Goldener Käfig

Ihr lieben,

ich möchte gerne einige Meinungen/Impulse zu meiner persönlichen Lebenssituation sammeln. Da das Forum und die Personen durchweg gemischt sind, erhoffe ich mir die ein oder andere interessante Perspektive.

Ausgangssituation

Ich bin Mitte 30 und in einem sicheren Angestelltenverhältnis mit einem 6-stelligen Jahresgehalt zzgl. üppiger betrieblicher Altersvorsorge. Das derzeit in >95% von zu Hause aus und an manchen Tagen arbeite ich quasi gar nicht, an anderen >10 Stunden durchgehend. Im Schnitt komme ich effektiv auf vielleicht 10 Stunden pro Woche „echter“ Arbeit, wenn ich das gesamte Jahr betrachte. Den Rest der Zeit verbringe ich mit anderen Dingen (Bitcoin, Haushalt etc.).

Familiär bin ich in einer gesunden Beziehung und wir haben eine Tochter. Zweites Kind in Planung. Die Zeit mit meiner Familie ist mir immens wichtig und mit ein Grund, warum ich hauptsächlich von zu Hause aus arbeite. Das macht vieles in der Betreuung einfacher und die zusätzliche Zeit mit dem eigenen Kind möchte ich nicht mehr eintauschen.

Problemstellung

Ich weiß derzeit irgendwie nicht wohin mit mir und habe keine berufliche Perspektive für die Zukunft außer den Beibehalt des Status Quo. Das macht mich sehr unzufrieden und ich möchte gerne etwas ändern aber irgendwie auch den Preis hierfür nicht zahlen.

Ich stehe vor der Wahl mich entweder in das Unternehmen einzubringen und zeitnah in eine Führungsrolle zu wechseln, was völlig anderes zu machen oder im Status Quo zu verharren. Alle drei Optionen finde ich mit Kosten & Nutzen kaum attraktiv. Früher war ich ein „high performer“ habe Überstunden geschrubbt usw. Mittlerweile sehe ich darin keinen Sinn mehr.

Bisherige Ansätze

Vor einigen Jahren habe ich einen juristischen Master nebenberuflich begonnen aber ca. nach der Hälfte und einem Notenschnitt von 1,0 abgebrochen. War mir einfach zu albern und zu langweilig. Vieles hat mir gefallen (Professoren, wissenschaftliche Problemstellungen lösen, Prüfungsdruck) aber vieles auch nicht (die eigentliche Arbeit von Juristen, Haltung, gesellschaftlicher Mehrwert etc.). Kein Feld womit Geld verdienen möchte.

Nebenberuflich habe ich immer mal wieder kleinere Unternehmen gegründet und hauptsächlich aus Spaß daran gearbeitet. Außerdem unterstützte ich hin und wieder im Freundeskreis bei solchen Sachen in Form von „Unternehmensberatung“, Sanierung oder einfach Steuererklärungen.

Vor knapp einem Jahr bin ich zwecks neuen Hobbys einem Verein beigetreten und so langsam angekommen, so dass ich mir hier auch stärker einbringen kann und möchte.

Aktuelle Gedankengänge

Nebenberufliches Studium kommt grundsätzlich weiterhin in Frage und sehe ich mit Blick auf Lebenslauf und Beschäftigungsfähigkeit als Muss an. Hier schaue ich mir gerade auch „fachfremde“ Gebiete an, die mich interessieren (z.B. Mathematik, Informatik). Wenn es nur um den Abschluss geht bieten sich Wirtschaftswissenschaftliche Studiengänge an, da hier der Aufwand im Vergleich zu fachfremden Gebieten wesentlich geringer ist.

Nebengewerbe bietet sich auch weiterhin an aber vermutlich nicht als Hauptgewerbe geeignet. Daher hauptsächlich aus Spaß an der Freude.

Für einen Jobwechsel oder Führungsaufgabe sehe ich das Problem beim Kosten-Nutzen-Verhältnis. Ich müsste ungleich mehr arbeiten, um vergleichbar oder etwas mehr zu verdienen. Mein derzeitiger Job ist bereits sehr stark optimiert und man könnte das auch locker bis zur Rente durchziehen. Glücklich werde ich damit oder vermutlich auch bei anderen Unternehmen als Angestellter trotzdem nicht. Indirekt durch die Freiheiten/Möglichkeiten natürlich schon.

Emotionale Lage

Im Grunde unkritisch, da ich weiterhin meinen Antrieb habe und ja aktiv nach Lösungen suche. Dennoch bin ich unzufrieden, habe keine beruflichen Ziele und mein damaliger Ehrgeiz ist irgendwo verschütt gegangen. Des Weiteren schmeckt mir der Gedanke nicht in meinem Alter keine Richtung mehr zu haben und ambitionslos das Leben zu verleben, gerade mit Blick auf meine Rolle als Papa. Außerdem schäme ich mich auch für diese Art von Problemen, während andere nicht wissen, wie sie ihre Miete zahlen sollen etc.

