Urlaubsbericht von El Salvador - Wie ist der aktuelle Stand für Bitcoin dort?

Wir waren im Oktober in El Salvador, auf eigene Faust. Wir, das ist meine kolumbianische Lebensgefährtin und ich. Dadurch, dass wir beide spanisch sprechen, war die Kommunikation mit allen Bewohnern dort ohne Probleme möglich und wir konnten so ungefiltert Informationen sammeln.

Alles in allem war es ein tolles Erlebnis, mit Highlights wie einem Abendessen mit Bitcoinern des Bitcoin Beaches, bei denen wir auch mit Auswanderern, die mit Bitcoin in El Salvador ihr Ziel gefunden haben, sprechen konnten.

Rene vom Bitcoin Beach sowie ein Australier konnten meiner Lebensgefährtin besser als ich selbst Lightning näher bringen und sie hatte es danach auch immer gerne probiert, damit zu zahlen.

Die ersten drei Tage waren wir an der Playa El Pimental, südlich des Flughafens von San Salvador. Niemand hatte dort eine Bitcoin Zahlung annehmen wollen, jeder war mit Kreditkarte oder Bargeld glücklich. Mir ging deshalb recht bald mein mitgebrachter Dollerbestand zu Ende. Einer der Hotelangestellten hatte sich dann bereit erklärt, 50 Dollar per Lightning auf sein Chivo Wallet zu erhalten und hatte mir dafür dann weitere 50 Dollar Bargeld gegeben, damit wir in den umliegenden Restaurants weiter essen konnten.

Danach hatten wir uns dann einen Leihwagen genommen und haben das Land dann auf eigene Faust bereist. Am Flughafen hatte ich eine Bank gefunden, die in den Räumen auch einen Chivo Automaten hatte. Dort holte ich mir Bargeld mit Bitcoin ab. Es gab vor der Bank eine lange Schlange, man lässt immer nur einen Kunden in die Bank. Ich konnte an der ganzen Schlange vorbei, weil sich niemand für Chivo anstellte, sondern andere Bankgeschäfte tätigen wollte. Erste Ernüchterung. Der Chivo Automat war in eine Ecke gequetscht, war schon etwas seltsam, aber es ging.

Insgesamt haben wir drei oder vier mal Geld an verschiedenen Chivo Automaten abgeholt, und dabei folgendes festgestellt:

  • Die Abhebung erfolgt in 20$ Schritten, da der Automat lediglich 20 Dollar Scheine hat.
  • Die Abhebung erfolgt nicht über das Lightning Netzwerk, sondern onchain, wodurch die Auszahlung erst erfolgte, wenn die nächste Block geschrieben wurde und so die Transaktion auch wirklich eingetragen wurde. So klappte es mal innerhalb weniger Sekunden (Glück gehabt), auch schon mal 1-2 Minuten und beim letzten Mal tatsächlich fast eine halbe Stunde, vielleicht weil mein Wallet zu wenig Transaktionsgebühren zahlen wollte und ich so nicht in den nächsten Block reinkam.
    In diesem Fall erhält man dann einen Ausdruck vom Automaten, und sobald man feststellt, dass in der eigenen Wallet die Transaktion durch ist, dann kann man mit diesem Ausdruck zum Automaten zurück und sich das Geld auszahlen lassen. Das geht allerdings NUR an dem jeweiligen Chivo Automaten, wo man die Transaktion gestartet hatte.
  • Die Gebühren können für eine 20 Dollar Abhebung schon ordentlich ins Geld gehen, das habe ich erst später festgestellt. Also besser einen höheren Betrag auszahlen lassen, damit es sich lohnt. Natürlich könnte man auch einen normalen Bankautomaten nehmen, davon gibt es genug, aber man will ja das Bitcoin Feeling in vollen Zügen genießen.

Natürlich war dann El Zonte, El Tunco und La Libertad das erste Anlaufziel. Es waren viele Surfer unterwegs, nicht mein Ding aber es war schön anzusehen. Und endlich konnten wir immer mal wieder mit Bitcoin Lightning bezahlen. In El Zonte ist ja das ganze Projekt damals gestartet und so war dann bei einer Pupuseria oder einem Kiosk auch eine Zahlung von unter 2 Dollar mit Lightning gar kein Problem.

Ich musste bei dem Chivo Wallet immer wieder auf Lightning umstellen. Denn standardmäßig ist die Wallet auf onchain eingestellt. Das Chivo Wallet hat eine Besonderheit: von Chivo zu Chivo ist eine schnelle Transaktion (und ohne Gebühren) onchain möglich, vermutlich ist man ja registriert und so übernimmt quasi die Regierung die Verantwortung, dass die Zahlung durchgeführt wird. Alle anderen Wallets wie Wallet of Satoshi, Blink, Phoenix, Bridge würden dann hohe Gebühren und lange Transaktionszeiten haben. So habe ich mir meist deren Chivo App geschnappt und auf Lightning umgestellt und denen erklärt, warum das bei „Ausländern“ wichtig ist, und dass sie einen QR Code sehen sollten, der viel mehr Punkte hat als sie das gewohnt sind.

