Praxeologie - Bitcoins Elfenbeinturm?

Ich muss gestehen, dass ich nur den Anfang des Artikels gelesen habe. Da er mit meinem Vorwissen übereinstimmte, habe ich mir den Rest geschenkt. Danke für den Hinweis.

Rationalität ist weder objektiv noch subjektiv. Rationalität ist intersubjektiv, also von der Mehrheit als „richtig“ angesehen. Edit: Wie du ja auch kurz danach ausführst/anmerkst.

Nach dem Lesen Deiner Hinweise ändert sich nichts an meiner Aussage:

Würde die ÖS so argumentieren, würde ich ihr Bequemlichkeit vorwerfen. Hätte die Psychologie für sich nicht die Notwendigkeit der Experimente anerkannt, wäre sie heute nicht weiter als die ÖS. Insofern bleibe ich dabei:

Logik schafft Theorien, Experimente schaffen Erkenntnisse.

Im Übrigen habe ich vor kurzem irgendwo gelesen - ich weiß leider nicht mehr wo - dass Physiker das Verhalten von Wellen exakt beschreiben können, ohne jedes einzelne Teilchen darin kennen zu müssen. Insofern arbeiten Physiker (wie Psychologen) auch mit BlackBoxen.

Hans Albert kritisiert die Verquickung von normativer (ordnungspolitischer) Problemstellung und dem Erklärungsproblem von wirtschaftlichen Verhaltensweisen und Institutionen (wie etwa zu lösen versucht durch eine Marktsoziologie) als politische Ideologie. Sie werde mit einer Begriffskonfusion hinsichtlich „Rationalität“ logisch erschlichen.[2] Insbesondere sei es logisch nicht möglich, die ethische Bewertung von Mitteln durch die Neutralisierung der Ziele auszuschalten; denn dies liefe auf die Regel hinaus, der Zweck heilige jedes Mittel.

Quelle: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Praxeologie_(Wirtschaftswissenschaft)

Aber es geht doch gerade nicht um Rationalität?

In „der Zweck heilige die Mittel“ steckt ja wiederum eine Wertung. Nämlich welcher Wert dem Zweck zugeschrieben wird.

So wie ich die Praxeologie verstehe blendet sie doch genau dies absichtlich aus, um keine Wertungen vornehmen zu müssen, sondern nur zu schauen was passiert und nicht wieso/weshalb/warum.

Die Marktsoziologie wird hier aber nicht als politische Ideologie verstanden, oder auch?
Der Satz will gerade nicht in mein Hirn.

Worauf ich aber eigentlich hinaus will: Die Soziologie hat mich über folgendes Buch stolpern lassen. Markt ist nicht gleich Wirtschaft.

Ich habe das Buch nicht gelesen, aber der Titel spricht mich irgendwie an und passt in meine Vorstellung von Wirtschaft.

Die Praxeologie beschreibt die Basis des Handels, sie ist das nicht belegbare, aber gut begründbare Axiom. In einer fiktiven Welt könnte sie Zusammenhänge im Prinzip grundsätzlich erklären.

Aber jetzt kommt der Mensch. Als ein Akteuer innerhalb von Institutionen und vielen anderen Akteueren. Ob Parteien, Medienhäuser, etc. Sie sind Teil von (sozialen) Konstruktionsprozessen.

In der Folge erlegen sich Menschen Regeln auf die Einfluss auf das Zusammenleben haben, und davon unabhängig entstehen Statussymbole und andere Verhaltensweisen bspw. als Teil von Zuordnungen zu sozialen Gruppen. Dieses Verhalten trägt sicher nicht immer zu einer optimalen Verteilung der Ressourcen bei, wobei die Praxeologie dies wiederum wahrscheinlich verneinen würde. Bzw. vielleicht auch nicht. Die Praxeologie spricht von effizienten Märkten, niemals von optimalen Märkten. Denn diese bräuchte eine Wertgrundlage anhand derer man Bewerten könnte. Und sowohl die Auswahl dieser Kriterien, als auch die Bewertung selbst, würden - bei aller Objektivierung - stets subjektiven Chrakter haben.

Woran ich gerade denke: AirUp. 30€ für eine Plastikflasche, die die Nutzer:innen regelmäßig mit Duftpatronen füllen müssen, um die Funktionalität beizubehalten. Hohe Kosten, viel Müll, aber glückliche Kinder, die darüber Zugehörigkeit erfahren und soziale Anerkennung.

Sind die Ressourcen optimal verteilt worden?

Das Kind sagt vielleicht ja. Ich sage jein. Die Praxeologie sagt: Mir egal, Menschen haben gehandelt. Wie sie das getan haben? Schau’ einfach hin.

Mich befriedigt das nicht. Die Soziologie (beispielsweise mit Theorien der sozialen Anerlennung und den diversen Akteuren) liefert mir viel stichigere Erklärungen. Damit kann ich viel eher Vorhersagen in der Realität treffen, als ich es mit der Praxeologie alleine könnte.

Was ist eine Aprioristisch-deduktive Methode dann?

Der Deduktivismus ist eine philosophische Position, die deduktiven Denkformen oder Argumenten Vorrang vor ihren nicht-deduktiven Gegenstücken einräumt. Er wird oft als die bewertende Behauptung verstanden, dass nur deduktive Schlüsse gute oder richtige Schlüsse sind. Diese Theorie hätte weitreichende Folgen für verschiedene Bereiche, da sie impliziert, dass die Regeln der Deduktion „der einzige akzeptable Beweisstandard“ sind. Auf diese Weise wird die Rationalität oder Korrektheit der verschiedenen Formen des induktiven Schließens geleugnet.

