Wo landet das Geld eines zurückgezahlten Kredits?

Hallo zusammen,

das Diagramm der Geldmenge M2 kennt ja hier inzwischen bestimmt jeder. So ganz klar ist mir aber noch nicht, wie es zur kontinuierlichen Erhöhung der Geldmenge kommt.

Grundsätzlich ist es nach meinem Verständnis so: der Staat braucht Geld und gibt Staatsanleihen aus. Jetzt können Bürger oder Unternehmen diese Staatsanleihen kaufen mit bereits im Umlauf befindlichen Geld. So wird es erstmal nicht mehr.

Aber wann kauft die Zentralbank diese Staatsanleihen?
Ich vermute, wenn der Staat seine Staatsanleihen nicht mehr verkauft bekommt, springt die Zentralbank ein. Diese kauft die Staatsanleihen dann mit neu erzeugtem Geld. Hier steigt also die Geldmenge. Allerdings wird dieses Geld doch wieder zurückgezahlt und dann, so nehme ich an, von der Zentralbank wieder „vernichtet“. Dann müsste nach der Rückzahlung die Gesamtmenge doch die gleiche sein wie zuvor?

1 „Gefällt mir“

Das neu erzeugte Geld sind die Zinsen. Der Kredit sollte bei Rückzahlung „verpuffen“.

Das scheint mir nicht schlüssig. In der Eurozone war der Leitzins seit ungefähr 2015 bei 0%, erst seit Mitte 2022 steigt er wieder. Die Geldmenge ist trotzdem gestiegen.

Du solltes erst mal benennen welche Zentralbank du meinst weil die alle unterschiedlichtst agieren und unterschiedliche missionen haben.

Ich beziehe mich auf den Euro Währungsraum, damit also die Europäische Zentralbank.

Immer dann, wenn ein Ankaufprogramm dies vorsieht, siehe PSPP, PEPP, usw.

In einer Fantasiewelt, in der keine neuen Schulden aufgenommen werden: ja.

Huhu @Berioldir

Generell wird Geld von ganz normalen Banken geschaffen indem sie Kredite ausgeben. Sobald der Kredit zurückgezahlt wird verwandelt sich dieses Geld wieder in nichts.

Also wenn du oder eine Firma wie VW Geld benötigen, dann gehen sie zur Bank und nehmen einen Kredit auf. (Firmen könnten auch Geld über Aktien und Besitzanteile Geld einnehmen, aber bleiben wir erstmal bei den Banken.) Sagen wir mal sie bekommen 1000€ und müssen in einem Jahr 1005€ wieder zurückzahlen, also 0,5% Zinsen. Das bedeutet die Bank schreibt einfach in ihre Bilanzbücher dass du ein normales Girokonto mit 1000€ Guthaben und ein Kreditkonto mit -1000€ Belastung hast. Das Girokonto kannst du jetzt wie jedes normale Konto benutzen und das Geld ausgeben und das Zinskonto musst du irgendwann tilgen, also das Geld zurück zahlen. Sobald du es zurückzahlst ist das Geld auch wieder weg, die Zinsen behällt die Bank um ihre eigenen Ausgaben zu tätigen wie Personal, Strom usw. Damit kann die Geldmenge theoretisch je nach Wirtschaftslage wachsen oder auch schrumpfen.

Für Staaten ist dieser Prozess etwas komplizierter gestaltet, läuft aber generell auf das gleiche Prinzip hinaus: Der Staat gibt Staatsanleihen aus, welche du dir wie einen Kredit vorstellen kannst, den beliebige Menschen oder Firmen an den Staat ausstellen. Du bezahlst z.B. 1000€ an den Staat der dir verspricht in einem Jahr 1005€ zurückzugeben. Damit ist ersteinmal persee nicht neues Geld erschaffen aber beliebige Menschen oder Firmen können sich ja z.B. von Der Bank Geld leihen und damit die Staatsanleihen kaufen. Dadurch wird die Geldmenge dann erhöht.

Und wenn kein Private Instanz mehr bereit ist die Staatsanleihen zu kaufen, dann kann die Zentralbank (über Umwegen) die Staatsanleihen kaufen und somit fast direkt Staaten finanzieren. Diese Erschafft dann dieses Geld genauso aus dem nichts und der Staat kann das Geld einfach ausgeben.

