Welche Architektur wird im kommenden Bitcoin Zeitalter regieren?

Liebes Forum,

wer von euch hat sich mit Architektur beschäftigt? Vor dem Ersten Weltkrieg, als Gold und Silber noch gängige Währungen waren, entstanden beeindruckende Bauwerke im Stil des Neoklassizismus sowie verschiedener historistischer Strömungen wie der Neogotik, Neoromanik und Neorenaissance.

An der Wende zum 20. Jahrhundert kam der Jugendstil auf, doch musste er schnell wieder weichen. Mit dem Ersten Weltkrieg wurde Fiatgeld eingeführt, und eine neue Ära der Architektur begann: das Bauhaus. Dieser Stil, geprägt von industrieller Massenproduktion mit Stahl und Glas, setzte sich durch – von Kritikern oft als kühl und traurig empfunden.

Nun frage ich mich, welcher Architekturstil wohl durch Bitcoin an Bedeutung gewinnen könnte. Könnte ein neuer Minimalismus entstehen? Vielleicht modulare Häuser aus umgebauten Schiffscontainern, die sich ausfahren und flexibel umplatzieren lassen?

Oder sehen wir eine weitere Entwicklung in Form von klaren Linien, funktionalen Strukturen, aber mit hochmodernen Materialien, ähnlich wie es heute schon der Fall ist?

Oder eine Rückbesinnung auf den Jugendstil, mit Augenmerk auf Wärme, Überfluss und Verspieltheit?

Ich bin gespannt auf eure Gedanken!

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Vielen Dank für das Teilen Deiner Gedanken. Ich habe mich, bedingt durch mein Studium und meinen Beruf, bereits lange und intensiv mit Architektur beschäftigt. Aber tatsächlich hat mich erst Dein Thread hier dazu veranlasst, mich näher mit der Frage

zu befassen.
Folgendes Szenario möchte ich daher sehr gerne zur Diskussion stellen:

Ich halte es für denkbar, dass sich durch Bitcoin im Laufe der Zeit ein globaler Architekturstil entwickelt, welcher aus dem Spannungsfeld der technologiegetriebenen Globalisierung einerseits und der Wechselwirkung (oder Synthese?) eines aufstrebenden Individualismus und eines kritischen Regionalismus andererseits hervorgehen könnte. Diesen neuen Architekturstil würde ich dabei nicht einfach als eine Überlagerung oder eklektische Interpretation bestehender Stile verstehen, sondern als einen dynamischen Entwicklungsprozess, welcher Tradition und Moderne, Gemeinschaft und Individualität sowie globale Kooperation und lokale Identität miteinander verbindet. Er könnte zunächst als eine Art Gegenströmung zur zeitgenössischen, universellen und abstrakten Architektur des ort- bzw. identitätslosen internationalen Stil der Moderne in Erscheinung treten. Allerdings könnte sich die Architektur – mit zunehmender Abkehr vom Fiatstandard und Voranschreiten der menschlichen Zivilisation unter einem absolut harten Geld – schrittweise von jeder aufgezwungenen, „internationalen“ Formensprache und von jedem Zwang zur Vereinheitlichung und Konformität befreien. Daraus könnte schließlich eine differenziertere globale Architektursprache hervorgehen, welche auf die Einzigartigkeit des Ortes, der Natur und des Individuums direkt Bezug nehmen würde. Beispielsweise könnte durch Verwendung lokaler Materialien sowie regionaler Bau- und Handwerkstraditionen der kulturellen Identität der Menschen Rechnung getragen werden, ohne sich dabei den technologischen Einflüssen einer globalisierten, arbeitsteiligen Weltgemeinschaft kategorisch zu verschließen.
In diesem Entwicklungsprozess würde wahrscheinlich auch eine Abgrenzung von jeglichem nostalgischen Historismus oder dem allgemeinen Hang zu oberflächlich Dekorativem stattfinden; weniger „Schnickschnack“, mehr „Form follows function“ sozusagen. Einem Revival des Jugendstils oder des Klassizissmus würde ich langfristig jedenfalls keine bedeutende Rolle zuschreiben – auch wenn ich als Bewunderer eines Otto Wagners oder Leo von Klenzes diesen Stilen sehr zugeneigt wäre. Aber vielleicht irre ich mich hier auch. In jedem Fall gehe ich im skizzierten Szenario davon aus, dass der globale Architekturstil letztlich zum Spiegelbild des Wertekanons einer sehr weit fortgeschrittenen menschlichen Zivilisation werden würde.

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Dazu müsste der BTC zunächst Zahlungsmittel Nr.1 werden - sehr fraglich.
Davon abgesehen, ich glaube nicht, dass es hier eine Wechselwirkung gibt. Ein Architekturstil ist nichts weiter als eine Mode- oder Zeitgeisterscheinung, die mMn nicht maßgeblich vom gegenwärtigen Zahlungsmittel geprägt ist.
Natürlich ist diese Mode langfristig, weil Bauten nicht so einfach wie Hosen und Röcke ausgetauscht werden können. Aber hier einen Zusammenhang zu konstruieren, halte ich für zu weit hergeholt.

Das erinnert mich etwas an: „Das Internet ist nur ein Modeerscheinung“… Aber im Ernst, du hast schon Recht: ein Architekturstil spiegelt immer auch den Zeitgeist einer Epoche wider. Das wird insbesondere in Zeiten großer gesellschaftlicher Umbrüche deutlich (man denke hier beispielsweise an die Aufklärung oder die industrielle Revolution). Es ist daher kein Zufall, dass gerade in diesen Zeiten des Wandels (oder als unmittelbare Antwort darauf) einige der bekanntesten Architekturstile, wie etwa der oben erwähnte Klassizismus, Historismus, Jugendstil oder Bauhausstil entstanden sind.
Sollte Bitcoin also (analog zur „Internet-Modeerscheinung“) tatsächlich nicht mehr verschwinden (was ja schließlich auch die Grundannahme des Threads ist, ohne die man hier auch nicht zu diskutieren bräuchte), so können wir sicherlich davon ausgehen, dass die Etablierung eines globalen, harten Geldstandards enorme Auswirkungen auf unsere Zivilisation und somit auch auf unsere gebaute Umwelt – d.h. auf die Architektur – haben wird. Und sich nun Gedanken über etwaige Architekturstile eines „Bitcoin-Zeitalters“ zu machen, finde ich (nicht nur als Architekt) ziemlich spannend.
Ich würde mich daher sehr freuen, wenn hier noch weitere Rückmeldungen kämen.

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