Ich muss gestehen: Auf mich hat es so gewirkt, als hättest du dich dann nicht weiter damit auseinandergesetzt und dich einfach vom schlechtesten Argument überhaupt überzeugen lassen, nämlich dass „pseudonym“ kein Adjektiv wäre – das war zumindest das Letzte, worüber du im anderen Thread geschrieben hast, als du dich als überzeugt bekannt hast, und ich dachte, danach hättest du dich ausgeklinkt.
Gern, das beinhaltet für mich die zwei Fragen 1) ist pseudonym bzw. 2) ist pseudoanonym eine treffende Beschreibung des Bitcoin-Netzwerks?
Bis jetzt ging es zum größten Teil um 1), und hier vor allem darum, ob eine Adresse ein Pseudonym ist. Ich sehe eigentlich kein Problem damit. Wenn eine Person auf eine einzige Adresse beschränkt wäre, unter der sie sich in der Blockchain als UTXO-Inhaber identifiziert, dann hätte, glaube ich, niemand etwas dagegen, diese Adresse als Pseudonym zu bezeichnen. Die Frage ist, ob sich etwas dadurch ändert, dass man i.A. viele Adressen hat.
Für mich macht auch das keinen wesentlichen Unterschied, das Wort wird so z.B. auch im Wikipedia-Artikel der Sybil-Attacke verwendet, in der es ja gerade darum geht, unter vielen Pseudonymen aufzutreten (die hier auch keine „Namen“ im engeren Sinne sind, sondern z.B. IP-Adressen):
A Sybil attack is a type of attack on a computer network service in which an attacker subverts the service’s reputation system by creating a large number of pseudonymous identities and uses them to gain a disproportionately large influence.
Punkt 1) ist mir aber eigentlich gar nicht so wichtig, mir geht es hier hauptsächlich um 2), nämlich dass „pseudoanonym“ keine gute Beschreibung des Bitcoin-Netzwerks ist:
Zunächst mal hat „pseudoanonym“ kaum Aussagekraft, weil es keine innere Eigenschaft des Bitcoin-Netzwerks beschreibt. „Scheinbar“ anonym? Das heißt also, Bitcoin ist nicht anonym, aber auf manche Menschen wirkt es so? Was ist, wenn alle Menschen Bitcoin-Profis werden und jeder genau weiß, was es mit den Adressen auf sich hat – ist Bitcoin dann nicht mehr „pseudoanonym“, weil dann jeder den Anonymitätsgrad durchschaut?
Es ist also nicht wirklich klar, was für eine Eigenschaft damit eigentlich gemeint ist, und es hat wohl seinen Grund, dass „pseudoanonym“ nicht im Duden steht. Meistens wird pseudonym/pseudoanonym in Bezug auf Bitcoin dann so verwendet:
„Bitcoin ist nicht anonym, sondern pseudonym.“
Jemand, der das sagt, meint, dass Teilnehmer zwar nicht unter ihrem Echtnamen öffentlich auftreten, aber sehr wohl unter einem anderen eindeutigen Bezeichner, über den sie unter Umständen identifizierbar sein könnten. Eine treffende Beschreibung.
Andererseits:
„Bitcoin ist nicht anonym, sondern pseudoanonym.“
Jemand, der das sagt, meint: Ihr Unwissenden glaubt vielleicht, ihr seid anonym unterwegs, aber damit liegt ihr falsch. Eher eine Beleidigung als sonstwas.
Was zu meiner Abneigung gegen „pseudoanonym“ dann noch dazukommt, ist, dass ich überzeugt bin, dass der Großteil der Menschen, die es verwenden, nicht so wie du hinterfragen, ob es eine passende Bezeichnung ist, sondern ganz einfach wegen mangelnder Sprachbeherrschung einen Fehler machen.
Ein analoges Beispiel ist „Antisympathie“. Man kennt „Sympathie“, man kennt „anti“, dann schnappt man irgendwo das Wort „Antipathie“ auf, aber wenn man es selber wiedergeben möchte, wird daraus das Nicht-Wort „Antisympathie“. Jeder kennt „Anonymität“ und „pseudo“, und weil irgendwelche Journalisten in einer technischen Diskussion in einer mailing list „Pseudonymität“ aufgeschnappt und es dann falsch wiedergegeben haben, diskutieren wir jetzt, ob sie damit nicht vielleicht doch irgendwie recht haben könnten.