Was meint ihr?

Übertreibe ich? Darf ich mich eigentlich nicht beschweren? Geht es anderen auch so und was würdet ihr mir empfehlen näher an eine Lösung zu kommen oder meinen Frieden damit zu finden?

Vielen Dank für alle Beiträge und Gedanken!

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Hallo kurz und willkommen im Forum :slightly_smiling_face:

Vom Grund her hört sich dein Leben ja erst mal so an, wie es sich mit Sicherheit viele Menschen wünschen würden… Geld stimmt, Familiensituation macht dich glücklich und auch der Ort, wo du lebst scheint in Ordnung zu sein wenn ich das richtig rausgehört habe?! Aber ja ich kann deine Situation vollkommen verstehen… Wenn man sich nicht wohl fühlt, macht das einen entscheidenden Punkt aus…
Ich habe vor Jahren ähnliches durchgemacht… Tatsächlich stand ich vergleichsweise nicht so gut da wie du :sweat_smile: aber ich hatte eine ziemlich sichere Arbeit und das Gehalt war auch nicht schlecht aber ich hab mich nicht wohl gefühlt, und dann kann man noch so viel Geld dafür bekommen, das machts nicht besser… Ich habe mich dann für ein Studium entschieden, mit dem ich nach Beendigung perspektivisch weniger verdienen werde als in meinem alten Beruf, aber ich bereue es keinen Moment…
Aber zurück zu deiner Situation… Ich finde, du hast perfekte Grundvoraussetzungen durch deine geringe (effektive) Arbeitszeit… Ein Studium nebenbei würde mir auch als erstes in den Sinn kommen, da kannst du dich ja auch tatsächlich durchprobieren, was dir liegt… Wenns nix ist, einfach nächstes anfangen :man_shrugging:
Was mir jetzt noch in den Sinn kommt, was ich wahrscheinlich machen würde, wenn ich in deiner Situation und mit deinen Mitteln wäre (weiß aber nicht, ob du da persönlich ein Typ für bist): ich würde versuchen, irgendwelche wohltätige Organisationen zu unterstützen oder sogar selbst auf die Beine zu stellen! Davon kann es nicht genug geben, je nachdem was es speziell wäre, würden viele Menschen oder vielleicht auch die Umwelt dankbar sein und sowas ist sicherlich auch ziemlich erfüllend… Und damit wirst du dann sicherlich auch bis spät ins Nachrentenalter Beschäftigung haben, die aber auch machbar sein wird (also du musst ja dann nicht mehr großartig körperlich tätig sein :wink:)
Vielleicht hilft dir diese Idee schon etwas, auf den richtigen Weg zu kommen… Ich drück dir auf jeden Fall die Daumen, dass du (noch) glücklicher wirst :slight_smile:

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Hilft vielleicht nicht, aber daran musste ich denken, als ich Deinen Post gelesen habe:

„Wir sind die Zweitgeborenen der Geschichte, Leute. Männer ohne Zweck, ohne Ziel. Wir haben keinen großen Krieg, keine große Depression. Unser großer Krieg ist kein spiritueller, unsere große Depression ist unser Leben.“

Tyler Durden - Fight Club

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Vielen Dank für die ausführliche Antwort.

Ja, Studium ergibt definitiv Sinn. Wohltätige Organisationen sind so eine Sache, da ich tiefe Einblicke in die großen Organisationen habe und das „Geschäft“ kenne. Aber es gibt da sicherlich kleinere Organisationen oder Positivbeispiele. Auf jeden Fall ein guter Gedanke und ich schaue mich mal bei kleinen, lokalen Organisationen um.

Das nicht aber danke für die Erinnerung an einen guten Film. Wird mal wieder Zeit den zu schauen.

Frei nach Pispers: „…ich finde noch heute jemanden, der gerne mit Dir tauscht“.

Du bist eigentlich zu beneiden! Dein Problem ist, dass du kein Problem hast. So solls ja eigentlich sein, oder? Auf der Bedürfnispyramide ganz oben angekommen.

„Geht`s dem Esel zu gut, begibt er sich aufs Eis“.

…also einen wirklichen Rat hab ich nicht. Ausser: Genieße das Leben, die Natur…und freue Dich auf deine Kinder!

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Du musst dich für gar nichts schämen. Das ist die klassische „Sinn“ Suche im Leben. Der „Sinn“ kommt denk ich ganz automatisch, wenn man sein Leben abwechselungsreich lebt, es dauert halt seine Zeit. Es ist natürlich schwieriger für jemanden, der das ganze Leben lebt, weil er meint auf eine gewisse Art leben zu müssen, weil jeder in der Gesellschaft, plus die Medien, das so vorleben (Schule, Studium, Beruf, Kinder, Rente, Tod). Und es ist tatsächlich so dass Geld nicht glücklich macht, selbst wenn du eine Milliarde hast, werden diese Probleme, die du beschrieben hast, bleiben, das kann ich dir garantieren :slight_smile:

Also: einfach weiterleben, aber viele Dinge ausprobieren und nicht meinen, auf Teufel komm raus dein Leben genauso weiterzuführen. Dann kommt der Sinn schon automatisch, kannst du nicht erzwingen.