Ich hatte ja auch meine „Bitcoin Geldscheine“ mit dabei, mit denen ich orange pillen wollte. Bei Leuten mit einer Chivo Wallet machte das leider keinen Sinn, denn die App hat bis heute noch keine Funktion, einen QR Code zu lesen, um BTC zu empfangen, sondern lediglich, um BTC zu senden. Da ist noch Spiel nach oben bei der Entwicklung.

Eine gute Alternative eines Chivo Wallets für Ausländer wurde mir von Rene bei Bitcoin Beach genannt: Blink (war früher die Bitcoin Beach Wallet und wurde dann umbenannt). Diese hat bisher sehr gut funktioniert.

In San Salvador und anderen Orten konnte ich ab und an mit Bitcoin zahlen, aber auch sehr häufig nicht. Die Leute hatten sich noch nicht damit auseinander gesetzt oder sagten, sie würden es nicht verstehen. Sie hatten sich die 30 Dollar einmal abgeholt und dann das Wallet nicht mehr benutzt. Bei einer Tankstelle zahlte ich einmal in BTC und stellte dabei fest, dass die gesamte BTC Historie der letzten zwei Jahre auf eine Seite eines Ipads passte. Das waren vielleicht 10 Zahlungen, echt ernüchternd. Aber es ging.

Ich habe den Fortschritt und die Aufbruchsstimmung in dem Land gespürt. Wir konnten einige Leute orange pillen, aber viele - gerade auch jüngere Menschen - hatten keinen Bedarf sich damit auseinander zu setzen. Die Ausbildung und Aufklärung in dem Land wird noch viel Zeit beanspruchen, und bis zu dem Zeitpunkt sehe ich leider keine schnellere Verbesserung für das Land.
Wir hatten uns SEHR sicher gefühlt, in jeder Ecke, selbst in den ärmsten Gegenden. Hatte ich so noch in keinem Land erlebt.
Ich bin froh, diese Reise gemacht zu haben, denn ich wollte den aktuellen Stand kennen lernen und so die Entwicklung in den nächsten Jahren zu sehen.
Noch ist dieses Land für uns aber nicht interessant als Ziel für eine Auswanderung oder längere Aufenthalte. Zu groß ist noch der Rückstand zu anderen Ländern. Ich sehe das Potential und wünsche es dem Land und den Leuten sehr. Ich kann das Land auf jeden Fall für eine Reise empfehlen. Und unterstützt es, in dem ihr mit Bitcoin bezahlt und so Satoshis in das Land spült, entweder kommen sie dem Land selbst zu Gute (wenn der Zahlungsempfänger sich dazu entschließt, Dollar statt Bitcoin zu empfangen) oder den Händlern selbst, die die Bitcoins ohne Umwandlung auf ihr Wallet bekommen.

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Ich würde eher vermuten: Chivo ist custodial, also passiert bei einem Chivo-internen Transfer überhaupt nichts onchain, sondern nur in in der Chivo-Datenbank.

Was du da erlebt hast, ist wahrscheinlich einfach nur die Effizienz zentralisierter Systeme.

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Ja, so ist es auch. :smiley:

Daraus ergibt sich aber auch ein Problem. Wenn Chivo nicht funktioniert, denken die Salvadorianer, dass „Bitcoin“ nicht funktioniert, weil sie leider die Trennung gedanklich nicht machen.

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Das ist ein guter Hinweis, ja, custodial macht Sinn als Erklärung. Die Leute müssen sich auch registrieren. Es wurden ja auch einige Scams gemacht, wo Funds geklaut wurden. Diese wurden dann aber wieder ausgezahlt, das hat die Regierung übernommen.

Das ganze Bitcoin Thema als Zahlungssystem ist so ein komplett anderes Thema als wie wir das hier sehen zum Hodln, dass man sein Mindset erst einmal neu orientieren muss. Ob custodial oder non-custodial… sei mal dahin gestellt, Hauptsache, es funktioniert zuverlässig. Die Sensibilität und das Verständnis kommt dann in einem zweiten Schritt, finde ich. Und was nützt es, auf non-custodial zu bestehen, wenn die Gegenseite gar nicht erst sich mit BTC beschäftigt?! Schritt für Schritt wird es eine Reise zu Bitcoin hin.

Zur Zeit ist wohl auch Strike bei denen in aller Munde, da wird im Moment viel Werbung betrieben. Da habe ich aber keine Einsicht drin.