Das System ist so wie es ist eigentlich relativ gut um Wirtschaftliche Schwankungen abzubilden. Allerdings war die 0-Zinz-Politik ein Killer dieses Systems weil ohne Zins der Anreitz weggeht das Geld auch zurückzuzahlen. Wenn du schulden hast und darauf Zinsen bezahlen musst, dann steigt diese Belastung über die Zeit durch die Zinsen. Denn irgendwann steigt eben auch das Risiko, dass du/die Firma/der Staat das geliehene Geld nicht mehr zurückzahlen kannst und dann leiht dir auch keiner mehr Geld (weil sonst die Bank auf deinen Schulden sitzen bleibt). Wenn die Zinsen aber 0% sind, dann können sich alle Menschen beliebig ohne große Konsequenzen Geld leihen, ein Grund warum die Geldmenge gestiegen ist.

Denn was wenigstens die letzten 10 Jahre passiert ist ist, dass sich die Finanzindustrie dieses “billige“ Geld geliehen hat und in Aktienmärkte, Immobilien usw. gesteckt hat. Wenigstens durch diese Geldflut sind diese Produkte im Wert gestiegen und wenn man genug und breit investiert war konnte man so problemlos mehrere Prozent Gewinn jährlich machen und damit die Kredite auch problemlos wieder zurück zahlen. Sagen wir mal du leihst dir für 1% Zinsen 1.000.000€ , dann musst du nach einem Jahr 1.010.000€ zurückzahlen, also 10.000€ aber weil das viele Menschen machen ist der Aktienmarkt um 5 bis 10% gestiegen. Durch diese Aktionen hast du also wenigstens 4% Gewinn durchschnittlich gemacht.

Die Finanzindustrie weiß das natürlich ganz genau und hat das auch lange durchgezogen und sehr viel Gewinn gemacht aber rate mal wer am Ende dafür bezahlt… Zusätzlich haben natürlich auch viele Staaten die billige Geldphase ausgenutzt und investiert. All das führt zu einer größeren Geldmenge weil immer mehr Kredite ausgegeben werden. Schau dir einmal die größten Deutschen Firmen an, die Autobauer VW, BMW und Daimler aber auch der Staat sind alle Horrend verschuldet, die Schulden des Einen sind der Gewinn des Anderen in diesem System.

Was wir also geschaffen haben ist ein System, wo das Geld grundlegend aus dem Nichts erstellt wird und mittels Firmenanteile, Immobilien oder Staatsanleihen besichert wird. Diese Kredite werden wieder in diese Anlageklassen gesteckt was deren Wert steigert und sich die Finanzindustrie dadurch wieder mehr Kredite ausstellen lassen kann weil ja ein größerer Sicherheitswert dem Kredit gegenüber steht. Diese neuen Kredite werden dann wieder in Aktien und Staatsanleihen gesteckt usw…

Aber ich möchte auch betonen, dass nicht die Geldmenge alleine entscheidend für die Inflation ist. Wenn der Geldmenge eine wirklich größere Wirtschaft durch den Kredit gegenüber steht, dann ist das nicht inflationär. Einfaches Beispiel: du bist mit 10 Leuten auf einer einsamen Insel und jeder hat 1000€, also insgesamt 10.000€. Wenn jetzt 5 Leute dazu kommen würden und jeder auch genau 1000€ mitbringen würde, dann hat jeder danach immernoch im Durchschnitt 1000€ und es gibt keine Inflation. Kommen die Anderen aber alle mit 100.000€, dann sind deine 1000€ auf einmal nicht mehr so viel Wert im Gegensatz zu dem neuen Geld von außen. Wenn es also mehr Firmen oder Menschen gibt, auf die sich die Geldmenge weiter aufteilen kann, dann wirkt das deflationär bzw. der Inflation entgegen.

Aber jeder Kredit, der sich nur gehebelt im Kreis dreht wirkt sich Inflationär aus. Man könnte auch sagen dass dies unproduktive Kredite sind weil sie für die Menschen keinerlei Mehrwert (Wirtschaftsleistung) schaffen aber im Gegenzug dazu sogar Werte zu anderen Menschen Umverteilen. Jeder, der durch solche Finanztricksereien leben kann entzieht der Wirtschaft reale Werte die dieser Wirtschaft dann ja auch wieder fehlen und diese Umverteilung nennen wir Inflation.

Ich hoffe das beantwortet einige Fragen.

5 „Gefällt mir“

@DasPie Vielen Dank für deine ausführliche Antwort.

Wenn der Geldmenge eine wirklich größere Wirtschaft durch den Kredit gegenüber steht, dann ist das nicht inflationär.

