden. Vielleicht würden wir uns nach einem brutalen globalen Wirtschaftscrash auf einem deutlich tieferen Lebensstandard wieder einpendeln, der besser zu den endlichen Ressourcen des Planeten passt - in einem Gleichgewicht in dem die Wirtschaft nicht mehr wächst.
Der Hauptpunkt ist aber: Du wirst wenig Anhänger für dieses Szenario finden, denn es gäbe kein Wirtschaftswachstum mehr und wir müssten alle massiv Lebensstandard einbüßen. Und die Unruhen auf dem Weg dahin könnten auch unangenehm werden.
Btw, hat sich dann der Wert deiner Währungseinheiten (Bitcoin) gesteigert, wenn es da draußen kaum noch was cooles für deine Coins zu erwerben gibt?
Zinsen
Es wird deutlich komplizierter, wenn wir das Kreditwesen miteinbeziehen. Kredite sind sehr vereinfacht dafür nützlich, dass sich überschüssiges Kapital an diese Stellen allokiert, wo es am produktivsten zur Wertsteigerung eingesetzt werden kann. Nur so kann das Kapital überhaupt sinnvoll produktiv verteilt werden, ohne dass sich die Besitzverhältnisse verändern (wie es bei Enteignung und Umverteilung der Fall wäre).
Wichtig für die Wirtschaftssubjekte ist dabei der Realzins, also der risikofreie Zins abzüglich der Inflation. Ist der Realzins niedrig, macht es für die Wirtschaftssubjekte Sinn, etwas risikobehafteter das Geld gegen höhere Zinsen zu verleihen oder entsprechend in Unternehmen zu investieren. So fließt viel Kapital in die aussichtsreichsten Ideen und Innovationen.
Wenn die Währung aber deflationär ist, ist der Realzins immer deutlich positiv (es sei denn ein Staat führt Strafzinsen für Geldhaltung ein). Um ein Risiko einzugehen und Geld zu verleihen oder zu investieren, muss der Zinssatz/Ertrag also schon gewaltig hoch sein. Das führt dazu, dass den innovativen Unternehmen die Möglichkeit entzogen wird, sich Geld zu leihen. Gleichzeitig will auch niemand Schulden machen, denn wenn ich mir heute X leihe weiß ich ja schon, dass ich alleine durch die deflationäre Währung wertmäßig in ein paar Jahren viel mehr an Wert zurückgeben muss - und das noch zusätzlich zu den sehr hohen Zinsen. Das Kreditsystem würde weitestgehend in sich zusammenbrechen und sämtlicher Aufbau von Unternehmen mit Fremdkapital würde brutal riskant. Übrigens die Immobilienfinanzierung des Eigenheims der jungen Familie ebenso…
Von nix kommt nix
Du hast im Video ja das romantische Szenario beschrieben, dass bald vielleicht jeder nur noch 5 Jahre arbeiten muss und dann für den Rest des Lebens vom deflationären Effekt seiner Bitcoins leben könnte. Also, das würde nur funktionieren, wenn nur ein kleiner Teil der Menschheit diese deflationäre Währung hält und der Rest der Welt weiter eine Inflationäre und der Bitcoin-Halter dann auf Kosten der anderen lebt, indem er seine deflationäre Währung regelmäßig in eine andere umtauscht und so weiter vom Wirtschaftswachstum profiziert das andere erarbeiten. Denn wenn jeder auf der Welt nur noch 5 statt 45 Jahre arbeitet, wird eben auch nur noch 11% des Wohlstandes produziert und wir haben in Summe auch nur noch 11% des Wohlstandes der verteilt werden kann (technologische Revolutionen mal außen vor gelassen). Von einem reinen Rechenbeispiel des deflationären Effekts werden wir nicht alle leben können.
Das sind nur einige wenige Punkte von vielen. Gerade im globalen Kontext wird es nochmal deutlich komplexer.
Verstehe mich nicht falsch: Ich glaube auch nicht, dass es eine gute Idee ist unsere Fiat-Währungen so extrem auszuweiten, wie es derzeit geschieht. Die ursprüngliche Idee war ja auch, die Währungen immer nur in genau dem Maße auszuweiten, wie die Wirtschaft wächst. Das ist in den letzten Jahrzehnten absolut pervertiert worden.
Aber ich habe doch starke Zweifel, dass eine deflationäre Weltwährung hier eine einfache und unproblematische Lösung darstellt. Ich glaube das muss man deutlich differenzierter betrachten und es nicht idealisieren.
Ich weiß auch nicht, wie eine deflationäre Währung ausgehen würde und finde diese Diskussion sehr spannend. Aber ich würde mich freuen, wenn du in deinen Videos hier auch ein etwas differenzierteres Bild zeichnest. Sonst tendieren sicher viele deiner Zuschauer zu voreiligen, vereinfachten Schlüssen.
Grüße
Emp