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Sehr interessant, danke für die Einblicke.
Also doch noch eher im „Spielerei“ Stadium.
Vielleicht springt der Funke erst richtig über wenn
der ein oder andere Satoshi, der fast vergessen war
auf Wallets der Leute… dann plötzlich deutlich mehr wert sein wird.

Meiner Auffassung nach war die Beschreibung „der Staat übernimmt die Verantwortung“ eine gut verständliche Umschreibung für „Chivo ist custodial“.

Ich persönlich bin mittlerweile zum Schluß gekommen, dass die meisten über den Preis zu Bitcoin kommen werden. Einfach weil BTC weniger Nachteile hat als andere Assets, wird er immer mehr Anlegern auffallen die mit bisherigen Anlagen verlieren und dann erst bereit sind überhaupt mal offen hinzuschauen. Andererseits… ganz ohne „Georangepillte“ geht es aber natürlich nicht… langsam trabt das trojanische Pferd der Freiheit :slight_smile:

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Ich glaube, dass in El Salvador niemand Bitcoin als einen Store of Value ansieht, sondern eine Form der Zahlung. Speziell diejenigen, die Unterstützung von Familienangehörigen im Ausland erhalten, sollten daran interessiert sein, die Dollarzahlung über Bitcoin zu erhalten.

Wenn du nichts zum Sparen hast, planst du nicht einmal den nächsten Tag, sondern den heutigen Tag, damit du nicht hungrig ins Bett gehst.

Die Einführung des Bitcoins kam ja eher zum Bärenmarkt, ich habe denen vor Ort erklärt, was ich von den nächsten zwei Jahren halten werde. Ich hoffe, ich habe einige erreichen können. Die Argumente, warum man sich mit Bitcoin beschäftigen sollte, sind jedenfalls sehr unterschiedlich zu den unseren.

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Danke für den Megabericht. Muchas gracias y que bien que disfrutaron!
Ich war letztens in „Bitcoinstadt Arnheim“ in den Niederlanden und habe da auch immer gefragt wie viele Leute (ausser mir) so mit Bitcoin zahlen:

  • Bus/Nahverkehr: geht nicht, auch kein Bargeld, nur Kredit- und Debitkarten
  • Spar-Markt am Hauptbahnhof (auf BTC-Karte eingetragen): Zahlung (Lightning) kein Problem; gesondertes Gerät für Bitcoinzahlungen liegt bereit, aber wenige zahlen damit lt. der Kassiererin. Es war reger Publikumsverkehr bei meinem Besuch und ich habe noch gemütlich dort Kaffee getrunken und dennoch während dessen keine weitere Bitcoinzahlung beobachten können.
  • Restaurant 1 (auf BTC-Karte eingetragen): ging ohne Probleme (Lightning). Trinkgeld Bar.
  • Restaurant 2 (auf BTC-Karte eingetragen): mussten erst mal fragen ob es (noch) geht (Lightning), auch hier erschreckenderweise kein Bargeld möglich. Sowohl bei Karten- als auch bei Bitcoinzahlung konnte man als Kunde das Trinkgeld nur durch Kommunikation (nicht diskret) mitteilen, was dann eingegeben wurde am Tisch. Ich finde das immer etwas unangenehm und bevorzuge die spanische Variante (eventuelles Trinkgeld in Abwesenheit des Kellner einfach hinlegen und gehen)
  • Coffeeshop (nicht auf BTC-Karte eingetragen): keine Bitcoinzahlung möglich, aber die Dame fand die Idee sehr interessant
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Ich verstehe immer noch nicht, ob es dort rentabler ist, Bitcoins zu kaufen als beispielsweise in Argentinien?

Wie meinst du das? Für wen? Ist Bitcoin nicht international? Es ist auf jeden Fall LEICHTER in El Salvador, z.B. Bitcoin mit Bargeld zu kaufen (da du 20$ einzahlen kannst an den Chivo Automaten etc, da ist ja alles offiziell). Von Argentinien habe ich noch keine Ahnung, meine argentinisvhen Freunde bisher haben mir noch nichts von Bitcoin erzählt.

Mir wurde gesagt, dass Argentinien einen besseren Bitcoin-Kurs hat.

Thanks for sharing!

Generell eine schwierige Aussage. Es gibt in Argentinien eine ganz komische Handhabung. Du bekommst offiziell nur halb so viel “Pesos” wenn du elektronisch Dollar hergibst (Kreditkarte, Banabhebung), das wird vom Staat kontrolliert.

Wenn du aber auf dem freien Markt deine Dollar eintauschst gegen Pesos, bekommst du die doppelte Menge. Hatte vor kurzem noch eine Dokumentation darüber gesehen.

Ich sehe ähnliches Verhalten dann bei Bitcoin, je nachdem mit welcher “Art” des Geldes du ankommst.