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Deduktion

Leugnen trifft es für mich. In dem Ausmaß, in dem ich bestimmte Argumente bevorzuge (z.B. Reiche verlieren Kapital, weil ihre Investitionen nicht risikofrei sind), leugne ich Rationalität obwohl ohne diese keine Bevorzugung erfolgen kann. Das Arme einem größeren Marktrisiko ausgesetzt sind als Reiche, weil Geld auch der Risikominimierung (z.B. Marktforschung) dienen kann, zieht die ÖS gar nicht in Betracht. Wer kann die Bevorzugung von Argumenten gegenüber anderen ohne Rationalität erklären?

Korrekt. Doch im Gegensatz zur Praxeologie bzw. der ÖS leugnet der Autor die Wertung nicht.

Warum gibt sie Pro-Argumenten den Vorrang und verschweigt die Gegenargumente?

Politische Ideologie verstehe ich als Bevorzugung bestimmter Argumente und leugnen ihrer Gegenargumente.

Sie beschreibt nur einen Teil möglicher Handlungen. Wissenschaft hingegen setzt sich mit allen möglichen Handlungen auseinander. Allein die Empirie zeigt auf, welche der theoretisch möglichen Handlungen von praktischer Relevanz sind.

:heart:

PS: Danke für den Austausch. So langsam kann ich für mich greifen, was mir an der Praxeologie nicht gefällt.

Danke für Euren Input. Ich versuche nachfolgend meine Lesson Learnt bzw. meinen aktuellen Stand zum Thema Praxeologie / Österreichische Schule zusammenzufassen.

Die Praxeologie geht von handelnden Menschen aus (Pro). Diese Axiom belegt sie damit, dass selbst die Wiederlegung der Praxeologie eine Handlung darstellt (Kontra). Dass Menschen handeln, sagt also nichts darüber aus, wie sie handeln.

Nach Mises handelt jeder Mensch, indem er sich für ein Ziel entscheidet und dieses verfolgt. Dieses vernunftgeleitete Handeln definiert Rationalität, wie sie die rein wirtschaftswissenschaftlichen Theorien annahmen und die Österreichische Schule (ÖS) vorgibt abzulehnen.

Mises betrachetete die Praxeologie als wertfreie Wissenschaft. Ihre „strenge Logik“ geht vom menschlichen Handeln aus, um zwischen Signal und Rauschen zu unterscheiden. Offen lässt die Logik der ÖS, warum negierte Handlungen in ihr keine Beachtung finden. Das wäre wertfrei.

Zur „strengen Logik“ der österreichischen Schule gehört die Beantwortung der Frage: Hat eine Handlung die gewünschten Konsequenzen? Warum wird diese Frage unabhängig vom Kontext wie Arme vs. Reiche beantwortet? Kulturen prägen unser Handeln stärker als einzelne Menschen.
Wo ist der Unterschied zwischen der „strengen Logik“ der österreichischen Schule und der willkürlichen Auslese von Argumenten?

Nach Mises sind die Ziele und Wahl(-entscheidungen) der Menschen empirisch weder zu überprüfen noch zu widerlegen. Warum verdienen Konzerne wie Facebook dann ihr Geld mit derartigen Wahlentscheidungen?

Die Österreichische Schult hält quantitative Vorhersagen für unmöglich und beschränkt sich auf die Vorhersage von Mustern. Genau das tun Google und Co auch. Warum nutzen letztere dann Statistiken und empirischen Methoden und die ÖS lehnt diese ab?

Wie können #Praxeologen die Fehler in ihrer Denkschule aufdecken, wenn sie auf empirische Methoden und Modelle verzichtet? Woher weiß die ÖS, dass ihre Beschreibung des IST-Zustandes der Realität entspricht, wenn sie sich weigert, diese empirisch zu beobachten?

Die Weltwirtschaft ist zu komplex, als dass sie die ÖS empirisch untersuchen könnte, argumentieren Praxeologen. Ist sie komplexer als Teilchen- oder Astrophysik? Hätte sich die Physik nie professionalisiert, wüssten wir bis heute nicht, ob Einstein recht hat.

Erst die Unterscheidung zwischen theoretischer und praktischer Physik half uns, unsere Welt zu erkennen. Theorien alleine sind nutzlos, solange uns das Wissen um ihre Fehler fehlt. Die Empirie stellt die Theorien der Physik auf die Probe wie es keine Logik vermag.

Für mich ist die Praxeologie die theoretische Physik der Wirtschaftswissenschaften. Um ihre Daseinsberechtigung zu belegen, ihre Zukunft zu sichern, ist wirklich praktische Praxeologie von Nöten. Ich kann der ÖS keinen Glauben schenken, solange sie sich nicht der Empirie stellt.

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Ich möchte nur kurz festhalten, dass ich diesen Thread sehr gut finde. Ist ein umfangreiches Thema und aktuell fehlt mir leider die Zeit tiefer drauf einzugehen (wollte ich nur erwähnen, da ich nicht mehr geantwortet habe) - doch solch ein sachlicher und im Ton respektvoller Gedankenaustausch bringt mir immer einen Erkenntnisgewinn (auch als reiner Mitleser :slight_smile: ).
Daher danke @Achse (und @HODLer , @DasPie und @Marsyoshi ) für deine (/eure) Gedankenanstöße!

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Ich habe die Diskussion in größere Runde getragen. Falls ihr sie verfolgen möchtet:

https://twitter.com/LiveWithBitcoin/status/1625433835641966593

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