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Willst dich vielleicht in nem Repairkaffee engagieren? Triffst viele neue Leute und bekommst neuen Input und kannst gleich noch etwas Bitcoin Education machen.

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Geld ist eben nicht alles, sieh hier mal:

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Ist ein guter Gedanke. Interesse, Technik, Werkzeug usw. ist sogar vorhanden und als „Autodidakt“ nehme ich eh ständig Sachen auseinander und füge sie wieder zusammen. Da bieten sich auch große Lernfelder und anderweitig kann ich sicherlich auch unterstützen. Werde mir das Thema mal genauer anschauen. Vielen Dank für die Anregung!

Ich kann aber auch sagen, dass alleine schon das Feedback über die Antworten und persönlichen Nachrichten etwas geholfen haben. Manchmal benötigt man einen Blick von Außen, um zu wissen wo man steht.

Danke, dass du deine intimen Gedanken teilst.

Was mir in deiner Ausführung gefehlt hat, war das Wort Leidenschaft.

Persönlich glaube ich, dass man sich nur selbst verwirklichen kann, wenn man einer wirklichen Leidenschaft nachgeht, in der man nicht an „Kosten/Nutzen“ denkt und immer weiter bereit ist, sich in diesem Bereich weiterzubilden. Wenn man bei der Ausübung seiner Leidenschaft auch noch die eigenen moralischen Werte einhalten kann, ist man wirklich glücklich.

Ich glaube, dass schaffen nur sehr wenige Menschen. Wir leben in einer Welt, in der wir (in Deutschland) eigentlich alles haben. Aber wirklich „glücklich“ ist man nicht, wenn man etwas geschenkt bekommt, sondern wenn man etwas geschafft hat, wodrauf man stolz ist und was man selber vorher nicht von sich erwartet hätte.

@kurz: Was war deine Motivation bei den Unternehmensgründungen?

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Ein weiterer Punkt ist denke ich der Sinn. Wenn man einer Tätigkeit nachgeht, die man für sinnvoll hält und mit der man sich auf eine Weise selber verwirklichen kann, dann hat das einen sehr starken positiven Effekt auf die Zufriedenheit im Job und auch im Leben generell.

Die Frage wäre dann also wie du in deiner jetzigen Position mehr das Gefühl bekommen kannst etwas sinnvolles zu tun und deine Zeit gut zu nutzen. Da geht es dann nicht mehr drum möglichst viel Gehalt mit möglichst geringer Arbeitszeit zu erreichen, was vielleicht für viele Arbeitnehmer das Ziel ist, sondern mit der investierten Zeit möglichst viel gutes zu tun oder etwas zu produzieren auf das man stolz ist und mit dem man sich identifizieren kann.

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Die Tätigkeit kann ziemlich sinnvoll sein, man geht aber nicht darin auf, macht es eben nicht mit Leidenschaft. Lässt sich Sinnhaftigkeit und Leidenschaft vermählen, dann ist das perfekt!

Mal eine allgemeine Frage in die Runde.
Glaubt ihr, dass man vielleicht auch seine Mitte finden kann, indem man „Reichtum“ abgibt und stattdessen ein minimalistischeres Leben führt? Als Beispiel nenne ich jetzt mal einen Angler in Norwegen, der sich irgendwo im Nirgendwo in der Natur eingebettet fühlt und sich an seinem gefangenen Fisch und seinen selbst angebauten Kohl immer wieder erfreuen kann.

Ich denke viele Menschen rennen einer Vorstellung eines guten und glücklichen Lebens hinterher, wobei sie dann vielleicht irgendwann merken, dass das gar nichts für sie ist. Job, Eigenheim, 1x Urlaub im Jahr…

Womöglich steht @kurz vor einer Grundfrage seines Daseins. Soll Mitte 30 nichts allzu Besonderes sein :wink:

Geht doch einmal eine Woche lang durch euren Alltag und fragt euch - oder direkt eure Kontakte - ob die Leute leidenschaftlich ihre Tätigkeit ausüben…

@kurz Viele würden dich um deine Lebenssituation beneiden. Zeit ist Geld. Geld ist aber auch Zeit.
Probier dich aus. Gehe Reisen! Such dir Bücher, die dich und die vielleicht besser verstehen lassen. Schenke deinen Kindern deine Zeit.

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Sehe ich auch so! Diesen Aspekt habe ich ein bisschen versucht mit „eigenen moralischen Werten“ zu erklären. Also: Beeinflusst mein Handeln die Umwelt/Mitmenschen/Lebewesen positiv?

Genügsamkeit ist eine Tugend und ist sicherlich eine entscheidende Eigenschaft, um glücklich zu sein. Jemand, der nicht mit dem zufrieden sein kann, was er hat, wird wahrscheinlich nie zufrieden sein, mit dem was er haben wird.

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