Bitcoin: Was steckt hinter dem Absturz? | Von Ernst Wolff

Ok, hier wird ja immer noch fleißig diskutiert, lasst mich also mal kurz klarstellen, warum ich den Artikel so miserabel finde, das hat nämlich nichts damit zu tun, dass der Autor es für das Beste gehalten hat, für die Veröffentlichung gerade Jebsens Website zu wählen.

Der Artikel ist ja nicht lang, alles was drinsteht, ist: Es gab vor Kurzem einen Crash, es gibt ein paar mögliche Erklärungen, aber die beste Erklärung ist „Manipulation durch Großanleger“, und das geht deshalb, weil Bitcoinbesitz stark konzentriert ist.

Also, ans Eingemachte:



Warum ist die Erklärung „Manipulation“ besser als die anderen Erklärungen?

Sagt er nicht. Er sagt nur, das eine erklärt es nicht, das andere dürfte kaum der Grund sein, aber Manipulation erklärt es eher.


Gibt es Beweise dafür, dass Manipulation für die Kursentwicklung der letzten Tage verantwortlich ist?

Sagt er nicht. Kein einziges Wort darüber, was für heiße Spuren er bei seiner On-Chain-Analyse gefunden hat, weil er keine gemacht hat. Entweder, er weiß nicht wie, oder er hat einfach kein Interesse daran, seine öffentlichen Meinungen mit Beweisen zu unterlegen. Beides nicht gut.

Wie wär es damit: Das Handelsvolumen der letzten Tage war niedriger als das historisch bei potenziell manipulativen Liquidierungskaskaden der Fall ist. Toll, jetzt hab ich mit einem einzigen Blick in ein Chart ein mögliches Gegenargument besser fundiert als Wolff die Kernaussage seines Artikels.


Stimmen die Zahlen?

Das Herzstück des Artikels sind die Zahlen, die sich Wolff aus einem Paper des NBER holt, das er nur halblustig zitiert, ohne die genaue Quelle anzuführen. Für alle, die selbst nachlesen wollen, hier ist das Paper: https://www.nber.org/system/files/working_papers/w29396/w29396.pdf

Wolff schreibt:

Wie das National Bureau of Economic Research (NBER) im Oktober 2021 festgestellt hat, sind zurzeit 18,8 Millionen Bitcoin in Umlauf, verteilt auf 76 Millionen Konten. 7,9 Millionen Bitcoin lagen am 31. Dezember 2020 auf gerade einmal 2.258 Konten. Das heißt, dass 42 Prozent aller Bitcoin in den Händen von knapp drei Zehntausendstel aller Bitcoin-Besitzer liegen – eine extreme Ungleichheit, die dieser Minderheit ungeahnte Möglichkeiten der Manipulation gibt.

Wow, da gibt es also diese ganz wenigen Leute, die fast die Hälfte aller Bitcoin halten? Das ist ja schrecklich, schauen wir mal, was das Paper dazu sagt:

To address this challenge, we scrutinize the addresses in the “rich” list that have a balance of at least 1000 bitcoins as of Dec 31, 2020. There were 2258 such addresses, which controlled 7.9 million bitcoins — almost half of all bitcoins in circulation. Since cold wallets hold large balances, their addresses are very likely among these “rich” addresses. The fact that so few addresses control almost half of the bitcoins in circulation is often taken as prima facie evidence of the high concentration of Bitcoin holdings. This view, however, neglects the fact that some of these addresses belong to cold wallets and therefore, represent holdings of a large number of people.

Man beachte die letzten zwei Sätze: Die Tatsache, dass so wenige Adressen fast die Hälfte der im Umlauf befindlichen Bitcoins kontrollieren, wird oft als Beweis für die hohe Konzentration des Bitcoin-Besitzes angesehen. Diese Ansicht vernachlässigt jedoch die Tatsache, dass einige dieser Adressen zu Cold Wallets gehören und daher den Besitz einer großen Anzahl von Personen repräsentieren.

Will Wolff uns hier verarschen? In genau dem Absatz, aus dem er die Zahlen hat, schreiben die Autoren des Papers explizit, dass man sie nicht als Besitzkonzentration interpretieren sollte, weil da auch die Cold Wallets von Exchanges dabei sind. Und dann macht Wolff genau das.

Es wäre nicht das erste Mal, dass Propagandisten Studien zitieren und dabei die Meinung der Autoren ins Gegenteil verkehren. So weit will ich aber nicht gehen, ich überlasse es euch, zu entscheiden, ob Wolff das absichtlich getan hat oder hier einfach nur das Paper nicht richtig verstanden hat. Beides nicht gut.

(Abgesehen davon verrechnet sich Wolff dann auch noch – 2258 sind drei Hunderttausenstel von 76 Millionen, nicht drei Zehntausendstel, wie er schreibt – aber das macht an dem Punkt auch schon keinen Unterschied mehr.)



Also, ich mache hier keine Aussage über die Zentralisierung von BTC oder die Prävalenz von Kursmanipulationen, und ich hab auch kein besonderes Interesse, das hier zu diskutieren. Ich mache nur eine Aussage über Ernst Wolff, den ich bisher nicht kannte, und zwar die folgende: Wenn dieser Artikel repräsentativ für Wolffs journalistische Kompetenz ist, werde ich mich in Zukunft von seinen Texten fernhalten.

Ich bitte auch alle „Selbstdenker“, diesem Namen etwas mehr Ehre zu machen, bevor sie die Ergüsse ihrere Artgenossen unbesehen verbreiten.

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