Da stellt sich für mich noch die Frage: was bedeutet ein „Mehr“ an Wirtschaftsleistung? Wie messe ich diese? Nehme ich den Euro oder Dollar als Maßstab, der dauernd an Kaufkraft verliert… naja, dann macht das irgendwie nicht so viel Sinn. Betrachte ich die durchschnittliche Geldmengenausweitung der vergangenen Jahrzehnte und vergleicht das mit dem Wirtschaftswachstum, dann komme ich zu dem Schluss, dass die Wirtschaft eigentlich schon lange Zeit nur am Schrumpfen ist :grin:

Ich habe im heutigen Livestream von Roman auch noch einen Teil der Antwort gefunden. Wen es interessiert:

von 10:30 bis 12:30

Hier der Versuch, die zwei Minuten sinngemäß wiederzugeben:

In der Theorie müssen Kredite zurückgezahlt werden, aber wenn schneller Kredite geschaffen werden als alte zurückgezahlt werden (was eine Folge zentraler Geldschöpfung ist), dann sehen wir, dass die Geldmenge immer weiter steigt. In der Corona Pandemie wurde beispielsweise fast gar nichts mehr zurückgezahlt und dafür ganz viel neues Geld erschaffen. Die Geldmengenausweitung in dieser Zeit macht ungefähr jeden dritten jemals erschaffenen US Dollar aus. Als man dann „völlig überrascht“ (surprised pikachu face) festgestellt hat, dass die Geldmengenausweitung zur Inflation führt (wenn auch verzögert), hat man den Leitzins hochgesetzt. Ist der Zins für ein Geld höher, kann man sich schlechter neue Kredite nehmen. Das heißt: die alten Kredite werden mit der Zeit zurückgezahlt (permanenter, fortlaufender Prozess) aber es kommen weniger neue hinzu, deshalb sinkt die Geldmenge erstmal.

1 „Gefällt mir“

Jaa, den Stream hör ich auch gerade nach :grin: Und ich bin überrascht wie er das was ich grade aufgeschrieben habe knapp zusammenfasst.

Das ist eine gute Frage und die kann ich nicht direkt beantworten. Stell dir aber einmal die Frage: Was ist die „Wirtschaft“ genau bevor du sie vermessen willst. Wie definierst du Wirtschaft?

Für mich ist die Wirtschaft die Gesamtheit von Angebot und Nachfrage. Also alles was Menschen haben wollen und alles was diesen Menschen angeboten wird. Aber wie willst du das messen? Es gibt viele Versuche und Kennzahlen, die die Wirtschaftsleistung zusammenfassen versuchen: das BIP, Anzahl der Bevölkerung pro Geldmenge, Arbeitslosenquote, Aktienkurse bzw. Geldwertumrechungskurse usw. Aber all diese Messgrößen geben nur ein Indikator für die Wirtschaft wieder aber nie ein einzelnen Gesamtüberblick.

Die Wirtschaft ist so komplex wie das menschliche Handeln und Zusammenleben, alles auf einzelne Zahlen zu reduzieren wird nie die Komplexität der Wirtschaft widerspiegeln können.

Aber du hast recht, wenn das Wirtschaftswachstum gemessen im BIP unterhalb der Inflation ist bemessen in dem jeweiligem Geld, dann schrumpft die Wirtschaft auch wenn das BIP (durch die Inflation) im Zahlenwert sogar steigt.

1 „Gefällt mir“

Interessantes Beispiel. Aber durch die gestiegene Anzahl an Personen steigt ja auch die Nachfrage an Waren. Sofern nicht auch das Angebot entsprechend erhöht werden kann, müsste dies trotzdem zu erhöhten Preisen führen.

Was aber würde passieren wenn die 5 neuen Leute ohne Geld dazukommen und die bereits vorhandenen 10.000€ sich auf die nun 15 Personen aufteilen würden? Bleiben dann, wegen erhöhter Nachfrage aber gleichbleibender Geldmenge, die Preise gleich? Dies wäre dann trotzdem eine (indirekte) Preissteigerung, weil man jetzt weniger Geld hätte, aber das Verhältnis zwischen Besitz und Kosten dennoch steigen würde.

Ja, die Nachfrage an Waren steigt, aber dieser Nachfrage steht ja auch neues Geld gegenüber sodass es meiner Meinung nach keine Inflation geben sollte:

  • Vorher: 10.000€ teilen sich auf 10 Leute auf, also jeder hat im Durchschnitt 1.000€

  • Nacher mit gleichmäßigem neuem Geld: 15.000€ teilen sich auf 15 Leute auf, also hat immernoch jeder im Durchschnitt 1.000€

  • Nacher ohne neues Geld: 10.000€ teilen sich auf 15 Leute auf, also hat jeder im Durchschnitt weniger Geld: 666€

  • Nacher mit deutlich mehr Geld: 110.000€ teilen sich auf 15 Leute auf, also hat jeder dann im Durchschnitt 7333€, also mehr Geld.

Du kannst dir das auch zeitlich vorstellen, die Neuankömmlinge ohne Geld müssen sich die Waren der Anderen erst erarbeiten. Das heißt die neuen müssen etwas produzieren oder Dienstleistungen vollbringen, für die die Anderen bereit sind ihr Geld abzugeben und mit der Zeit wandert das Geld also von den Ersten zu den Neuankömmlingen, wenn sie der Gemeinschaft beitreten. Die Anderen verlieren aber durch dieses Angebot an Geld (1000€ → 666€) während die neuen Geld gewinnen (0€ → 666€). Zu Beginn müssen die Neuen also mehr arbeiten aber nach einer Arbeitsphase sind die Neuen dann wieder gleichberechtigt in ihrer Kaufkraft zu all den Anderen.

Anders sieht es aus wenn die Neuen mit Geld ankommen. Haben sie verhältnismäßig gleichviel Geld (1000€), dann ändert sich nicht viel in der Wirtschaft. Die Neuen können sofort auf dem Inselmarkt genauso gleichberechtigt handeln wie die Einheimischen, für jede Arbeit mit der sie Geld einnehmen können sie andere Arbeiten einkaufen.

Wenn die Neuen aber mit deutlich mehr Geld kommen (5*20.000€), dann haben sie ersteinmal einen deutlichen Vorteil in ihrer Kaufkraft gegenüber den Einheimischen. Die Neuen müssen dann also ersteinmal weniger Arbeiten und können trotzdem die Dienstleitungen der Einheimischen in Anspruch nehmen. Das verteilt dann aber ihr Geld (20.000€ → 7.333€) zu den Einheimischen (1.000€ → 7.333€). Nach dieser Findungsphase sind auch die Neuen wieder gleichberechtigt und müssen genauso viel Arbeiten wie die Einheimischen.

Aber anhand dieser Beispiele siehst du, wie sich die Gesamtgeldmenge auswirkt. Du kannst dir ja auch exemplarisch anschauen was passieren würde wenn sich die Menschenanzahl ändert und nicht die Geldmenge. Aber du siehst eben auch, wass passiert, wenn der Durchschnitt von Geld pro Wirtschaftsentität steigt oder abfällt. (Auch eine Firma kann als eigenständige Entität angesehen werden weil auch eine Firma, Verein oder Staat Geld spart und besitzt und somit eigene Nachfrage und Angebote in die Wirtschaft bringt)

Wenn der Durchschnitt sich nicht ändert, dann gibt es auch keine Inflation oder Deflation. Die Wirtschaft wird größer, es gibt mehr Nachfrage aber auch ein erhöhtes Angebot. Wenn das durchschnittliche Geld absinkt bedeutet dass, dass die Menschen, die vorher mehr Geld hatten auch mehr von diesem Geld kaufen konnten und sich ein schönes Leben machen konnten. Das ist Deflation für die Einheimischen. Ist der Durchschnitt aber größer weil deutlich mehr Geld dazu kommt, dann müssen die einheimischen diesen Wertunterschied ersteinmal abarbeiten. Das ist Inflation.

Und wichtig: Ich rede hier immer nur vom Durchschnitt. Natürlich wird jemand, der mehr Arbeitet in so einem System auch mehr Geld bekommen. Nur die Geldregeln sind für alle gleich, trotzdem ist es wichtig dass jeder auch ein unterschiedliches Vermögen haben muss, ansonsten ist das Konzept von Geld als Wertspeicher sinnlos. Denn dann würde alleine ja schon ein einziger Handel nichts werden weil du ja Ware bekommst und Geld abgibst, die Gleichmacherei dir das Geld aber sofort wieder zurück in deine Tasche steckt. So funktioniert Wirtschaft aber nicht weil es ja dann bei so einem Handel keine faire Gegenleistung gibt.

Wenn sie - überspitzt formuliert - doof wären, dann schon.

Wie passiert es aber in der FIAT Welt? (Hier kommen sie mit mehr Geld auf die Insel, weil sie es sich einfach leihen können.) Sie kaufen natürlich keine Dienstleistungen, sondern sie erwerben Vermögen. Sie kaufen den ersten 5 einfach ihre Häuser ab und müssen langfristig eben nicht so viel arbeiten wie die Einheimischen, denn die müssen schließlich Miete zahlen.

1 „Gefällt mir“